Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite
Raum, Zeit, Geschwindigkeit.
A. In der Statik, worin die Bedingungen für das Gleichgewicht zwischen Kraft und
Widerstand, unter denen eine vollkommene Ruhe oder auch eine gleichförmige Be-
wegung möglich ist, entwickelt werden, und
B. In der eigentlichen Mechanik oder Bewegungslehre, worin die Grösse (das
Quantum) der Bewegung, oder die hervorgebrachte Arbeit als der letzte Zweck
der Kraftanwendung berechnet wird.

Hiemit ist nun ganz deutlich der technischen Mechanik der Gegenstand und
Umfang ihrer Untersuchungen vorgezeichnet, und wir können somit ihren Zweck mit mehr
Bestimmtheit angeben, wenn wir sagen, dass sie sich hauptsächlich damit zu befassen
habe, die sichersten und zweckmässigsten Mittel aufzusuchen, durch welche der physi-
schen Kraft und Geschicklichkeit des Menschen Hilfe geleistet, wie diese Kraft bei
der Ausführung der, für die menschlichen Bedürfnisse nöthigen Arbeiten zweckmässig
verwendet
, und wie die Arbeiten entweder mit möglichster Ersparung an Zeit und
Kraft, oder mit dem geringsten Kostenaufwande hergestellt werden können.

§. 7.

Die Kraft oder das Vermögen, welches eine Arbeit verrichtet, ist im gewöhn-
lichen Sprachgebrauche dem Widerstande, welchen die Kraft zu überwältigen hat,
und den man die Last heisst, entgegengesetzt. Da jedoch auch der Widerstand,
wenn derselbe z. B. eine empor zu hebende Last ist, durch seine Schwere eine Bewegung
hervorbringen kann, so erhellet, dass beide nur dem Namen nach, nicht aber wesentlich
verschieden sind.

Wenn eine Bewegung im gleichförmigen Zustande unterhalten werden soll, so wie es
bei den meisten Fabriksarbeiten der Fall ist, so ist es einleuchtend, dass auch hiezu eine
fortwährend gleiche Kraft anzuwenden sey, oder dass die Kraft dem Widerstande immer
gleich seyn müsse. Wäre nämlich die Kraft kleiner, so würde sie den Widerstand nicht
zu besiegen vermögen, folglich müsste die Arbeit aufhören; nur, wenn demnach die Kraft
gerade so gross als der Widerstand ist, kann die vorhandene Bewegung fortgesetzt wer-
den, oder die Arbeit gleichförmig fortschreiten. Wäre dagegen die Kraft grösser als der
Widerstand, so würde sie mehr leisten, als erfordert wird; die Bewegung würde fortan
beschleunigt und endlich so gross werden, dass Niemand dem bewegten Körper zu folgen
vermöchte, und derselbe daher, wie Newton sich ausdrückt, in den unendlichen Welt-
raum entführt würde. -- Drückt Jemand mit der Hand auf einen Tisch, so drückt der
Tisch eben so stark gegen die Hand zurück, wenn beide bestehen sollen; ist aber der
Druck der Hand stärker, als dass der letztere zu widerstehen vermag, so bricht der Tisch
und hört damit auf, seinem Zwecke zu entsprechen. -- Hieraus folgt daher, dass in je-
dem Beharrungsstande der Ruhe oder der Bewegung, die Kraft dem Widerstande
gleich seyn müsse
.

§. 8.

Bei jeder Bewegung sind drei Dinge zu betrachten: der Raum, die Zeit und
die Geschwindigkeit.

Die Länge des Weges, welchen ein bewegter Körper oder auch eine Kraft oder Last
zurücklegt, nennt man den Raum. Derselbe wird daher mit jener Einheit gemessen,
womit man die Längen der Linien überhaupt misst, z. B. mit einer Klafter, mit einem

Raum, Zeit, Geschwindigkeit.
A. In der Statik, worin die Bedingungen für das Gleichgewicht zwischen Kraft und
Widerstand, unter denen eine vollkommene Ruhe oder auch eine gleichförmige Be-
wegung möglich ist, entwickelt werden, und
B. In der eigentlichen Mechanik oder Bewegungslehre, worin die Grösse (das
Quantum) der Bewegung, oder die hervorgebrachte Arbeit als der letzte Zweck
der Kraftanwendung berechnet wird.

