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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Gesetze für die Festigkeit des Eisens.
Da die Ausdehnungen u und e den Spannkräften P und p proportional sind, so sehen
wir, dass für den Fall p = [Formel 1] P auch e = [Formel 2] u oder = [Formel 3] m . L seyn werde; das ver-
wendete Eisen befindet sich demnach in der Mitte zwischen seiner grössten und kleinsten
Ausdehnung, und für die veränderliche oder zufällige Belastung ist noch eine eben so gros-
se Last übrig als diejenige, welche dem verwendeten Stabe bereits anvertraut wird, und
eben so gross ist auch noch die übrige Ausdehnungsfähigkeit. Da die letztere bei kurzen
Stäben sehr gering ist, so dürfte die Beobachtung dieser Regel in solchen Fällen keinem
weitern Anstande unterliegen.

Beispiel. An einen Stab Eisen sollen 200 Zentner angehängt werden, die Länge
des Stabes beträgt 15 Fuss = 180 Zoll. Das Eisen, welches hiezu verwendet wird,
besitzt die Kraft von 500 Zentnern auf 1 Quadrat Zoll. Die Querschnittsfläche des
Stabes sey F, so ergibt sich sein Tragungsvermögen aus der Proportion 1 Quad.
Zoll : 500 Zentner = F : 500 . F; weil aber dieser Stab 200 Zentner tragen soll, so
haben wir [Formel 4] = 200, woraus F = 0,8 Quad. Zoll, demnach ist der kub.
Inhalt dieses Stabes = 180 . 0,8 = 144 kub. Zoll. Wenn also 4 kub. Zolle 1 Pfund
wiegen, so wird sein Gewicht = [Formel 5] = 36 Lb seyn müssen.
§. 271.

Bei Kettenbrücken von einer bedeutenden Länge sey der bei dem Versuche der Ket-
tenstäbe bis zur grössten Belastung P gefundene Spielraum, oder die Länge, um
welche die Ketten nach abgenommener Belastung P sich verkürzen = m . L, so
würde nach der vorhergehenden Regel, dass die grösste Spannung der Ketten zwei-
mal so gross angenommen werden soll, folgen, dass die wirkliche Ausdehnung nur
1/2 m . L seyn würde; weil aber wegen der bedeutenden Länge L auch diese Ausdehnung
[Formel 6] noch bedeutend und desshalb die Einsinkung der Brücke in ihrer Mitte dreimal
so gross
seyn würde *), so muss zur Vermeidung solcher grössern Senkungen oder

*) Die Gleichung für die parabolische krumme Linie der Ketten sey y2 = p . x so ist 2 y . d y = p . d x
also [Formel 7] . Die Länge dieser krummen Linie vom Scheitel an gerechnet wird daher
d s = [Formel 8] beinahe
seyn; also S = y + [Formel 9] und weil p2 = [Formel 10] , so ist S = y + [Formel 11] . Nennen wir nun die Länge
der Brückenbahn = a, so ist y = [Formel 12] ; die Höhe im Scheitel oder der Pfeil des Brückenbogens in
der Mitte = h = x; so ist die Länge des Bogens L = 2 S = 2 y + [Formel 13] = a + [Formel 14] . Weil
nun die Länge der horizontalen Bahn unverändert bleibt, wenn die Ketten durch ihre Spannkraft aus-
gedehnt werden, so ist d L = [Formel 15] . Bei den meisten englischen Kettenbrücken ist a = 16 h,
folglich d h = 3 d L; d. h. die Senkung in der Mitte ist dreimal so gross, als die Ausdehnung,
welche die Ketten von der aufgelegten Last erleiden.

Gesetze für die Festigkeit des Eisens.
Da die Ausdehnungen u und e den Spannkräften P und p proportional sind, so sehen
wir, dass für den Fall p = [Formel 1] P auch e = [Formel 2] u oder = [Formel 3] m . L seyn werde; das ver-
wendete Eisen befindet sich demnach in der Mitte zwischen seiner grössten und kleinsten
Ausdehnung, und für die veränderliche oder zufällige Belastung ist noch eine eben so gros-
se Last übrig als diejenige, welche dem verwendeten Stabe bereits anvertraut wird, und
eben so gross ist auch noch die übrige Ausdehnungsfähigkeit. Da die letztere bei kurzen
Stäben sehr gering ist, so dürfte die Beobachtung dieser Regel in solchen Fällen keinem
weitern Anstande unterliegen.

Beispiel. An einen Stab Eisen sollen 200 Zentner angehängt werden, die Länge
des Stabes beträgt 15 Fuss = 180 Zoll. Das Eisen, welches hiezu verwendet wird,
besitzt die Kraft von 500 Zentnern auf 1 Quadrat Zoll. Die Querschnittsfläche des
Stabes sey F, so ergibt sich sein Tragungsvermögen aus der Proportion 1 Quad.
Zoll : 500 Zentner = F : 500 . F; weil aber dieser Stab 200 Zentner tragen soll, so
haben wir [Formel 4] = 200, woraus F = 0,8 Quad. Zoll, demnach ist der kub.
Inhalt dieses Stabes = 180 . 0,8 = 144 kub. Zoll. Wenn also 4 kub. Zolle 1 Pfund
wiegen, so wird sein Gewicht = [Formel 5] = 36 ℔ seyn müssen.
§. 271.

