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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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weil er es versichert, muß der Brief verloren gegan¬
gen sein. -- Indessen" -- so setzte er hinzu -- "in¬
dessen wozu dieses leere Stroh?"

"Der Allerweltsdoctor wurde bei diesen Worten
zu einer Consultation bei einem schwer erkrankten Ge¬
neral auf das linke Ufer abberufen. Ich hatte ihn
gebeten, sich um ein Paar in einem Vorpostengefecht
Blessirte von unseren Husaren zu bemühen und erhielt
schon am anderen Tage schriftlich eine beruhigende
Kunde. Schließlich kam er denn auch auf die Her¬
zensangelegenheit zurück, in der wir gestern unter¬
brochen worden waren. Ich schneide die betreffende
Stelle zum Frommen meiner lieben Jungfer Grund¬
text aus seinem Brief, und lege sie dem meinigen bei."

" "Ueber das Risico, wie Sie es mit Recht
nennen, mein Herr Major, über die Gefahr hinweg
hilft kein mahnendes Wort. Und Beruhigung, --
wer schöpfte die auf hundert Meilen Distance? Be¬
vor ein Brief seinen Ort erreicht, hat die Scene ge¬
wechselt und der, über dessen Wohlergehen man sich
freut, modert vielleicht im Grabe. In beiden Fällen
hilft nur Vertrauen auf einen guten Stern, oder von
Haus aus Resignation in Bausch und Bogen. Briefe
sind für Müßige oder für Gleichstrebende. Soll ich

weil er es verſichert, muß der Brief verloren gegan¬
gen ſein. — Indeſſen“ — ſo ſetzte er hinzu — „in¬
deſſen wozu dieſes leere Stroh?“

„Der Allerweltsdoctor wurde bei dieſen Worten
zu einer Conſultation bei einem ſchwer erkrankten Ge¬
neral auf das linke Ufer abberufen. Ich hatte ihn
gebeten, ſich um ein Paar in einem Vorpoſtengefecht
Bleſſirte von unſeren Huſaren zu bemühen und erhielt
ſchon am anderen Tage ſchriftlich eine beruhigende
Kunde. Schließlich kam er denn auch auf die Her¬
zensangelegenheit zurück, in der wir geſtern unter¬
brochen worden waren. Ich ſchneide die betreffende
Stelle zum Frommen meiner lieben Jungfer Grund¬
text aus ſeinem Brief, und lege ſie dem meinigen bei.“

„ „Ueber das Riſico, wie Sie es mit Recht
nennen, mein Herr Major, über die Gefahr hinweg
hilft kein mahnendes Wort. Und Beruhigung, —
wer ſchöpfte die auf hundert Meilen Diſtance? Be¬
vor ein Brief ſeinen Ort erreicht, hat die Scene ge¬
wechſelt und der, über deſſen Wohlergehen man ſich
freut, modert vielleicht im Grabe. In beiden Fällen
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[46/0050] weil er es verſichert, muß der Brief verloren gegan¬ gen ſein. — Indeſſen“ — ſo ſetzte er hinzu — „in¬ deſſen wozu dieſes leere Stroh?“ „Der Allerweltsdoctor wurde bei dieſen Worten zu einer Conſultation bei einem ſchwer erkrankten Ge¬ neral auf das linke Ufer abberufen. Ich hatte ihn gebeten, ſich um ein Paar in einem Vorpoſtengefecht Bleſſirte von unſeren Huſaren zu bemühen und erhielt ſchon am anderen Tage ſchriftlich eine beruhigende Kunde. Schließlich kam er denn auch auf die Her¬ zensangelegenheit zurück, in der wir geſtern unter¬ brochen worden waren. Ich ſchneide die betreffende Stelle zum Frommen meiner lieben Jungfer Grund¬ text aus ſeinem Brief, und lege ſie dem meinigen bei.“ „ „Ueber das Riſico, wie Sie es mit Recht nennen, mein Herr Major, über die Gefahr hinweg hilft kein mahnendes Wort. Und Beruhigung, — wer ſchöpfte die auf hundert Meilen Diſtance? Be¬ vor ein Brief ſeinen Ort erreicht, hat die Scene ge¬ wechſelt und der, über deſſen Wohlergehen man ſich freut, modert vielleicht im Grabe. In beiden Fällen hilft nur Vertrauen auf einen guten Stern, oder von Haus aus Reſignation in Bauſch und Bogen. Briefe ſind für Müßige oder für Gleichſtrebende. Soll ich

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/50>, abgerufen am 29.03.2024.