Hiemit ist nun ganz deutlich der technischen Mechanik der Gegenstand und
Umfang ihrer Untersuchungen vorgezeichnet, und wir können somit ihren Zweck mit mehr
Bestimmtheit angeben, wenn wir sagen, dass sie sich hauptsächlich damit zu befassen
habe, die sichersten und zweckmässigsten Mittel aufzusuchen, durch welche der physi-
schen Kraft und Geschicklichkeit des Menschen Hilfe geleistet, wie diese Kraft bei
der Ausführung der, für die menschlichen Bedürfnisse nöthigen Arbeiten zweckmässig
verwendet
, und wie die Arbeiten entweder mit möglichster Ersparung an Zeit und
Kraft, oder mit dem geringsten Kostenaufwande hergestellt werden können.

§. 7.

Die Kraft oder das Vermögen, welches eine Arbeit verrichtet, ist im gewöhn-
lichen Sprachgebrauche dem Widerstande, welchen die Kraft zu überwältigen hat,
und den man die Last heisst, entgegengesetzt. Da jedoch auch der Widerstand,
wenn derselbe z. B. eine empor zu hebende Last ist, durch seine Schwere eine Bewegung
hervorbringen kann, so erhellet, dass beide nur dem Namen nach, nicht aber wesentlich
verschieden sind.

Wenn eine Bewegung im gleichförmigen Zustande unterhalten werden soll, so wie es
bei den meisten Fabriksarbeiten der Fall ist, so ist es einleuchtend, dass auch hiezu eine
fortwährend gleiche Kraft anzuwenden sey, oder dass die Kraft dem Widerstande immer
gleich seyn müsse. Wäre nämlich die Kraft kleiner, so würde sie den Widerstand nicht
zu besiegen vermögen, folglich müsste die Arbeit aufhören; nur, wenn demnach die Kraft
gerade so gross als der Widerstand ist, kann die vorhandene Bewegung fortgesetzt wer-
den, oder die Arbeit gleichförmig fortschreiten. Wäre dagegen die Kraft grösser als der
Widerstand, so würde sie mehr leisten, als erfordert wird; die Bewegung würde fortan
beschleunigt und endlich so gross werden, dass Niemand dem bewegten Körper zu folgen
vermöchte, und derselbe daher, wie Newton sich ausdrückt, in den unendlichen Welt-
raum entführt würde. — Drückt Jemand mit der Hand auf einen Tisch, so drückt der
Tisch eben so stark gegen die Hand zurück, wenn beide bestehen sollen; ist aber der
Druck der Hand stärker, als dass der letztere zu widerstehen vermag, so bricht der Tisch
und hört damit auf, seinem Zwecke zu entsprechen. — Hieraus folgt daher, dass in je-
dem Beharrungsstande der Ruhe oder der Bewegung, die Kraft dem Widerstande
gleich seyn müsse
.

§. 8.

Bei jeder Bewegung sind drei Dinge zu betrachten: der Raum, die Zeit und
die Geschwindigkeit.

