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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Der jüngere Bischofswerder machte seine Laufbahn in der
Garde. 1833, bei dem Tode der Mutter, war er Major im
Regiment Garde du Corps. Seine Familie (er war mit einer
Schlabrendorf vermählt) pflegte meistens die Sommermonate in
Marquardt zu verbringen; er selbst erschien nur auf Stunden
und Tage, wenn der Dienst es gestattete oder die Wirthschafts-
Controle es forderte.

1842 bereitete sich eine eigenthümliche Feier in Marquardt
vor, ein letzter Schimmer aus Tagen her, wo der Name Bischofs-
werder Macht, Gunst und Glück bedeutete. Es war am 20. April
genannten Jahres, bei hellem Mittagsschein, als die Rundgruft
im Park wieder geöffnet wurde. Ein dritter stiller Bewohner
sollte einziehn. Bon Berlin her kam ein langer Zug von Kut-
schen und Wagen, auf dem vordersten Wagen aber, katafalk-
artig aufgebaut, stand ein blumengeschmückter Sarg. In dem
Sarge ruhte Caroline Erdmuthe Christiane v. Bischofswer-
der
, dame d'atour der Gemahlin Friedrich Wilhelms II., spä-
ter Hof- und Staatsdame der Königin Luise. Sie war,
76 Jahre alt, in den stillen Oberzimmern des Berliner Schlos-
ses gestorben. Wenige nur hatten sie noch gekannt; aber unter
diesen wenigen waren die Prinzen des Königlichen Hauses, vor
Allen der König selbst. Dieser folgte jetzt ihrem Sarge. Als
der Park erreicht, der Sarg in die Gruft hinabgelassen und
das Einsegnungsgebet durch den Pastor Stiebritz gesprochen war,
trat König Friedrich Wilhelm IV. an die Gruft und rief ihr
bewegt die Worte nach: "Hier begrabe ich meine zweite Mut-
ter; sie hat mich genährt und erzogen." Dann schloß sich die
Gruft zum dritten, wohl auch zum letzten Male. Die
Bischofswerders sind hinüber; wer wird sich eindrängen wollen
in ihren stillen Kreis?

Der Pastor Stiebritz feierte an jenem Tage seinen 80. Ge-
burtstag. Auf welchen Wechsel der Dinge blickte er zurück!
In demselben Jahre (1795), in dem Marquardt von den
Bischofswerders erworben und der Sohn und Erbe, der nun
mit am Grabe stand, geboren war, war er ins Amt getreten.

Der jüngere Biſchofswerder machte ſeine Laufbahn in der
Garde. 1833, bei dem Tode der Mutter, war er Major im
Regiment Garde du Corps. Seine Familie (er war mit einer
Schlabrendorf vermählt) pflegte meiſtens die Sommermonate in
Marquardt zu verbringen; er ſelbſt erſchien nur auf Stunden
und Tage, wenn der Dienſt es geſtattete oder die Wirthſchafts-
Controle es forderte.

1842 bereitete ſich eine eigenthümliche Feier in Marquardt
vor, ein letzter Schimmer aus Tagen her, wo der Name Biſchofs-
werder Macht, Gunſt und Glück bedeutete. Es war am 20. April
genannten Jahres, bei hellem Mittagsſchein, als die Rundgruft
im Park wieder geöffnet wurde. Ein dritter ſtiller Bewohner
ſollte einziehn. Bon Berlin her kam ein langer Zug von Kut-
ſchen und Wagen, auf dem vorderſten Wagen aber, katafalk-
artig aufgebaut, ſtand ein blumengeſchmückter Sarg. In dem
Sarge ruhte Caroline Erdmuthe Chriſtiane v. Biſchofswer-
der
, dame d’atour der Gemahlin Friedrich Wilhelms II., ſpä-
ter Hof- und Staatsdame der Königin Luiſe. Sie war,
76 Jahre alt, in den ſtillen Oberzimmern des Berliner Schloſ-
ſes geſtorben. Wenige nur hatten ſie noch gekannt; aber unter
dieſen wenigen waren die Prinzen des Königlichen Hauſes, vor
Allen der König ſelbſt. Dieſer folgte jetzt ihrem Sarge. Als
der Park erreicht, der Sarg in die Gruft hinabgelaſſen und
das Einſegnungsgebet durch den Paſtor Stiebritz geſprochen war,
trat König Friedrich Wilhelm IV. an die Gruft und rief ihr
bewegt die Worte nach: „Hier begrabe ich meine zweite Mut-
ter; ſie hat mich genährt und erzogen.“ Dann ſchloß ſich die
Gruft zum dritten, wohl auch zum letzten Male. Die
Biſchofswerders ſind hinüber; wer wird ſich eindrängen wollen
in ihren ſtillen Kreis?

Der Paſtor Stiebritz feierte an jenem Tage ſeinen 80. Ge-
burtstag. Auf welchen Wechſel der Dinge blickte er zurück!
In demſelben Jahre (1795), in dem Marquardt von den
Biſchofswerders erworben und der Sohn und Erbe, der nun
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[285/0303] Der jüngere Biſchofswerder machte ſeine Laufbahn in der Garde. 1833, bei dem Tode der Mutter, war er Major im Regiment Garde du Corps. Seine Familie (er war mit einer Schlabrendorf vermählt) pflegte meiſtens die Sommermonate in Marquardt zu verbringen; er ſelbſt erſchien nur auf Stunden und Tage, wenn der Dienſt es geſtattete oder die Wirthſchafts- Controle es forderte. 1842 bereitete ſich eine eigenthümliche Feier in Marquardt vor, ein letzter Schimmer aus Tagen her, wo der Name Biſchofs- werder Macht, Gunſt und Glück bedeutete. Es war am 20. April genannten Jahres, bei hellem Mittagsſchein, als die Rundgruft im Park wieder geöffnet wurde. Ein dritter ſtiller Bewohner ſollte einziehn. Bon Berlin her kam ein langer Zug von Kut- ſchen und Wagen, auf dem vorderſten Wagen aber, katafalk- artig aufgebaut, ſtand ein blumengeſchmückter Sarg. In dem Sarge ruhte Caroline Erdmuthe Chriſtiane v. Biſchofswer- der, dame d’atour der Gemahlin Friedrich Wilhelms II., ſpä- ter Hof- und Staatsdame der Königin Luiſe. Sie war, 76 Jahre alt, in den ſtillen Oberzimmern des Berliner Schloſ- ſes geſtorben. Wenige nur hatten ſie noch gekannt; aber unter dieſen wenigen waren die Prinzen des Königlichen Hauſes, vor Allen der König ſelbſt. Dieſer folgte jetzt ihrem Sarge. Als der Park erreicht, der Sarg in die Gruft hinabgelaſſen und das Einſegnungsgebet durch den Paſtor Stiebritz geſprochen war, trat König Friedrich Wilhelm IV. an die Gruft und rief ihr bewegt die Worte nach: „Hier begrabe ich meine zweite Mut- ter; ſie hat mich genährt und erzogen.“ Dann ſchloß ſich die Gruft zum dritten, wohl auch zum letzten Male. Die Biſchofswerders ſind hinüber; wer wird ſich eindrängen wollen in ihren ſtillen Kreis? Der Paſtor Stiebritz feierte an jenem Tage ſeinen 80. Ge- burtstag. Auf welchen Wechſel der Dinge blickte er zurück! In demſelben Jahre (1795), in dem Marquardt von den Biſchofswerders erworben und der Sohn und Erbe, der nun mit am Grabe ſtand, geboren war, war er ins Amt getreten.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/303>, abgerufen am 24.04.2024.