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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Empfindungen, Erinnerungen, Sehnsucht, Leiden-
schaften gar verschiedentlich beschleunigt, verzögert,
oder sonst auf eine Art gestört, wovon nicht selten
schwere Krankheiten oder der unmittelbare Tod die
Folge ist. Eben diese Dinge wirken auf die Bewe-
gung des Magens, der Eingeweide: Manche Vorstel-
lungen bringen auch im Zwergfell, und zwar jede ih-
re eigene Empfindung hervor; eine lächerliche Idee
kizelt; eine Idee von Unanständigkeit, Beleidigung
sticht, oder erregt sonst gegen den Rückgrad zu ein
lästiges, beunruhigendes Zusammenschnüren: Der äu-
ßerst gepreßte, marternde Zustand der Brust um die
Gegend des Zwergfells bis an den Schlund bey der
Eiferfucht wird wohl beynahe Jedem bekannt seyn.
Die Leidenschaften sind eine ziemlich allgemei-
ne Ursache von Krankheiten, und ich kenne keine, die
nicht z. B. mehr oder weniger auf die Brust wirkt,
so, daß wir bald seufzen, bald stark, schwach und
bald beängstigt oder freyer athmen müssen. --

"Jeder Schmerz, sagt Gardiner, hat, wenn er plötz-
lich und unerwartet entsteht, gefährliche Folgen, und
wirkt heftiger, als wenn er bey gleichen Graden sei-
ner intensiven Größe, langsam und allmählig erregt
wird. Im letzten Falle werden wir gleichsam zum
Widerstand aufgefodert und vorbereitet."*) Isen-
flamm
behauptet, daß die nach dem Willen der See-
le angestrengten Muskeln nicht so abreissen, wie die-
jenigen, in welchen wirklich keine Einwirkung der See-

le
*) Untersuchungen über die thierischen Körper S. 47.

Empfindungen, Erinnerungen, Sehnſucht, Leiden-
ſchaften gar verſchiedentlich beſchleunigt, verzoͤgert,
oder ſonſt auf eine Art geſtoͤrt, wovon nicht ſelten
ſchwere Krankheiten oder der unmittelbare Tod die
Folge iſt. Eben dieſe Dinge wirken auf die Bewe-
gung des Magens, der Eingeweide: Manche Vorſtel-
lungen bringen auch im Zwergfell, und zwar jede ih-
re eigene Empfindung hervor; eine laͤcherliche Idee
kizelt; eine Idee von Unanſtaͤndigkeit, Beleidigung
ſticht, oder erregt ſonſt gegen den Ruͤckgrad zu ein
laͤſtiges, beunruhigendes Zuſammenſchnuͤren: Der aͤu-
ßerſt gepreßte, marternde Zuſtand der Bruſt um die
Gegend des Zwergfells bis an den Schlund bey der
Eiferfucht wird wohl beynahe Jedem bekannt ſeyn.
Die Leidenſchaften ſind eine ziemlich allgemei-
ne Urſache von Krankheiten, und ich kenne keine, die
nicht z. B. mehr oder weniger auf die Bruſt wirkt,
ſo, daß wir bald ſeufzen, bald ſtark, ſchwach und
bald beaͤngſtigt oder freyer athmen muͤſſen. —

“Jeder Schmerz, ſagt Gardiner, hat, wenn er ploͤtz-
lich und unerwartet entſteht, gefaͤhrliche Folgen, und
wirkt heftiger, als wenn er bey gleichen Graden ſei-
ner intenſiven Groͤße, langſam und allmaͤhlig erregt
wird. Im letzten Falle werden wir gleichſam zum
Widerſtand aufgefodert und vorbereitet.„*) Iſen-
flamm
behauptet, daß die nach dem Willen der See-
le angeſtrengten Muskeln nicht ſo abreiſſen, wie die-
jenigen, in welchen wirklich keine Einwirkung der See-

le
*) Unterſuchungen uͤber die thieriſchen Koͤrper S. 47.
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[192/0211] Empfindungen, Erinnerungen, Sehnſucht, Leiden- ſchaften gar verſchiedentlich beſchleunigt, verzoͤgert, oder ſonſt auf eine Art geſtoͤrt, wovon nicht ſelten ſchwere Krankheiten oder der unmittelbare Tod die Folge iſt. Eben dieſe Dinge wirken auf die Bewe- gung des Magens, der Eingeweide: Manche Vorſtel- lungen bringen auch im Zwergfell, und zwar jede ih- re eigene Empfindung hervor; eine laͤcherliche Idee kizelt; eine Idee von Unanſtaͤndigkeit, Beleidigung ſticht, oder erregt ſonſt gegen den Ruͤckgrad zu ein laͤſtiges, beunruhigendes Zuſammenſchnuͤren: Der aͤu- ßerſt gepreßte, marternde Zuſtand der Bruſt um die Gegend des Zwergfells bis an den Schlund bey der Eiferfucht wird wohl beynahe Jedem bekannt ſeyn. Die Leidenſchaften ſind eine ziemlich allgemei- ne Urſache von Krankheiten, und ich kenne keine, die nicht z. B. mehr oder weniger auf die Bruſt wirkt, ſo, daß wir bald ſeufzen, bald ſtark, ſchwach und bald beaͤngſtigt oder freyer athmen muͤſſen. — “Jeder Schmerz, ſagt Gardiner, hat, wenn er ploͤtz- lich und unerwartet entſteht, gefaͤhrliche Folgen, und wirkt heftiger, als wenn er bey gleichen Graden ſei- ner intenſiven Groͤße, langſam und allmaͤhlig erregt wird. Im letzten Falle werden wir gleichſam zum Widerſtand aufgefodert und vorbereitet.„ *) Iſen- flamm behauptet, daß die nach dem Willen der See- le angeſtrengten Muskeln nicht ſo abreiſſen, wie die- jenigen, in welchen wirklich keine Einwirkung der See- le *) Unterſuchungen uͤber die thieriſchen Koͤrper S. 47.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/211>, abgerufen am 28.03.2024.