Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Farbstoffe empfand ich es stets als einen sehr großen Uebelstand, daß ich
in der technischen Literatur durchaus keinen Leitfaden auffin-
den konnte
, der sich dazu geeignet hätte, zur Unterstützung und Ergänzung
meiner Vorträge zu dienen etc."

Inzwischen ist diesem völligen Mangel an einem dem heutigen Stande
der Wissenschaft entsprechenden Lehrbuche durch die deutsche Uebersetzung von
Hummels obengenanntem trefflichen Werke abgeholfen worden.

Bei Durchsicht des Vitalisschen Werkes stellte es sich sehr bald her-
aus, daß von einer "Neubearbeitung" von vornherein keine Rede sein könne.
Seit Erscheinen der letzten Auflage des Vitalisschen Buches hat die Färbe-
rei eine so vollständige Umwälzung erfahren, wie nie zuvor; durch die
epochemachende Erfindung der künstlichen organischen Farbstoffe ist die Färbe-
rei, früher ein ehrsames Handwerk, zu einem Zweige der chemischen Techno-
logie emporgehoben worden. Diesem völligen Umschwunge hätte auch die
weitgehendste Umarbeitung des Vitalisschen Werkes unmöglich Rechnung
tragen können.

Der vorliegende Versuch eines "Handbuches der Färberei" ist daher eine
von dem Vitalisschen Buche gänzlich unabhängige, durchaus selbstständige
Arbeit. Ich habe mich dabei von dem Gedanken leiten lassen, mein Buch
in einer so allgemein verständlichen Weise geschrieben zu sehen, daß es auch
dem in der Chemie minder bewanderten Färber verständlich sei, ohne dabei
an wissenschaftlichem Wert einzubüßen. Es ist eine nicht abzuleugnende
Thatsache, daß der Bildungsgrad der Färber heute nicht mehr derselbe ist,
wie ehedem, und daß der Färberstand mit dem Entwickelungsgange der moder-
nen Färbereitechnik nicht entfernt Schritt gehalten hat, daß sich vielmehr ein
Mangel an wissenschaftlicher Ausbildung fühlbar macht. Es mag das seinen
Grund darin haben, daß Viele der Ansicht leben, mit dem früher hand-
werksmäßig Erlernten auch noch jetzt die Färberei betreiben und die Fort-
schritte der Chemie entbehren zu können; andererseits trägt wohl das gänz-
liche Fehlen eines Lehrbuches der Färberei durch volle 34 Jahre den größe-
ren Teil dieser Schuld. Sollte es meinem Handbuche beschieden sein, zur
Hebung des Färbereigewerbes sowohl in wissenschaftlicher, wie in sozialer
Beziehung beizutragen, so ist mein Wunsch erfüllt; denn gerade jener Mangel
an wissenschaftlicher Ausbildung, humanistischer, wie fachlicher, ist es, welcher
so viele unserer alten Meister die Flinte ins Korn werfen läßt. Sollte

Farbſtoffe empfand ich es ſtets als einen ſehr großen Uebelſtand, daß ich
in der techniſchen Literatur durchaus keinen Leitfaden auffin-
den konnte
, der ſich dazu geeignet hätte, zur Unterſtützung und Ergänzung
meiner Vorträge zu dienen ꝛc.“

Inzwiſchen iſt dieſem völligen Mangel an einem dem heutigen Stande
der Wiſſenſchaft entſprechenden Lehrbuche durch die deutſche Ueberſetzung von
Hummels obengenanntem trefflichen Werke abgeholfen worden.

Bei Durchſicht des Vitalisſchen Werkes ſtellte es ſich ſehr bald her-
aus, daß von einer „Neubearbeitung“ von vornherein keine Rede ſein könne.
Seit Erſcheinen der letzten Auflage des Vitalisſchen Buches hat die Färbe-
rei eine ſo vollſtändige Umwälzung erfahren, wie nie zuvor; durch die
epochemachende Erfindung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe iſt die Färbe-
rei, früher ein ehrſames Handwerk, zu einem Zweige der chemiſchen Techno-
logie emporgehoben worden. Dieſem völligen Umſchwunge hätte auch die
weitgehendſte Umarbeitung des Vitalisſchen Werkes unmöglich Rechnung
tragen können.

