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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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bestellten nun ihr Stück Garten- und Ackerland; einige aber
mußten täglich auf Wache ziehen und den Dienst versehn. Kam
dann mal ein hoher Besuch, Prinz Heinrich oder gar der König
selbst, so mußten sie alle heran, um die militärischen Verhält-
nisse von Friedrichsfelde in möglichst günstigem Lichte erscheinen
zu lassen. Das Wachtlocal ist noch da, und erinnert mit sei-
nen Holzsäulchen, die das obere Stockwerk tragen, zumeist an
die Wachthäuser am Halleschen Thor, die, beiläufig, nun auch
ihren Dienst eingestellt haben.

Natürlich war auch das Friedrichsfelder Leben dem
Rheinsberger verwandt, nur blasser, insipider. Wir müssen
hinzusetzen, zu seinem Glück. Es hatte auch seine "Chronique,"
seine Flüsterungen, seine Geheimnisse, aber es fehlte doch das
Parfum, das in dem stillen, abgelegenen Schloß am Grineritz-
See alle Dinge durchdrang. In Friedrichsfelde gab es Frauen,
das sagt Alles; ihre Gegenwart bedingt nicht immer Tugend,
aber sie bedingt wenigstens Natur. Und davon hatte der
Friedrichsfelder Hof sein volles Maaß. Die durchlauchtige Dame,
die ihm vorstand, war eine Prinzessin von Schwedt, gehörte
also einem Frauenkreise an, von dem man sagen kann, daß er
der Natur noch um einen Schritt näher stand, als die Frauen
im Allgemeinen. Es ist eine Freude, in alten Gallerieen, bei-
spielsweise in Schwedt selbst, ihren Bildern und Büsten zu
begegnen; welche Fülle von Leben, welche Gesundheit in Formen
und Farben! Ihre Ehen waren nicht immer normal, nicht
immer das, was Ehen sein sollen; aber es waren gute
Frauen, und -- die Männer waren glücklich.

Ueberraschend zu sagen, die Hauptfeste in Friedrichsfelde
waren Taufen! Namentlich um jene Zeit herum, wo die
gesammte hohenzollernsche Descendenz auf zwei Augen stand.
Das war um 1770. Am 11. November 1771 wurde ein
Prinz geboren; bei der damaligen Sachlage ein "Ereigniß."
Der Prinz erhielt die Namen Friedrich Christian Heinrich
Ludwig. Der König, die Königin, Prinz Heinrich, wohnten
der Tauffeierlichkeit bei; von auswärtigen Mitgliedern der Fa-

beſtellten nun ihr Stück Garten- und Ackerland; einige aber
mußten täglich auf Wache ziehen und den Dienſt verſehn. Kam
dann mal ein hoher Beſuch, Prinz Heinrich oder gar der König
ſelbſt, ſo mußten ſie alle heran, um die militäriſchen Verhält-
niſſe von Friedrichsfelde in möglichſt günſtigem Lichte erſcheinen
zu laſſen. Das Wachtlocal iſt noch da, und erinnert mit ſei-
nen Holzſäulchen, die das obere Stockwerk tragen, zumeiſt an
die Wachthäuſer am Halleſchen Thor, die, beiläufig, nun auch
ihren Dienſt eingeſtellt haben.