Die Länge des Weges, welchen ein bewegter Körper oder auch eine Kraft oder Last
zurücklegt, nennt man den Raum. Derselbe wird daher mit jener Einheit gemessen,
womit man die Längen der Linien überhaupt misst, z. B. mit einer Klafter, mit einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0037" n="7"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">Raum, Zeit, Geschwindigkeit.</hi> </fw><lb/>
            <list>
              <item>A. In der <hi rendition="#g">Statik</hi>, worin die Bedingungen für das Gleichgewicht zwischen Kraft und<lb/>
Widerstand, unter denen eine vollkommene Ruhe oder auch eine gleichförmige Be-<lb/>
wegung möglich ist, entwickelt werden, und</item><lb/>
              <item>B. In der <hi rendition="#g">eigentlichen Mechanik</hi> oder Bewegungslehre, worin die Grösse (das<lb/>
Quantum) der Bewegung, oder die <hi rendition="#g">hervorgebrachte Arbeit</hi> als der letzte Zweck<lb/>
der Kraftanwendung berechnet wird.</item>
            </list><lb/>
            <p>Hiemit ist nun ganz deutlich der <hi rendition="#g">technischen Mechanik</hi> der Gegenstand und<lb/>
Umfang ihrer Untersuchungen vorgezeichnet, und wir können somit ihren Zweck mit mehr<lb/>
Bestimmtheit angeben, wenn wir sagen, dass sie sich hauptsächlich damit zu befassen<lb/>
habe, die sichersten und zweckmässigsten Mittel aufzusuchen, durch welche der physi-<lb/>
schen Kraft und Geschicklichkeit des Menschen <hi rendition="#g">Hilfe geleistet</hi>, wie diese Kraft bei<lb/>
der Ausführung der, für die menschlichen Bedürfnisse nöthigen Arbeiten <hi rendition="#g">zweckmässig<lb/>
verwendet</hi>, und wie die Arbeiten entweder mit möglichster Ersparung an Zeit und<lb/>
Kraft, oder mit dem geringsten Kostenaufwande hergestellt werden können.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 7.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Die Kraft</hi> oder das Vermögen, welches eine Arbeit verrichtet, ist im gewöhn-<lb/>
lichen Sprachgebrauche dem <hi rendition="#g">Widerstande</hi>, welchen die Kraft zu überwältigen hat,<lb/>
und den man die <hi rendition="#g">Last</hi> heisst, entgegengesetzt. Da jedoch auch der Widerstand,<lb/>
wenn derselbe z. B. eine empor zu hebende Last ist, durch seine Schwere eine Bewegung<lb/>
hervorbringen kann, so erhellet, dass beide nur dem Namen nach, nicht aber wesentlich<lb/>
verschieden sind.</p><lb/>
            <p>Wenn eine Bewegung im gleichförmigen Zustande unterhalten werden soll, so wie es<lb/>
bei den meisten Fabriksarbeiten der Fall ist, so ist es einleuchtend, dass auch hiezu eine<lb/>
fortwährend gleiche Kraft anzuwenden sey, oder dass die Kraft dem Widerstande immer<lb/>
gleich seyn müsse. Wäre nämlich die Kraft kleiner, so würde sie den Widerstand nicht<lb/>
zu besiegen vermögen, folglich müsste die Arbeit aufhören; nur, wenn demnach die Kraft<lb/>
gerade so gross als der Widerstand ist, kann die vorhandene Bewegung fortgesetzt wer-<lb/>
den, oder die Arbeit gleichförmig fortschreiten. Wäre dagegen die Kraft grösser als der<lb/>
Widerstand, so würde sie mehr leisten, als erfordert wird; die Bewegung würde fortan<lb/>
beschleunigt und endlich so gross werden, dass Niemand dem bewegten Körper zu folgen<lb/>
vermöchte, und derselbe daher, wie <hi rendition="#i">Newton</hi> sich ausdrückt, in den unendlichen Welt-<lb/>
raum entführt würde. &#x2014; Drückt Jemand mit der Hand auf einen Tisch, so drückt der<lb/>
Tisch eben so stark gegen die Hand zurück, wenn beide bestehen sollen; ist aber der<lb/>
Druck der Hand stärker, als dass der letztere zu widerstehen vermag, so bricht der Tisch<lb/>
und hört damit auf, seinem Zwecke zu entsprechen. &#x2014; Hieraus folgt daher, dass in je-<lb/>
dem Beharrungsstande der Ruhe oder der Bewegung, <hi rendition="#g">die Kraft dem Widerstande<lb/>
gleich seyn müsse</hi>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 8.</head><lb/>
