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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Und was die jüngere Schwester der älteren zugeflüstert
hatte, das wurde wahr und schon wenige Tage nach
diesem ersten Wiedersehn waren Armgard und Woldemar
Verlobte. Der alte Graf sah einen Wunsch erfüllt, den
er seit lange gehegt und Melusine küßte die Schwester
mit einer Herzlichkeit, als ob sie selber die Glückliche
wäre."

"Du gönnst ihn mir doch?"

"Ach, meine liebe Armgard," sagte Melusine, "wenn
du wüßtest! Ich habe nur die Freude, du hast auch
die Last."


An demselben Abende noch, wo die Verlobung statt¬
gefunden hatte, schrieb Woldemar nach Stechlin und nach
Wutz; der eine Brief war so wichtig, wie der andre, denn
die Tante-Domina, deren Mißstimmung so gut wie gewiß
war, mußte nach Möglichkeit versöhnlich gestimmt werden.
Freilich blieb es fraglich, ob es glücken würde.

Zwei Tage später waren die Antwortbriefe da, von
denen diesmal der Wutzer Brief über den Stechliner siegte,
was einfach daran lag, daß Woldemar von Wutz her nur
Ausstellungen, von Stechlin her nur Entzücken erwartet
hatte. Das traf aber nun Beides nicht zu. Was die
Tante schrieb, war durchaus nicht so schlimm (sie be¬
schränkte sich auf Wiederholung der schon mündlich von

Sechsundzwanzigſtes Kapitel.

Und was die jüngere Schweſter der älteren zugeflüſtert
hatte, das wurde wahr und ſchon wenige Tage nach
dieſem erſten Wiederſehn waren Armgard und Woldemar
Verlobte. Der alte Graf ſah einen Wunſch erfüllt, den
er ſeit lange gehegt und Meluſine küßte die Schweſter
mit einer Herzlichkeit, als ob ſie ſelber die Glückliche
wäre.“

„Du gönnſt ihn mir doch?“

„Ach, meine liebe Armgard,“ ſagte Meluſine, „wenn
du wüßteſt! Ich habe nur die Freude, du haſt auch
die Laſt.“


An demſelben Abende noch, wo die Verlobung ſtatt¬
gefunden hatte, ſchrieb Woldemar nach Stechlin und nach
Wutz; der eine Brief war ſo wichtig, wie der andre, denn
die Tante-Domina, deren Mißſtimmung ſo gut wie gewiß
war, mußte nach Möglichkeit verſöhnlich geſtimmt werden.
Freilich blieb es fraglich, ob es glücken würde.

Zwei Tage ſpäter waren die Antwortbriefe da, von
denen diesmal der Wutzer Brief über den Stechliner ſiegte,
was einfach daran lag, daß Woldemar von Wutz her nur
Ausſtellungen, von Stechlin her nur Entzücken erwartet
hatte. Das traf aber nun Beides nicht zu. Was die
Tante ſchrieb, war durchaus nicht ſo ſchlimm (ſie be¬
ſchränkte ſich auf Wiederholung der ſchon mündlich von

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[[322]/0329] Sechsundzwanzigſtes Kapitel. Und was die jüngere Schweſter der älteren zugeflüſtert hatte, das wurde wahr und ſchon wenige Tage nach dieſem erſten Wiederſehn waren Armgard und Woldemar Verlobte. Der alte Graf ſah einen Wunſch erfüllt, den er ſeit lange gehegt und Meluſine küßte die Schweſter mit einer Herzlichkeit, als ob ſie ſelber die Glückliche wäre.“ „Du gönnſt ihn mir doch?“ „Ach, meine liebe Armgard,“ ſagte Meluſine, „wenn du wüßteſt! Ich habe nur die Freude, du haſt auch die Laſt.“ An demſelben Abende noch, wo die Verlobung ſtatt¬ gefunden hatte, ſchrieb Woldemar nach Stechlin und nach Wutz; der eine Brief war ſo wichtig, wie der andre, denn die Tante-Domina, deren Mißſtimmung ſo gut wie gewiß war, mußte nach Möglichkeit verſöhnlich geſtimmt werden. Freilich blieb es fraglich, ob es glücken würde. Zwei Tage ſpäter waren die Antwortbriefe da, von denen diesmal der Wutzer Brief über den Stechliner ſiegte, was einfach daran lag, daß Woldemar von Wutz her nur Ausſtellungen, von Stechlin her nur Entzücken erwartet hatte. Das traf aber nun Beides nicht zu. Was die Tante ſchrieb, war durchaus nicht ſo ſchlimm (ſie be¬ ſchränkte ſich auf Wiederholung der ſchon mündlich von

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [322]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/329>, abgerufen am 16.04.2024.