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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Massenbach. Ich lege die Talente des Herzogs in die eine, die
Talente Anderer in die andere Wagschale und die Schale des Herzogs
sinkt. Der Herzog besitzt keine absolute Größe, aber in Vergleichung
mit vielen seiner Zeitgenossen, ist er doch ein großer Mann. Man geb'
ihm Spielraum; Manstein ist entfernt; mit Zastrow wird sich der Her-
zog verstehen.

Bischofswerder. Glauben Sie? Sie irren sich in Zastrow,
wenn Sie glauben: er lasse sich leiten. Er will leiten. Der Herzog
wird also auch bei Zastrow auf Schwierigkeiten stoßen, die ihn bald
wieder abschrecken werden. Der Herzog, bei all seinem Verstande und
bei allen seinen großen Einsichten, ist doch ein schwacher Mann.

Dritte Unterredung um dieselbe Zeit ... Februar 1795.

Sie
betraf dieselben Gedanken, die wir schon im Text, S. 273 mitgetheilt
haben: Bündniß mit Frankreich. Noch war man im Kriege mit
der Republik, stand aber dicht vor dem Friedensschluß (Basler Frieden),
was Massenbach nicht wußte. In dem Augenblick, wo letztrer dies
durchschimmern sah, gab er seinen Plan: Energische Fortsetzung
des Krieges gegen Frankreich, auf, und proponirte, die neue Situation
schnell erfassend: Bündniß mit Frankreich. Ein bloßer Friedensschluß
war ihm etwas Halbes, entweder zu viel oder zu wenig. Bischofswer-
der befand sich diesem rapiden Andringen gegenüber, das von zwei ver-
schiedenen Seiten her ihn faßte, in einer üblen Lage. Er zog sich
diplomatisch-taktvoll und doch ohne alle Ausflüchte und Geheimniß-
krämerei aus der Situation heraus.

Massenbach. Das einzige Mittel, einen dauerhaften und ruhm-
vollen Frieden zu erlangen, besteht darin: den Krieg mit Nachdruck
fortzusetzen und Holland wieder zu erobern.

Bischofswerder. Wir haben keine Mittel den Krieg gegen
Frankreich fortzusetzen; der böse Wille der Oestreicher ist offenbar; wir
müssen Frieden machen.

Massenbach. Ein partieller Friede mit Frankreich setzt uns großer
Gefahr aus. Wir werden uns mit Rußland entzweien.

Bischofswerder. Rußland ist ohnedies unser Freund nicht.
Die polnische Campagne hat es sattsam bewiesen. Sie sollten Suwa-
rows Brief an den König sehn: "Praga raucht, Warschau zittert! Auf
den Wällen von Praga. Suwarow." Was denken Sie von dieser
Sprache?

Massenbach (nach kurzem Schweigen). Liegen die Dinge so, ist
Rußland unser Freund nicht, so mache man mit Frankreich nicht nur
Frieden, sondern schließe eine Offensiv- und Defensiv-Allianz mit den
Fünf-Männern.

Bischofswerder. Das ist zu früh.

Maſſenbach. Ich lege die Talente des Herzogs in die eine, die
Talente Anderer in die andere Wagſchale und die Schale des Herzogs
ſinkt. Der Herzog beſitzt keine abſolute Größe, aber in Vergleichung
mit vielen ſeiner Zeitgenoſſen, iſt er doch ein großer Mann. Man geb’
ihm Spielraum; Manſtein iſt entfernt; mit Zaſtrow wird ſich der Her-
zog verſtehen.

Biſchofswerder. Glauben Sie? Sie irren ſich in Zaſtrow,
wenn Sie glauben: er laſſe ſich leiten. Er will leiten. Der Herzog
wird alſo auch bei Zaſtrow auf Schwierigkeiten ſtoßen, die ihn bald
wieder abſchrecken werden. Der Herzog, bei all ſeinem Verſtande und
bei allen ſeinen großen Einſichten, iſt doch ein ſchwacher Mann.

Dritte Unterredung um dieſelbe Zeit … Februar 1795.

Sie
betraf dieſelben Gedanken, die wir ſchon im Text, S. 273 mitgetheilt
haben: Bündniß mit Frankreich. Noch war man im Kriege mit
der Republik, ſtand aber dicht vor dem Friedensſchluß (Basler Frieden),
was Maſſenbach nicht wußte. In dem Augenblick, wo letztrer dies
durchſchimmern ſah, gab er ſeinen Plan: Energiſche Fortſetzung
des Krieges gegen Frankreich, auf, und proponirte, die neue Situation
ſchnell erfaſſend: Bündniß mit Frankreich. Ein bloßer Friedensſchluß
war ihm etwas Halbes, entweder zu viel oder zu wenig. Biſchofswer-
der befand ſich dieſem rapiden Andringen gegenüber, das von zwei ver-
ſchiedenen Seiten her ihn faßte, in einer üblen Lage. Er zog ſich
diplomatiſch-taktvoll und doch ohne alle Ausflüchte und Geheimniß-
krämerei aus der Situation heraus.