Der vorliegende Verſuch eines „Handbuches der Färberei“ iſt daher eine
von dem Vitalisſchen Buche gänzlich unabhängige, durchaus ſelbſtſtändige
Arbeit. Ich habe mich dabei von dem Gedanken leiten laſſen, mein Buch
in einer ſo allgemein verſtändlichen Weiſe geſchrieben zu ſehen, daß es auch
dem in der Chemie minder bewanderten Färber verſtändlich ſei, ohne dabei
an wiſſenſchaftlichem Wert einzubüßen. Es iſt eine nicht abzuleugnende
Thatſache, daß der Bildungsgrad der Färber heute nicht mehr derſelbe iſt,
wie ehedem, und daß der Färberſtand mit dem Entwickelungsgange der moder-
nen Färbereitechnik nicht entfernt Schritt gehalten hat, daß ſich vielmehr ein
Mangel an wiſſenſchaftlicher Ausbildung fühlbar macht. Es mag das ſeinen
Grund darin haben, daß Viele der Anſicht leben, mit dem früher hand-
werksmäßig Erlernten auch noch jetzt die Färberei betreiben und die Fort-
ſchritte der Chemie entbehren zu können; andererſeits trägt wohl das gänz-
liche Fehlen eines Lehrbuches der Färberei durch volle 34 Jahre den größe-
ren Teil dieſer Schuld. Sollte es meinem Handbuche beſchieden ſein, zur
Hebung des Färbereigewerbes ſowohl in wiſſenſchaftlicher, wie in ſozialer
Beziehung beizutragen, ſo iſt mein Wunſch erfüllt; denn gerade jener Mangel
an wiſſenſchaftlicher Ausbildung, humaniſtiſcher, wie fachlicher, iſt es, welcher
ſo viele unſerer alten Meiſter die Flinte ins Korn werfen läßt. Sollte

