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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Berlin
in den Tagen der Schlacht von Großbeeren.

Es war am 19. August 1813 -- so entnehm' ich alten, durch
Friedrich Tietz*) veröffentlichten Aufzeichnungen -- als an den

*) Friedrich Tietz, ein halbes Jahrhundert lang Berliner Publicist und
Mitarbeiter an einer großen Zahl unsrer Blätter (Vossische, Fremden-Blatt, Kreuz-
Zeitung) wurde den 24. Sept. 1803 zu Königsberg i. Pr. geboren und starb
am 6. Juli 1879 zu Berlin. Alles Beste was er geschrieben, sind Theater-
und Lebens-Erinnerungen. Mitunter gelang ihm auch ein Gelegenheits-
gedicht etc. Eins derselben -- bei Gelegenheit der Geburt des Prinzen Wil-
helm
(27. Januar 1859) gedichtet -- ist so gut, daß es in glücklichem Ein-
fall und graziösem Humor der Ausführung als Musterstück gelten kann. Ich
setz es hier her und bin der Meinung, daß der Verfasser desselben in nichts
Besserem fortleben kann.
Preußischer Frühling im Januar 1859.
Noch ist es lang hin bis zum Frühlingsgrün,
Bis zu Blüthenduft und Blumenblüh'n,
Bis zum Jubel der kleinen Waldvögelein,
Bis zum Fluge der Schwalben im Sonnenschein.
Und dennoch aus fernem, aus warmem Land,
Wohin der Winter den Flücht'gen verbannt,
Ist heimgekehrt ein verfrühter Gast,
Ein allbekannter zu erneuter Rast.
Er sucht sich die höchsten Giebel wohl aus
Und baut dort sein Nest auf der Menschen Haus,
Und wo er es thut, tönt's ihm entgegen:
"Willkommen! Du bringst dem Hause Segen!"
Wer mag noch fragen zu dieser Stund',
Welchen Gast wir meinen? Des Volkes Mund
Berlin
in den Tagen der Schlacht von Großbeeren.

Es war am 19. Auguſt 1813 — ſo entnehm’ ich alten, durch
Friedrich Tietz*) veröffentlichten Aufzeichnungen — als an den

*) Friedrich Tietz, ein halbes Jahrhundert lang Berliner Publiciſt und
Mitarbeiter an einer großen Zahl unſrer Blätter (Voſſiſche, Fremden-Blatt, Kreuz-
Zeitung) wurde den 24. Sept. 1803 zu Königsberg i. Pr. geboren und ſtarb
am 6. Juli 1879 zu Berlin. Alles Beſte was er geſchrieben, ſind Theater-
und Lebens-Erinnerungen. Mitunter gelang ihm auch ein Gelegenheits-
gedicht ꝛc. Eins derſelben — bei Gelegenheit der Geburt des Prinzen Wil-
helm
(27. Januar 1859) gedichtet — iſt ſo gut, daß es in glücklichem Ein-
fall und graziöſem Humor der Ausführung als Muſterſtück gelten kann. Ich
ſetz es hier her und bin der Meinung, daß der Verfaſſer deſſelben in nichts
Beſſerem fortleben kann.
Preußiſcher Frühling im Januar 1859.
Noch iſt es lang hin bis zum Frühlingsgrün,
Bis zu Blüthenduft und Blumenblüh’n,
Bis zum Jubel der kleinen Waldvögelein,
Bis zum Fluge der Schwalben im Sonnenſchein.
Und dennoch aus fernem, aus warmem Land,
Wohin der Winter den Flücht’gen verbannt,
Iſt heimgekehrt ein verfrühter Gaſt,
Ein allbekannter zu erneuter Raſt.
Er ſucht ſich die höchſten Giebel wohl aus
Und baut dort ſein Neſt auf der Menſchen Haus,
Und wo er es thut, tönt’s ihm entgegen:
„Willkommen! Du bringſt dem Hauſe Segen!“
Wer mag noch fragen zu dieſer Stund’,
Welchen Gaſt wir meinen? Des Volkes Mund
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[[311]/0327] Berlin in den Tagen der Schlacht von Großbeeren. Es war am 19. Auguſt 1813 — ſo entnehm’ ich alten, durch Friedrich Tietz *) veröffentlichten Aufzeichnungen — als an den *) Friedrich Tietz, ein halbes Jahrhundert lang Berliner Publiciſt und Mitarbeiter an einer großen Zahl unſrer Blätter (Voſſiſche, Fremden-Blatt, Kreuz- Zeitung) wurde den 24. Sept. 1803 zu Königsberg i. Pr. geboren und ſtarb am 6. Juli 1879 zu Berlin. Alles Beſte was er geſchrieben, ſind Theater- und Lebens-Erinnerungen. Mitunter gelang ihm auch ein Gelegenheits- gedicht ꝛc. Eins derſelben — bei Gelegenheit der Geburt des Prinzen Wil- helm (27. Januar 1859) gedichtet — iſt ſo gut, daß es in glücklichem Ein- fall und graziöſem Humor der Ausführung als Muſterſtück gelten kann. Ich ſetz es hier her und bin der Meinung, daß der Verfaſſer deſſelben in nichts Beſſerem fortleben kann. Preußiſcher Frühling im Januar 1859. Noch iſt es lang hin bis zum Frühlingsgrün, Bis zu Blüthenduft und Blumenblüh’n, Bis zum Jubel der kleinen Waldvögelein, Bis zum Fluge der Schwalben im Sonnenſchein. Und dennoch aus fernem, aus warmem Land, Wohin der Winter den Flücht’gen verbannt, Iſt heimgekehrt ein verfrühter Gaſt, Ein allbekannter zu erneuter Raſt. Er ſucht ſich die höchſten Giebel wohl aus Und baut dort ſein Neſt auf der Menſchen Haus, Und wo er es thut, tönt’s ihm entgegen: „Willkommen! Du bringſt dem Hauſe Segen!“ Wer mag noch fragen zu dieſer Stund’, Welchen Gaſt wir meinen? Des Volkes Mund

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. [311]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/327>, abgerufen am 28.03.2024.