            <p>Bei jeder <hi rendition="#g">Bewegung</hi> sind drei Dinge zu betrachten: der <hi rendition="#g">Raum</hi>, die <hi rendition="#g">Zeit</hi> und<lb/>
die <hi rendition="#g">Geschwindigkeit</hi>.</p><lb/>
            <p>Die Länge des Weges, welchen ein bewegter Körper oder auch eine Kraft oder Last<lb/>
zurücklegt, nennt man den <hi rendition="#g">Raum</hi>. Derselbe wird daher mit jener Einheit gemessen,<lb/>
womit man die Längen der Linien überhaupt misst, z. B. mit einer Klafter, mit einem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0037] Raum, Zeit, Geschwindigkeit. A. In der Statik, worin die Bedingungen für das Gleichgewicht zwischen Kraft und Widerstand, unter denen eine vollkommene Ruhe oder auch eine gleichförmige Be- wegung möglich ist, entwickelt werden, und B. In der eigentlichen Mechanik oder Bewegungslehre, worin die Grösse (das Quantum) der Bewegung, oder die hervorgebrachte Arbeit als der letzte Zweck der Kraftanwendung berechnet wird. Hiemit ist nun ganz deutlich der technischen Mechanik der Gegenstand und Umfang ihrer Untersuchungen vorgezeichnet, und wir können somit ihren Zweck mit mehr Bestimmtheit angeben, wenn wir sagen, dass sie sich hauptsächlich damit zu befassen habe, die sichersten und zweckmässigsten Mittel aufzusuchen, durch welche der physi- schen Kraft und Geschicklichkeit des Menschen Hilfe geleistet, wie diese Kraft bei der Ausführung der, für die menschlichen Bedürfnisse nöthigen Arbeiten zweckmässig verwendet, und wie die Arbeiten entweder mit möglichster Ersparung an Zeit und Kraft, oder mit dem geringsten Kostenaufwande hergestellt werden können. §. 7. Die Kraft oder das Vermögen, welches eine Arbeit verrichtet, ist im gewöhn- lichen Sprachgebrauche dem Widerstande, welchen die Kraft zu überwältigen hat, und den man die Last heisst, entgegengesetzt. Da jedoch auch der Widerstand, wenn derselbe z. B. eine empor zu hebende Last ist, durch seine Schwere eine Bewegung hervorbringen kann, so erhellet, dass beide nur dem Namen nach, nicht aber wesentlich verschieden sind. Wenn eine Bewegung im gleichförmigen Zustande unterhalten werden soll, so wie es bei den meisten Fabriksarbeiten der Fall ist, so ist es einleuchtend, dass auch hiezu eine fortwährend gleiche Kraft anzuwenden sey, oder dass die Kraft dem Widerstande immer gleich seyn müsse. Wäre nämlich die Kraft kleiner, so würde sie den Widerstand nicht zu besiegen vermögen, folglich müsste die Arbeit aufhören; nur, wenn demnach die Kraft gerade so gross als der Widerstand ist, kann die vorhandene Bewegung fortgesetzt wer- den, oder die Arbeit gleichförmig fortschreiten. Wäre dagegen die Kraft grösser als der Widerstand, so würde sie mehr leisten, als erfordert wird; die Bewegung würde fortan beschleunigt und endlich so gross werden, dass Niemand dem bewegten Körper zu folgen vermöchte, und derselbe daher, wie Newton sich ausdrückt, in den unendlichen Welt- raum entführt würde. — Drückt Jemand mit der Hand auf einen Tisch, so drückt der Tisch eben so stark gegen die Hand zurück, wenn beide bestehen sollen; ist aber der Druck der Hand stärker, als dass der letztere zu widerstehen vermag, so bricht der Tisch und hört damit auf, seinem Zwecke zu entsprechen. — Hieraus folgt daher, dass in je- dem Beharrungsstande der Ruhe oder der Bewegung, die Kraft dem Widerstande gleich seyn müsse. §. 8. Bei jeder Bewegung sind drei Dinge zu betrachten: der Raum, die Zeit und die Geschwindigkeit. Die Länge des Weges, welchen ein bewegter Körper oder auch eine Kraft oder Last zurücklegt, nennt man den Raum. Derselbe wird daher mit jener Einheit gemessen, womit man die Längen der Linien überhaupt misst, z. B. mit einer Klafter, mit einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/37
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/37>, abgerufen am 20.04.2024.