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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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hätte. Jedenfalls standen wir hinter der Oudinotschen Armee
nicht zurück und hatten keinen Anspruch darauf, von Napoleon
als "schlechte Truppe" und sogar als "Gesindel" bezeichnet zu
werden. Der nächste Tag sollte denn auch zeigen, daß er die
Rechnung ohne den Wirth gemacht und "l'Enfanterie prussienne"
sehr unterschätzt hatte.


Beginn der Schlacht.

Der rechte französische Flügel, das 4. Corps Bertrand, diri-
girte sich am 23. in aller Frühe schon von Jühnsdorf gegen
Blankenfelde, das bereits am voraufgegangenen Tage durch das
diesseitige IV. Corps unter General Tauentzin besetzt worden war. Es
entspann sich alsbald ein leichtes Gefecht, das bis gegen die Mittags-
stunde fortgeführt wurde. Zu dieser Zeit wandte sich Bertrand
an den links neben ihm stehenden Reynier und ließ ihn wissen,
"daß er auf hartnäckigen Widerstand gestoßen sei, weshalb er
Blankenfelde nur dann nehmen könne, wenn im Centrum ener-
gischer
vorgegangen und er (Bertrand) dadurch degagirt würde."
Da sich Reynier zu solchem "energischen Vorgehn" nicht bereit er-
klärte, ja mit Rücksicht auf das noch weit zurück befindliche Linke-
flügel-Corps Oudinot auch kaum erklären konnte, so schlief das
Gefecht am rechten Flügel (Blankenfelde) ein und ward auch im
ganzen Laufe des Tages nicht wieder aufgenommen.

Bertrand's Forderung "im Centrum energischer vorzugehn"
war unerfüllt geblieben, aber ein Vorgehen überhaupt hatte nichts
destoweniger stattgefunden und zur Wegnahme des durch drei
diesseitige Bataillone besetzten Dorfes Grooß-Beeren geführt.

In Folge davon war das Centrum der vorgeschobenste
Punkt der französischen Angriffs-Linie geworden; der rechte Flügel
bei Jühnsdorf stand um eine Meile, der linke, zwischen Trebbin
und Thyrow, um anderthalb Meilen zurück. An eben diesem lin-
ken Flügel befand sich auch das Obercommando.

Die Stellung bei Freund und Feind war um 5 Uhr die
folgende:

hätte. Jedenfalls ſtanden wir hinter der Oudinotſchen Armee
nicht zurück und hatten keinen Anſpruch darauf, von Napoleon
als „ſchlechte Truppe“ und ſogar als „Geſindel“ bezeichnet zu
werden. Der nächſte Tag ſollte denn auch zeigen, daß er die
Rechnung ohne den Wirth gemacht und „l’Enfanterie prussienne“
ſehr unterſchätzt hatte.


Beginn der Schlacht.

Der rechte franzöſiſche Flügel, das 4. Corps Bertrand, diri-
girte ſich am 23. in aller Frühe ſchon von Jühnsdorf gegen
Blankenfelde, das bereits am voraufgegangenen Tage durch das
dieſſeitige IV. Corps unter General Tauentzin beſetzt worden war. Es
entſpann ſich alsbald ein leichtes Gefecht, das bis gegen die Mittags-
ſtunde fortgeführt wurde. Zu dieſer Zeit wandte ſich Bertrand
an den links neben ihm ſtehenden Reynier und ließ ihn wiſſen,
„daß er auf hartnäckigen Widerſtand geſtoßen ſei, weshalb er
Blankenfelde nur dann nehmen könne, wenn im Centrum ener-
giſcher
vorgegangen und er (Bertrand) dadurch degagirt würde.“
Da ſich Reynier zu ſolchem „energiſchen Vorgehn“ nicht bereit er-
klärte, ja mit Rückſicht auf das noch weit zurück befindliche Linke-
flügel-Corps Oudinot auch kaum erklären konnte, ſo ſchlief das
Gefecht am rechten Flügel (Blankenfelde) ein und ward auch im
ganzen Laufe des Tages nicht wieder aufgenommen.

Bertrand’s Forderung „im Centrum energiſcher vorzugehn“
war unerfüllt geblieben, aber ein Vorgehen überhaupt hatte nichts
deſtoweniger ſtattgefunden und zur Wegnahme des durch drei
dieſſeitige Bataillone beſetzten Dorfes Grooß-Beeren geführt.

In Folge davon war das Centrum der vorgeſchobenſte
Punkt der franzöſiſchen Angriffs-Linie geworden; der rechte Flügel
bei Jühnsdorf ſtand um eine Meile, der linke, zwiſchen Trebbin
und Thyrow, um anderthalb Meilen zurück. An eben dieſem lin-
ken Flügel befand ſich auch das Obercommando.

Die Stellung bei Freund und Feind war um 5 Uhr die
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[294/0310] hätte. Jedenfalls ſtanden wir hinter der Oudinotſchen Armee nicht zurück und hatten keinen Anſpruch darauf, von Napoleon als „ſchlechte Truppe“ und ſogar als „Geſindel“ bezeichnet zu werden. Der nächſte Tag ſollte denn auch zeigen, daß er die Rechnung ohne den Wirth gemacht und „l’Enfanterie prussienne“ ſehr unterſchätzt hatte. Beginn der Schlacht. Der rechte franzöſiſche Flügel, das 4. Corps Bertrand, diri- girte ſich am 23. in aller Frühe ſchon von Jühnsdorf gegen Blankenfelde, das bereits am voraufgegangenen Tage durch das dieſſeitige IV. Corps unter General Tauentzin beſetzt worden war. Es entſpann ſich alsbald ein leichtes Gefecht, das bis gegen die Mittags- ſtunde fortgeführt wurde. Zu dieſer Zeit wandte ſich Bertrand an den links neben ihm ſtehenden Reynier und ließ ihn wiſſen, „daß er auf hartnäckigen Widerſtand geſtoßen ſei, weshalb er Blankenfelde nur dann nehmen könne, wenn im Centrum ener- giſcher vorgegangen und er (Bertrand) dadurch degagirt würde.“ Da ſich Reynier zu ſolchem „energiſchen Vorgehn“ nicht bereit er- klärte, ja mit Rückſicht auf das noch weit zurück befindliche Linke- flügel-Corps Oudinot auch kaum erklären konnte, ſo ſchlief das Gefecht am rechten Flügel (Blankenfelde) ein und ward auch im ganzen Laufe des Tages nicht wieder aufgenommen. Bertrand’s Forderung „im Centrum energiſcher vorzugehn“ war unerfüllt geblieben, aber ein Vorgehen überhaupt hatte nichts deſtoweniger ſtattgefunden und zur Wegnahme des durch drei dieſſeitige Bataillone beſetzten Dorfes Grooß-Beeren geführt. In Folge davon war das Centrum der vorgeſchobenſte Punkt der franzöſiſchen Angriffs-Linie geworden; der rechte Flügel bei Jühnsdorf ſtand um eine Meile, der linke, zwiſchen Trebbin und Thyrow, um anderthalb Meilen zurück. An eben dieſem lin- ken Flügel befand ſich auch das Obercommando. Die Stellung bei Freund und Feind war um 5 Uhr die folgende:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/310>, abgerufen am 24.04.2024.