Natürlich war auch das Friedrichsfelder Leben dem
Rheinsberger verwandt, nur blaſſer, inſipider. Wir müſſen
hinzuſetzen, zu ſeinem Glück. Es hatte auch ſeine „Chronique,“
ſeine Flüſterungen, ſeine Geheimniſſe, aber es fehlte doch das
Parfum, das in dem ſtillen, abgelegenen Schloß am Grineritz-
See alle Dinge durchdrang. In Friedrichsfelde gab es Frauen,
das ſagt Alles; ihre Gegenwart bedingt nicht immer Tugend,
aber ſie bedingt wenigſtens Natur. Und davon hatte der
Friedrichsfelder Hof ſein volles Maaß. Die durchlauchtige Dame,
die ihm vorſtand, war eine Prinzeſſin von Schwedt, gehörte
alſo einem Frauenkreiſe an, von dem man ſagen kann, daß er
der Natur noch um einen Schritt näher ſtand, als die Frauen
im Allgemeinen. Es iſt eine Freude, in alten Gallerieen, bei-
ſpielsweiſe in Schwedt ſelbſt, ihren Bildern und Büſten zu
begegnen; welche Fülle von Leben, welche Geſundheit in Formen
und Farben! Ihre Ehen waren nicht immer normal, nicht
immer das, was Ehen ſein ſollen; aber es waren gute
Frauen, und — die Männer waren glücklich.

Ueberraſchend zu ſagen, die Hauptfeſte in Friedrichsfelde
waren Taufen! Namentlich um jene Zeit herum, wo die
geſammte hohenzollernſche Deſcendenz auf zwei Augen ſtand.
Das war um 1770. Am 11. November 1771 wurde ein
Prinz geboren; bei der damaligen Sachlage ein „Ereigniß.“
Der Prinz erhielt die Namen Friedrich Chriſtian Heinrich
Ludwig. Der König, die Königin, Prinz Heinrich, wohnten
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[406/0424] beſtellten nun ihr Stück Garten- und Ackerland; einige aber mußten täglich auf Wache ziehen und den Dienſt verſehn. Kam dann mal ein hoher Beſuch, Prinz Heinrich oder gar der König ſelbſt, ſo mußten ſie alle heran, um die militäriſchen Verhält- niſſe von Friedrichsfelde in möglichſt günſtigem Lichte erſcheinen zu laſſen. Das Wachtlocal iſt noch da, und erinnert mit ſei- nen Holzſäulchen, die das obere Stockwerk tragen, zumeiſt an die Wachthäuſer am Halleſchen Thor, die, beiläufig, nun auch ihren Dienſt eingeſtellt haben. Natürlich war auch das Friedrichsfelder Leben dem Rheinsberger verwandt, nur blaſſer, inſipider. Wir müſſen hinzuſetzen, zu ſeinem Glück. Es hatte auch ſeine „Chronique,“ ſeine Flüſterungen, ſeine Geheimniſſe, aber es fehlte doch das Parfum, das in dem ſtillen, abgelegenen Schloß am Grineritz- See alle Dinge durchdrang. In Friedrichsfelde gab es Frauen, das ſagt Alles; ihre Gegenwart bedingt nicht immer Tugend, aber ſie bedingt wenigſtens Natur. Und davon hatte der Friedrichsfelder Hof ſein volles Maaß. Die durchlauchtige Dame, die ihm vorſtand, war eine Prinzeſſin von Schwedt, gehörte alſo einem Frauenkreiſe an, von dem man ſagen kann, daß er der Natur noch um einen Schritt näher ſtand, als die Frauen im Allgemeinen. Es iſt eine Freude, in alten Gallerieen, bei- ſpielsweiſe in Schwedt ſelbſt, ihren Bildern und Büſten zu begegnen; welche Fülle von Leben, welche Geſundheit in Formen und Farben! Ihre Ehen waren nicht immer normal, nicht immer das, was Ehen ſein ſollen; aber es waren gute Frauen, und — die Männer waren glücklich. Ueberraſchend zu ſagen, die Hauptfeſte in Friedrichsfelde waren Taufen! Namentlich um jene Zeit herum, wo die geſammte hohenzollernſche Deſcendenz auf zwei Augen ſtand. Das war um 1770. Am 11. November 1771 wurde ein Prinz geboren; bei der damaligen Sachlage ein „Ereigniß.“ Der Prinz erhielt die Namen Friedrich Chriſtian Heinrich Ludwig. Der König, die Königin, Prinz Heinrich, wohnten der Tauffeierlichkeit bei; von auswärtigen Mitgliedern der Fa-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/424>, abgerufen am 29.03.2024.