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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Rahnsdorf.
Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab.

Rahnsdorf liegt der Müggelbude gegenüber, ziemlich nah jener
malerischen Stelle, wo die Spree von Osten her in die Müggel eintritt.

Die frühesten Nachrichten über dies Dorf giebt das Land-
buch vom Jahre 1375, nach welchem Rahnsdorf an Schloß Cöpe-
nick einen Schoß oder Zins für die Fischerei-Gerechtigkeit auf dem
See zu zahlen hatte. So ging es durch Jahrhunderte hin. Erst
1722 kam es durch Tausch an den damals alle Territorien an
der Nordost-Ecke der Müggel innehabenden Geheimen Ober-Finanz-
rath v. Marschall, bei dessen Nachkommen es bis 1832 verblieb.
In letztgenanntem Jahr erwarb es Heinrich v. Treskow auf
Dahlwitz, in dessen oder seiner Familie Besitz es sich auch gegen-
wärtig noch befindet.

Rahnsdorf hatte, seiner schönen Lage halber, immer eine
Anziehungskraft für die Residenzler, die hier, in einer zerstreuten
Villencolonie, die heiße Jahreszeit, insonderheit auch die Ferien-
wochen ihrer Kinder zuzubringen liebten.

Im Geleite solcher Sommergäste befand sich in den letzten 50er
Jahren auch ein hübscher, hoch aufgeschossener Blondkopf, von dem
ich in Nachstehendem erzählen möchte. Er war ein Wildfang,
eitel und übermüthig, und über den See schwimmen oder bei
heraufziehendem Unwetter einen Kahn nehmen und wind-an rudern,
all das zählte so recht eigentlich zu seinem Ferienglück. Einmal

Rahnsdorf.
Geſtern noch auf ſtolzen Roſſen,
Heute durch die Bruſt geſchoſſen,
Morgen in das kühle Grab.

Rahnsdorf liegt der Müggelbude gegenüber, ziemlich nah jener
maleriſchen Stelle, wo die Spree von Oſten her in die Müggel eintritt.

Die früheſten Nachrichten über dies Dorf giebt das Land-
buch vom Jahre 1375, nach welchem Rahnsdorf an Schloß Cöpe-
nick einen Schoß oder Zins für die Fiſcherei-Gerechtigkeit auf dem
See zu zahlen hatte. So ging es durch Jahrhunderte hin. Erſt
1722 kam es durch Tauſch an den damals alle Territorien an
der Nordoſt-Ecke der Müggel innehabenden Geheimen Ober-Finanz-
rath v. Marſchall, bei deſſen Nachkommen es bis 1832 verblieb.
In letztgenanntem Jahr erwarb es Heinrich v. Treskow auf
Dahlwitz, in deſſen oder ſeiner Familie Beſitz es ſich auch gegen-
wärtig noch befindet.

Rahnsdorf hatte, ſeiner ſchönen Lage halber, immer eine
Anziehungskraft für die Reſidenzler, die hier, in einer zerſtreuten
Villencolonie, die heiße Jahreszeit, inſonderheit auch die Ferien-
wochen ihrer Kinder zuzubringen liebten.

Im Geleite ſolcher Sommergäſte befand ſich in den letzten 50er
Jahren auch ein hübſcher, hoch aufgeſchoſſener Blondkopf, von dem
ich in Nachſtehendem erzählen möchte. Er war ein Wildfang,
eitel und übermüthig, und über den See ſchwimmen oder bei
heraufziehendem Unwetter einen Kahn nehmen und wind-an rudern,
all das zählte ſo recht eigentlich zu ſeinem Ferienglück. Einmal

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[[118]/0134] Rahnsdorf. Geſtern noch auf ſtolzen Roſſen, Heute durch die Bruſt geſchoſſen, Morgen in das kühle Grab. Rahnsdorf liegt der Müggelbude gegenüber, ziemlich nah jener maleriſchen Stelle, wo die Spree von Oſten her in die Müggel eintritt. Die früheſten Nachrichten über dies Dorf giebt das Land- buch vom Jahre 1375, nach welchem Rahnsdorf an Schloß Cöpe- nick einen Schoß oder Zins für die Fiſcherei-Gerechtigkeit auf dem See zu zahlen hatte. So ging es durch Jahrhunderte hin. Erſt 1722 kam es durch Tauſch an den damals alle Territorien an der Nordoſt-Ecke der Müggel innehabenden Geheimen Ober-Finanz- rath v. Marſchall, bei deſſen Nachkommen es bis 1832 verblieb. In letztgenanntem Jahr erwarb es Heinrich v. Treskow auf Dahlwitz, in deſſen oder ſeiner Familie Beſitz es ſich auch gegen- wärtig noch befindet. Rahnsdorf hatte, ſeiner ſchönen Lage halber, immer eine Anziehungskraft für die Reſidenzler, die hier, in einer zerſtreuten Villencolonie, die heiße Jahreszeit, inſonderheit auch die Ferien- wochen ihrer Kinder zuzubringen liebten. Im Geleite ſolcher Sommergäſte befand ſich in den letzten 50er Jahren auch ein hübſcher, hoch aufgeſchoſſener Blondkopf, von dem ich in Nachſtehendem erzählen möchte. Er war ein Wildfang, eitel und übermüthig, und über den See ſchwimmen oder bei heraufziehendem Unwetter einen Kahn nehmen und wind-an rudern, all das zählte ſo recht eigentlich zu ſeinem Ferienglück. Einmal

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. [118]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/134>, abgerufen am 29.03.2024.