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="VI"/>
Farb&#x017F;toffe empfand ich es &#x017F;tets als einen &#x017F;ehr großen Uebel&#x017F;tand, daß ich<lb/><hi rendition="#g">in der techni&#x017F;chen Literatur durchaus keinen Leitfaden auffin-<lb/>
den konnte</hi>, der &#x017F;ich dazu geeignet hätte, zur Unter&#x017F;tützung und Ergänzung<lb/>
meiner Vorträge zu dienen &#xA75B;c.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Inzwi&#x017F;chen i&#x017F;t die&#x017F;em völligen Mangel an einem dem heutigen Stande<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft ent&#x017F;prechenden Lehrbuche durch die deut&#x017F;che Ueber&#x017F;etzung von<lb/><hi rendition="#g">Hummels</hi> obengenanntem trefflichen Werke abgeholfen worden.</p><lb/>
        <p>Bei Durch&#x017F;icht des <hi rendition="#g">Vitalis</hi>&#x017F;chen Werkes &#x017F;tellte es &#x017F;ich &#x017F;ehr bald her-<lb/>
aus, daß von einer &#x201E;Neubearbeitung&#x201C; von vornherein keine Rede &#x017F;ein könne.<lb/>
Seit Er&#x017F;cheinen der letzten Auflage des <hi rendition="#g">Vitalis</hi>&#x017F;chen Buches hat die Färbe-<lb/>
rei eine &#x017F;o voll&#x017F;tändige Umwälzung erfahren, wie nie zuvor; durch die<lb/>
epochemachende Erfindung der kün&#x017F;tlichen organi&#x017F;chen Farb&#x017F;toffe i&#x017F;t die Färbe-<lb/>
rei, früher ein ehr&#x017F;ames Handwerk, zu einem Zweige der chemi&#x017F;chen Techno-<lb/>
logie emporgehoben worden. Die&#x017F;em völligen Um&#x017F;chwunge hätte auch die<lb/>
weitgehend&#x017F;te Umarbeitung des <hi rendition="#g">Vitalis</hi>&#x017F;chen Werkes unmöglich Rechnung<lb/>
tragen können.</p><lb/>
        <p>Der vorliegende Ver&#x017F;uch eines &#x201E;Handbuches der Färberei&#x201C; i&#x017F;t daher eine<lb/>
von dem <hi rendition="#g">Vitalis</hi>&#x017F;chen Buche gänzlich unabhängige, durchaus &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändige<lb/>
Arbeit. Ich habe mich dabei von dem Gedanken leiten la&#x017F;&#x017F;en, mein Buch<lb/>
in einer &#x017F;o allgemein ver&#x017F;tändlichen Wei&#x017F;e ge&#x017F;chrieben zu &#x017F;ehen, daß es auch<lb/>
dem in der Chemie minder bewanderten Färber ver&#x017F;tändlich &#x017F;ei, ohne dabei<lb/>
an wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichem Wert einzubüßen. Es i&#x017F;t eine nicht abzuleugnende<lb/>
That&#x017F;ache, daß der Bildungsgrad der Färber heute nicht mehr der&#x017F;elbe i&#x017F;t,<lb/>
wie ehedem, und daß der Färber&#x017F;tand mit dem Entwickelungsgange der moder-<lb/>
nen Färbereitechnik nicht entfernt Schritt gehalten hat, daß &#x017F;ich vielmehr ein<lb/>
Mangel an wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Ausbildung fühlbar macht. Es mag das &#x017F;einen<lb/>
Grund darin haben, daß Viele der An&#x017F;icht leben, mit dem früher hand-<lb/>
werksmäßig Erlernten auch noch jetzt die Färberei betreiben und die Fort-<lb/>
&#x017F;chritte der Chemie entbehren zu können; anderer&#x017F;eits trägt wohl das gänz-<lb/>
liche Fehlen eines Lehrbuches der Färberei durch volle 34 Jahre den größe-<lb/>
ren Teil die&#x017F;er Schuld. Sollte es meinem Handbuche be&#x017F;chieden &#x017F;ein, zur<lb/>
Hebung des Färbereigewerbes &#x017F;owohl in wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher, wie in &#x017F;ozialer<lb/>
Beziehung beizutragen, &#x017F;o i&#x017F;t mein Wun&#x017F;ch erfüllt; denn gerade jener Mangel<lb/>
an wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Ausbildung, humani&#x017F;ti&#x017F;cher, wie fachlicher, i&#x017F;t es, welcher<lb/>
&#x017F;o viele un&#x017F;erer alten Mei&#x017F;ter die Flinte ins Korn werfen läßt. Sollte<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VI/0016] Farbſtoffe empfand ich es ſtets als einen ſehr großen Uebelſtand, daß ich in der techniſchen Literatur durchaus keinen Leitfaden auffin- den konnte, der ſich dazu geeignet hätte, zur Unterſtützung und Ergänzung meiner Vorträge zu dienen ꝛc.“ Inzwiſchen iſt dieſem völligen Mangel an einem dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft entſprechenden Lehrbuche durch die deutſche Ueberſetzung von Hummels obengenanntem trefflichen Werke abgeholfen worden. Bei Durchſicht des Vitalisſchen Werkes ſtellte es ſich ſehr bald her- aus, daß von einer „Neubearbeitung“ von vornherein keine Rede ſein könne. Seit Erſcheinen der letzten Auflage des Vitalisſchen Buches hat die Färbe- rei eine ſo vollſtändige Umwälzung erfahren, wie nie zuvor; durch die epochemachende Erfindung der künſtlichen organiſchen Farbſtoffe iſt die Färbe- rei, früher ein ehrſames Handwerk, zu einem Zweige der chemiſchen Techno- logie emporgehoben worden. Dieſem völligen Umſchwunge hätte auch die weitgehendſte Umarbeitung des Vitalisſchen Werkes unmöglich Rechnung tragen können. Der vorliegende Verſuch eines „Handbuches der Färberei“ iſt daher eine von dem Vitalisſchen Buche gänzlich unabhängige, durchaus ſelbſtſtändige Arbeit. Ich habe mich dabei von dem Gedanken leiten laſſen, mein Buch in einer ſo allgemein verſtändlichen Weiſe geſchrieben zu ſehen, daß es auch dem in der Chemie minder bewanderten Färber verſtändlich ſei, ohne dabei an wiſſenſchaftlichem Wert einzubüßen. Es iſt eine nicht abzuleugnende Thatſache, daß der Bildungsgrad der Färber heute nicht mehr derſelbe iſt, wie ehedem, und daß der Färberſtand mit dem Entwickelungsgange der moder- nen Färbereitechnik nicht entfernt Schritt gehalten hat, daß ſich vielmehr ein Mangel an wiſſenſchaftlicher Ausbildung fühlbar macht. Es mag das ſeinen Grund darin haben, daß Viele der Anſicht leben, mit dem früher hand- werksmäßig Erlernten auch noch jetzt die Färberei betreiben und die Fort- ſchritte der Chemie entbehren zu können; andererſeits trägt wohl das gänz- liche Fehlen eines Lehrbuches der Färberei durch volle 34 Jahre den größe- ren Teil dieſer Schuld. Sollte es meinem Handbuche beſchieden ſein, zur Hebung des Färbereigewerbes ſowohl in wiſſenſchaftlicher, wie in ſozialer Beziehung beizutragen, ſo iſt mein Wunſch erfüllt; denn gerade jener Mangel an wiſſenſchaftlicher Ausbildung, humaniſtiſcher, wie fachlicher, iſt es, welcher ſo viele unſerer alten Meiſter die Flinte ins Korn werfen läßt. Sollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/16
Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/16>, abgerufen am 25.04.2024.