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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Die Werderschen.
Blaue Havel, gelber Sand,
Schwarzer Hut und braune Hand,
Herzen frisch und Luft gesund
Und Kirschen wie ein Mädchenmund.

Was uns nun aber heute nach Werder führt, das ist weder
die Kirche noch deren fragwürdiger Bilderschatz, das ist einfach
eine Pietät gegen die besten Freundinnen unserer Jugend, gegen
die "Werderschen." Jeden Morgen, auf unserem Schulwege,
hatten wir ihren Stand zwischen Herkules- und Friedrichsbrücke
zu passiren, und wir können uns nicht entsinnen, je anders als
mit "Augen rechts" an ihrer langen Front vorübergegangen zu
sein. Mitunter traf es sich auch wohl, daß wir das verspätete
"zweite Treffen" der Werderschen, vom Unterbaume her, heran-
schwimmen sahen: große Schuten dicht mit Tienen besetzt,
während auf den Ruderbänken 20 Werderanerinnen saßen und
ihre Ruder und die Köpfe mit den Kiepenhüten gleich energisch
bewegten. Das war ein idealer Genuß, ein Schauspiel, aber
ach, "ein Schauspiel nur," und siehe da, dem ersten Treffen,
das in allem Schimmer Pomonens sich bereits faßbar vor uns
präsentirte, verblieb doch immer der Sieg über unsere Sinne
und unser Herz. Welche Pfirsiche in Weinblatt! Die Luft
schwamm in einem erfrischenden Duft, und der Kuppelbau der
umgestülpten und übereinander gethürmten Holztienen interessirte
uns mehr als der Kommodenbau von Monbijou und (traurig
zu sagen) auch als der Säulenwald des Schinkelschen Neuen
Museums.

Das sind nun 35 Jahre, das "Neue Museum" von da-
mals ist schon wieder zu einem alten geworden, die Bilder jener
Tage aber sind nicht verblaßt, und als unsere Havelwanderungen
vor lang oder kurz begannen, und unser Auge, von den Kuppen
und Berglehnen am Schwilow aus, immer wieder der Spitz-
thurm-Kirche von Werder gewahr wurde, da gemahnte es

Fontane, Wanderungen. III. 15
Die Werderſchen.
Blaue Havel, gelber Sand,
Schwarzer Hut und braune Hand,
Herzen friſch und Luft geſund
Und Kirſchen wie ein Mädchenmund.

Was uns nun aber heute nach Werder führt, das iſt weder
die Kirche noch deren fragwürdiger Bilderſchatz, das iſt einfach
eine Pietät gegen die beſten Freundinnen unſerer Jugend, gegen
die „Werderſchen.“ Jeden Morgen, auf unſerem Schulwege,
hatten wir ihren Stand zwiſchen Herkules- und Friedrichsbrücke
zu paſſiren, und wir können uns nicht entſinnen, je anders als
mit „Augen rechts“ an ihrer langen Front vorübergegangen zu
ſein. Mitunter traf es ſich auch wohl, daß wir das verſpätete
„zweite Treffen“ der Werderſchen, vom Unterbaume her, heran-
ſchwimmen ſahen: große Schuten dicht mit Tienen beſetzt,
während auf den Ruderbänken 20 Werderanerinnen ſaßen und
ihre Ruder und die Köpfe mit den Kiepenhüten gleich energiſch
bewegten. Das war ein idealer Genuß, ein Schauſpiel, aber
ach, „ein Schauſpiel nur,“ und ſiehe da, dem erſten Treffen,
das in allem Schimmer Pomonens ſich bereits faßbar vor uns
präſentirte, verblieb doch immer der Sieg über unſere Sinne
und unſer Herz. Welche Pfirſiche in Weinblatt! Die Luft
ſchwamm in einem erfriſchenden Duft, und der Kuppelbau der
umgeſtülpten und übereinander gethürmten Holztienen intereſſirte
uns mehr als der Kommodenbau von Monbijou und (traurig
zu ſagen) auch als der Säulenwald des Schinkelſchen Neuen
Muſeums.

Das ſind nun 35 Jahre, das „Neue Muſeum“ von da-
mals iſt ſchon wieder zu einem alten geworden, die Bilder jener
Tage aber ſind nicht verblaßt, und als unſere Havelwanderungen
vor lang oder kurz begannen, und unſer Auge, von den Kuppen
und Berglehnen am Schwilow aus, immer wieder der Spitz-
thurm-Kirche von Werder gewahr wurde, da gemahnte es

Fontane, Wanderungen. III. 15
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[[225]/0243] Die Werderſchen. Blaue Havel, gelber Sand, Schwarzer Hut und braune Hand, Herzen friſch und Luft geſund Und Kirſchen wie ein Mädchenmund. Was uns nun aber heute nach Werder führt, das iſt weder die Kirche noch deren fragwürdiger Bilderſchatz, das iſt einfach eine Pietät gegen die beſten Freundinnen unſerer Jugend, gegen die „Werderſchen.“ Jeden Morgen, auf unſerem Schulwege, hatten wir ihren Stand zwiſchen Herkules- und Friedrichsbrücke zu paſſiren, und wir können uns nicht entſinnen, je anders als mit „Augen rechts“ an ihrer langen Front vorübergegangen zu ſein. Mitunter traf es ſich auch wohl, daß wir das verſpätete „zweite Treffen“ der Werderſchen, vom Unterbaume her, heran- ſchwimmen ſahen: große Schuten dicht mit Tienen beſetzt, während auf den Ruderbänken 20 Werderanerinnen ſaßen und ihre Ruder und die Köpfe mit den Kiepenhüten gleich energiſch bewegten. Das war ein idealer Genuß, ein Schauſpiel, aber ach, „ein Schauſpiel nur,“ und ſiehe da, dem erſten Treffen, das in allem Schimmer Pomonens ſich bereits faßbar vor uns präſentirte, verblieb doch immer der Sieg über unſere Sinne und unſer Herz. Welche Pfirſiche in Weinblatt! Die Luft ſchwamm in einem erfriſchenden Duft, und der Kuppelbau der umgeſtülpten und übereinander gethürmten Holztienen intereſſirte uns mehr als der Kommodenbau von Monbijou und (traurig zu ſagen) auch als der Säulenwald des Schinkelſchen Neuen Muſeums. Das ſind nun 35 Jahre, das „Neue Muſeum“ von da- mals iſt ſchon wieder zu einem alten geworden, die Bilder jener Tage aber ſind nicht verblaßt, und als unſere Havelwanderungen vor lang oder kurz begannen, und unſer Auge, von den Kuppen und Berglehnen am Schwilow aus, immer wieder der Spitz- thurm-Kirche von Werder gewahr wurde, da gemahnte es Fontane, Wanderungen. III. 15

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. [225]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/243>, abgerufen am 29.03.2024.