Bei Kettenbrücken von einer bedeutenden Länge sey der bei dem Versuche der Ket-
tenstäbe bis zur grössten Belastung P gefundene Spielraum, oder die Länge, um
welche die Ketten nach abgenommener Belastung P sich verkürzen = m . L, so
würde nach der vorhergehenden Regel, dass die grösste Spannung der Ketten zwei-
mal so gross angenommen werden soll, folgen, dass die wirkliche Ausdehnung nur
½ m . L seyn würde; weil aber wegen der bedeutenden Länge L auch diese Ausdehnung
[Formel 6] noch bedeutend und desshalb die Einsinkung der Brücke in ihrer Mitte dreimal
so gross
seyn würde *), so muss zur Vermeidung solcher grössern Senkungen oder

*) Die Gleichung für die parabolische krumme Linie der Ketten sey y2 = p . x so ist 2 y . d y = p . d x
also [Formel 7] . Die Länge dieser krummen Linie vom Scheitel an gerechnet wird daher
d s = [Formel 8] beinahe
seyn; also S = y + [Formel 9] und weil p2 = [Formel 10] , so ist S = y + [Formel 11] . Nennen wir nun die Länge
der Brückenbahn = a, so ist y = [Formel 12] ; die Höhe im Scheitel oder der Pfeil des Brückenbogens in
der Mitte = h = x; so ist die Länge des Bogens L = 2 S = 2 y + [Formel 13] = a + [Formel 14] . Weil
nun die Länge der horizontalen Bahn unverändert bleibt, wenn die Ketten durch ihre Spannkraft aus-
gedehnt werden, so ist d L = [Formel 15] . Bei den meisten englischen Kettenbrücken ist a = 16 h,
folglich d h = 3 d L; d. h. die Senkung in der Mitte ist dreimal so gross, als die Ausdehnung,
welche die Ketten von der aufgelegten Last erleiden.
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[278/0308] Gesetze für die Festigkeit des Eisens. Da die Ausdehnungen u und e den Spannkräften P und p proportional sind, so sehen wir, dass für den Fall p = [FORMEL] P auch e = [FORMEL] u oder = [FORMEL] m . L seyn werde; das ver- wendete Eisen befindet sich demnach in der Mitte zwischen seiner grössten und kleinsten Ausdehnung, und für die veränderliche oder zufällige Belastung ist noch eine eben so gros- se Last übrig als diejenige, welche dem verwendeten Stabe bereits anvertraut wird, und eben so gross ist auch noch die übrige Ausdehnungsfähigkeit. Da die letztere bei kurzen Stäben sehr gering ist, so dürfte die Beobachtung dieser Regel in solchen Fällen keinem weitern Anstande unterliegen. Beispiel. An einen Stab Eisen sollen 200 Zentner angehängt werden, die Länge des Stabes beträgt 15 Fuss = 180 Zoll. Das Eisen, welches hiezu verwendet wird, besitzt die Kraft von 500 Zentnern auf 1 Quadrat Zoll. Die Querschnittsfläche des Stabes sey F, so ergibt sich sein Tragungsvermögen aus der Proportion 1 Quad. Zoll : 500 Zentner = F : 500 . F; weil aber dieser Stab 200 Zentner tragen soll, so haben wir [FORMEL] = 200, woraus F = 0,8 Quad. Zoll, demnach ist der kub. Inhalt dieses Stabes = 180 . 0,8 = 144 kub. Zoll. Wenn also 4 kub. Zolle 1 Pfund wiegen, so wird sein Gewicht = [FORMEL] = 36 ℔ seyn müssen. §. 271. Bei Kettenbrücken von einer bedeutenden Länge sey der bei dem Versuche der Ket- tenstäbe bis zur grössten Belastung P gefundene Spielraum, oder die Länge, um welche die Ketten nach abgenommener Belastung P sich verkürzen = m . L, so würde nach der vorhergehenden Regel, dass die grösste Spannung der Ketten zwei- mal so gross angenommen werden soll, folgen, dass die wirkliche Ausdehnung nur ½ m . L seyn würde; weil aber wegen der bedeutenden Länge L auch diese Ausdehnung [FORMEL] noch bedeutend und desshalb die Einsinkung der Brücke in ihrer Mitte dreimal so gross seyn würde *), so muss zur Vermeidung solcher grössern Senkungen oder *) Die Gleichung für die parabolische krumme Linie der Ketten sey y2 = p . x so ist 2 y . d y = p . d x also [FORMEL]. Die Länge dieser krummen Linie vom Scheitel an gerechnet wird daher d s = [FORMEL] beinahe seyn; also S = y + [FORMEL] und weil p2 = [FORMEL], so ist S = y + [FORMEL]. Nennen wir nun die Länge der Brückenbahn = a, so ist y = [FORMEL]; die Höhe im Scheitel oder der Pfeil des Brückenbogens in der Mitte = h = x; so ist die Länge des Bogens L = 2 S = 2 y + [FORMEL] = a + [FORMEL]. Weil nun die Länge der horizontalen Bahn unverändert bleibt, wenn die Ketten durch ihre Spannkraft aus- gedehnt werden, so ist d L = [FORMEL]. Bei den meisten englischen Kettenbrücken ist a = 16 h, folglich d h = 3 d L; d. h. die Senkung in der Mitte ist dreimal so gross, als die Ausdehnung, welche die Ketten von der aufgelegten Last erleiden.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/308>, abgerufen am 28.03.2024.