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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Elftes Kapitel.

Die Barbys, der alte Graf und seine zwei Töchter,
lebten seit einer Reihe von Jahren in Berlin und zwar
am Kronprinzenufer, zwischen Alsen- und Moltkebrücke.
Das Haus, dessen erste Etage sie bewohnten, unterschied
sich, ohne sonst irgendwie hervorragend zu sein (Berlin
ist nicht reich an Privathäusern, die Schönheit und
Eigenart in sich vereinigen), immerhin vorteilhaft von
seinen Nachbarhäusern, von denen es durch zwei Terrain¬
streifen getrennt wurde; der eine davon ein kleiner
Baumgarten, mit allerlei Buschwerk dazwischen, der
andre ein Hofraum mit einem zierlichen malerisch wir¬
kenden Stallgebäude, dessen obere Fenster, hinter denen
sich die Kutscherwohnung befand, von wildem Wein um¬
wachsen waren. Schon diese Lage des Hauses hätte dem¬
selben ein bestimmtes Maß von Aufmerksamkeit gesichert,
aber auch seine Fassade mit ihren zwei Loggien links
und rechts ließ die des Weges Kommenden unwillkürlich
ihr Auge darauf richten. Hier, in eben diesen Loggien,
verbrachte die Familie mit Vorliebe die Früh- und
Nachmittagsstunden und bevorzugte dabei, je nach der
Jahreszeit, mal den zum Zimmer des alten Grafen ge¬
hörigen, in pompejischem Rot gehaltenen Einbau, mal
die gleichartige Loggia, die zum Zimmer der beiden
jungen Damen gehörte. Dazwischen lag ein dritter großer
Raum, der als Repräsentations- und zugleich als E߬

Elftes Kapitel.

Die Barbys, der alte Graf und ſeine zwei Töchter,
lebten ſeit einer Reihe von Jahren in Berlin und zwar
am Kronprinzenufer, zwiſchen Alſen- und Moltkebrücke.
Das Haus, deſſen erſte Etage ſie bewohnten, unterſchied
ſich, ohne ſonſt irgendwie hervorragend zu ſein (Berlin
iſt nicht reich an Privathäuſern, die Schönheit und
Eigenart in ſich vereinigen), immerhin vorteilhaft von
ſeinen Nachbarhäuſern, von denen es durch zwei Terrain¬
ſtreifen getrennt wurde; der eine davon ein kleiner
Baumgarten, mit allerlei Buſchwerk dazwiſchen, der
andre ein Hofraum mit einem zierlichen maleriſch wir¬
kenden Stallgebäude, deſſen obere Fenſter, hinter denen
ſich die Kutſcherwohnung befand, von wildem Wein um¬
wachſen waren. Schon dieſe Lage des Hauſes hätte dem¬
ſelben ein beſtimmtes Maß von Aufmerkſamkeit geſichert,
aber auch ſeine Faſſade mit ihren zwei Loggien links
und rechts ließ die des Weges Kommenden unwillkürlich
ihr Auge darauf richten. Hier, in eben dieſen Loggien,
verbrachte die Familie mit Vorliebe die Früh- und
Nachmittagsſtunden und bevorzugte dabei, je nach der
Jahreszeit, mal den zum Zimmer des alten Grafen ge¬
hörigen, in pompejiſchem Rot gehaltenen Einbau, mal
die gleichartige Loggia, die zum Zimmer der beiden
jungen Damen gehörte. Dazwiſchen lag ein dritter großer
Raum, der als Repräſentations- und zugleich als E߬

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[[140]/0146] Elftes Kapitel. Die Barbys, der alte Graf und ſeine zwei Töchter, lebten ſeit einer Reihe von Jahren in Berlin und zwar am Kronprinzenufer, zwiſchen Alſen- und Moltkebrücke. Das Haus, deſſen erſte Etage ſie bewohnten, unterſchied ſich, ohne ſonſt irgendwie hervorragend zu ſein (Berlin iſt nicht reich an Privathäuſern, die Schönheit und Eigenart in ſich vereinigen), immerhin vorteilhaft von ſeinen Nachbarhäuſern, von denen es durch zwei Terrain¬ ſtreifen getrennt wurde; der eine davon ein kleiner Baumgarten, mit allerlei Buſchwerk dazwiſchen, der andre ein Hofraum mit einem zierlichen maleriſch wir¬ kenden Stallgebäude, deſſen obere Fenſter, hinter denen ſich die Kutſcherwohnung befand, von wildem Wein um¬ wachſen waren. Schon dieſe Lage des Hauſes hätte dem¬ ſelben ein beſtimmtes Maß von Aufmerkſamkeit geſichert, aber auch ſeine Faſſade mit ihren zwei Loggien links und rechts ließ die des Weges Kommenden unwillkürlich ihr Auge darauf richten. Hier, in eben dieſen Loggien, verbrachte die Familie mit Vorliebe die Früh- und Nachmittagsſtunden und bevorzugte dabei, je nach der Jahreszeit, mal den zum Zimmer des alten Grafen ge¬ hörigen, in pompejiſchem Rot gehaltenen Einbau, mal die gleichartige Loggia, die zum Zimmer der beiden jungen Damen gehörte. Dazwiſchen lag ein dritter großer Raum, der als Repräſentations- und zugleich als E߬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [140]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/146>, abgerufen am 24.04.2024.