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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Neunundzwanzigstes Kapitel.

Der Heimweg war gemeinschaftlich angetreten worden,
aber doch nur bis an die Dorfstraße. Hier teilte man
sich in drei Gruppen, eine jede mit verschiedenem Ziel:
Dubslav, Tante Adelheid und Armgard gingen auf das
Herrenhaus, Uncke und Rolf Krake auf das Schulzenamt,
Woldemar und Melusine dagegen auf die Pfarre zu.
Woldemar freilich nur bis an den Vorgarten, wo er sich
von Melusine verabschiedete.

Lorenzen, so lang er Woldemar und Melusine sich
seiner Pfarre nähern sah, hatte verlegen am Fenster
gestanden, kam aber, als das Paar sich draußen trennte,
so ziemlich wieder zu sich. Er war nun schon so lange
jeder Damenunterhaltung entwöhnt, daß ihm ein Besuch
wie der der Gräfin zunächst nur Verlegenheit schaffen
konnte, wenn's denn aber durchaus sein mußte, so war
ihm ein Tete-a-Tete mit ihr immer noch lieber, als eine
Plauderei zu dritt. Er ging ihr denn auch bis in den
Flur entgegen, war ihr hier beim Ablegen behilflich
und sprach ihr -- weil er jede Scheu rasch von sich ab¬
fallen fühlte -- ganz aufrichtig seine Freude aus, sie in seiner
Pfarre begrüßen zu dürfen. "Und nun bitt' ich Sie,
Frau Gräfin, sich's unter meinen Büchern hier nach
Möglichkeit bequem machen zu wollen. Ich bin zwar
auch Inhaber einer Putzstube, mit einem dezenten Teppich
und einem kalten Ofen; aber ich könnte das gesundheitlich

Neunundzwanzigſtes Kapitel.

Der Heimweg war gemeinſchaftlich angetreten worden,
aber doch nur bis an die Dorfſtraße. Hier teilte man
ſich in drei Gruppen, eine jede mit verſchiedenem Ziel:
Dubslav, Tante Adelheid und Armgard gingen auf das
Herrenhaus, Uncke und Rolf Krake auf das Schulzenamt,
Woldemar und Meluſine dagegen auf die Pfarre zu.
Woldemar freilich nur bis an den Vorgarten, wo er ſich
von Meluſine verabſchiedete.

Lorenzen, ſo lang er Woldemar und Meluſine ſich
ſeiner Pfarre nähern ſah, hatte verlegen am Fenſter
geſtanden, kam aber, als das Paar ſich draußen trennte,
ſo ziemlich wieder zu ſich. Er war nun ſchon ſo lange
jeder Damenunterhaltung entwöhnt, daß ihm ein Beſuch
wie der der Gräfin zunächſt nur Verlegenheit ſchaffen
konnte, wenn's denn aber durchaus ſein mußte, ſo war
ihm ein Tete-a-Tete mit ihr immer noch lieber, als eine
Plauderei zu dritt. Er ging ihr denn auch bis in den
Flur entgegen, war ihr hier beim Ablegen behilflich
und ſprach ihr — weil er jede Scheu raſch von ſich ab¬
fallen fühlte — ganz aufrichtig ſeine Freude aus, ſie in ſeiner
Pfarre begrüßen zu dürfen. „Und nun bitt' ich Sie,
Frau Gräfin, ſich's unter meinen Büchern hier nach
Möglichkeit bequem machen zu wollen. Ich bin zwar
auch Inhaber einer Putzſtube, mit einem dezenten Teppich
und einem kalten Ofen; aber ich könnte das geſundheitlich

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[[351]/0358] Neunundzwanzigſtes Kapitel. Der Heimweg war gemeinſchaftlich angetreten worden, aber doch nur bis an die Dorfſtraße. Hier teilte man ſich in drei Gruppen, eine jede mit verſchiedenem Ziel: Dubslav, Tante Adelheid und Armgard gingen auf das Herrenhaus, Uncke und Rolf Krake auf das Schulzenamt, Woldemar und Meluſine dagegen auf die Pfarre zu. Woldemar freilich nur bis an den Vorgarten, wo er ſich von Meluſine verabſchiedete. Lorenzen, ſo lang er Woldemar und Meluſine ſich ſeiner Pfarre nähern ſah, hatte verlegen am Fenſter geſtanden, kam aber, als das Paar ſich draußen trennte, ſo ziemlich wieder zu ſich. Er war nun ſchon ſo lange jeder Damenunterhaltung entwöhnt, daß ihm ein Beſuch wie der der Gräfin zunächſt nur Verlegenheit ſchaffen konnte, wenn's denn aber durchaus ſein mußte, ſo war ihm ein Tete-a-Tete mit ihr immer noch lieber, als eine Plauderei zu dritt. Er ging ihr denn auch bis in den Flur entgegen, war ihr hier beim Ablegen behilflich und ſprach ihr — weil er jede Scheu raſch von ſich ab¬ fallen fühlte — ganz aufrichtig ſeine Freude aus, ſie in ſeiner Pfarre begrüßen zu dürfen. „Und nun bitt' ich Sie, Frau Gräfin, ſich's unter meinen Büchern hier nach Möglichkeit bequem machen zu wollen. Ich bin zwar auch Inhaber einer Putzſtube, mit einem dezenten Teppich und einem kalten Ofen; aber ich könnte das geſundheitlich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [351]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/358>, abgerufen am 19.04.2024.