Maſſenbach. Das einzige Mittel, einen dauerhaften und ruhm-
vollen Frieden zu erlangen, beſteht darin: den Krieg mit Nachdruck
fortzuſetzen und Holland wieder zu erobern.

Biſchofswerder. Wir haben keine Mittel den Krieg gegen
Frankreich fortzuſetzen; der böſe Wille der Oeſtreicher iſt offenbar; wir
müſſen Frieden machen.

Maſſenbach. Ein partieller Friede mit Frankreich ſetzt uns großer
Gefahr aus. Wir werden uns mit Rußland entzweien.

Biſchofswerder. Rußland iſt ohnedies unſer Freund nicht.
Die polniſche Campagne hat es ſattſam bewieſen. Sie ſollten Suwa-
rows Brief an den König ſehn: „Praga raucht, Warſchau zittert! Auf
den Wällen von Praga. Suwarow.“ Was denken Sie von dieſer
Sprache?

Maſſenbach (nach kurzem Schweigen). Liegen die Dinge ſo, iſt
Rußland unſer Freund nicht, ſo mache man mit Frankreich nicht nur
Frieden, ſondern ſchließe eine Offenſiv- und Defenſiv-Allianz mit den
Fünf-Männern.

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[439/0457] Maſſenbach. Ich lege die Talente des Herzogs in die eine, die Talente Anderer in die andere Wagſchale und die Schale des Herzogs ſinkt. Der Herzog beſitzt keine abſolute Größe, aber in Vergleichung mit vielen ſeiner Zeitgenoſſen, iſt er doch ein großer Mann. Man geb’ ihm Spielraum; Manſtein iſt entfernt; mit Zaſtrow wird ſich der Her- zog verſtehen. Biſchofswerder. Glauben Sie? Sie irren ſich in Zaſtrow, wenn Sie glauben: er laſſe ſich leiten. Er will leiten. Der Herzog wird alſo auch bei Zaſtrow auf Schwierigkeiten ſtoßen, die ihn bald wieder abſchrecken werden. Der Herzog, bei all ſeinem Verſtande und bei allen ſeinen großen Einſichten, iſt doch ein ſchwacher Mann. Dritte Unterredung um dieſelbe Zeit … Februar 1795. Sie betraf dieſelben Gedanken, die wir ſchon im Text, S. 273 mitgetheilt haben: Bündniß mit Frankreich. Noch war man im Kriege mit der Republik, ſtand aber dicht vor dem Friedensſchluß (Basler Frieden), was Maſſenbach nicht wußte. In dem Augenblick, wo letztrer dies durchſchimmern ſah, gab er ſeinen Plan: Energiſche Fortſetzung des Krieges gegen Frankreich, auf, und proponirte, die neue Situation ſchnell erfaſſend: Bündniß mit Frankreich. Ein bloßer Friedensſchluß war ihm etwas Halbes, entweder zu viel oder zu wenig. Biſchofswer- der befand ſich dieſem rapiden Andringen gegenüber, das von zwei ver- ſchiedenen Seiten her ihn faßte, in einer üblen Lage. Er zog ſich diplomatiſch-taktvoll und doch ohne alle Ausflüchte und Geheimniß- krämerei aus der Situation heraus. Maſſenbach. Das einzige Mittel, einen dauerhaften und ruhm- vollen Frieden zu erlangen, beſteht darin: den Krieg mit Nachdruck fortzuſetzen und Holland wieder zu erobern. Biſchofswerder. Wir haben keine Mittel den Krieg gegen Frankreich fortzuſetzen; der böſe Wille der Oeſtreicher iſt offenbar; wir müſſen Frieden machen. Maſſenbach. Ein partieller Friede mit Frankreich ſetzt uns großer Gefahr aus. Wir werden uns mit Rußland entzweien. Biſchofswerder. Rußland iſt ohnedies unſer Freund nicht. Die polniſche Campagne hat es ſattſam bewieſen. Sie ſollten Suwa- rows Brief an den König ſehn: „Praga raucht, Warſchau zittert! Auf den Wällen von Praga. Suwarow.“ Was denken Sie von dieſer Sprache? Maſſenbach (nach kurzem Schweigen). Liegen die Dinge ſo, iſt Rußland unſer Freund nicht, ſo mache man mit Frankreich nicht nur Frieden, ſondern ſchließe eine Offenſiv- und Defenſiv-Allianz mit den Fünf-Männern. Biſchofswerder. Das iſt zu früh.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/457>, abgerufen am 25.04.2024.