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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Gesetze der Reibung.
schen welchen verschiedene Hölzer, Metalle und andere Körper eingesetzt werden konn-Fig.
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ten. Auf diese Körper wurden andere von derselben oder von verschiedener Art aufge-
legt und horizontal fortgezogen. Diese letztern wurden mit immer grösseren und grösse-
ren Gewichten beschwert, vorne eine Schnur a f befestigt, über die Rolle E geleitet,
und so lange Gewichte P zugelegt, bis eine möglichst gleichförmige Bewegung des Kör-
pers erfolgte. Zu diesem Behufe war es nöthig, dem Körper vorläufig eine kleine Be-
wegung beizubringen und nachzusehen, ob die Bewegung durch das über die Rolle an-
gehängte Gewicht P beschleunigt oder verzögert werde; im ersten Falle wurde P ver-
mindert, im zweiten vergrössert, und der Versuch so lange wiederholt, bis eine gleich-
förmige Bewegung zu Stande kam. Auf diese Art war der Widerstand der Reibung
gerade so gross, als das zur Bewegung an der Rolle erforderliche Gewicht P, und die
Vergleichung dieses Gewichtes mit der Last, womit beide Körper an einander gedrückt
wurden, gab das Verhältniss, in welchem der Druck der reibenden Körper gegen den
Reibungswiderstand steht.

§. 438.

Nach vielfältigen Versuchen, welche Herr Coulomb mit gleichen und verschieden-
artigen Körpern bei kleinen und grossen Belastungen anstellte, ergaben sich folgende
Resultate:

I. Ueber die Reibung lässt sich so lange kein bestimmtes Gesetz
angeben, als die Körper nicht vorläufig vollkommen abgeglättet
oder polirt sind
. Diess ist sehr einleuchtend; denn so lange die Ungleichheiten
der Körper unbestimmt oder die Körper rauh sind, so muss auch der Widerstand, den
sie verursachen, oder die Reibung unbestimmt bleiben. Diess ist aber nicht der Fall,
wenn die Körper möglichst gut polirt sind. Weil aber ein jeder Körper einer
eigenen Politur fähig ist, so liegt hierin der Grund, warum bei jedem Körper ein ande-
res Verhältniss der Reibung zum Drucke gefunden wird. Zur Politur gehört aber, dass
die Körper nicht nur sehr geglättet und abgezogen werden, sondern diese mög-
lichst glatt gemachten Körper müssen noch unter einem sehr grossen Drucke auf ein-
ander hin und her bewegt werden, wodurch sie dann eine Glätte und Dichtigkeit an
ihrer Oberfläche erhalten, welche der Hobel oder die Feile nicht zu geben vermögen.

II. Nur bei einem Drucke von mehreren Zentnern lassen sich be-
stimmte Verhältnisse für den Widerstand der Reibung angeben
. Sind
nämlich die zu bewegenden Körper unbedeutend belastet, so zeigen theils die noch übri-
gen geringen Ungleichheiten, vorzüglich aber die wechselseitige Adhäsion der Körper
einen Einfluss, der den Reibungswiderstand bedeutend vermehrt, wogegen bei grossen
Belastungen dieser Einfluss als unbedeutend entfällt. Diess ist die Ursache, warum alle
von Musschenbroek, Amontons und andern Physikern im Kleinen angestellten Versuche mit
den Erfahrungen im Grossen nicht übereinstimmen, und warum von denselben die Reibung
grösser angegeben wurde, als sie sich nach den Erfahrungen im Grossen zeigte. Hieraus
folgt weiter, dass man keineswegs von dem Widerstande der Reibung bei einem kleinen
Modelle auf jenen schliessen kann, welcher bei einer nach diesem Modelle im Grossen
zu erbauenden Maschine statt finden wird, wenn man diess Verhältniss nach Maassgabe
des senkrechten Druckes der gleichnamigen Theile auf einander anschlagen wollte.

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Gesetze der Reibung.
schen welchen verschiedene Hölzer, Metalle und andere Körper eingesetzt werden konn-Fig.
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ten. Auf diese Körper wurden andere von derselben oder von verschiedener Art aufge-
legt und horizontal fortgezogen. Diese letztern wurden mit immer grösseren und grösse-
ren Gewichten beschwert, vorne eine Schnur a f befestigt, über die Rolle E geleitet,
und so lange Gewichte P zugelegt, bis eine möglichst gleichförmige Bewegung des Kör-
pers erfolgte. Zu diesem Behufe war es nöthig, dem Körper vorläufig eine kleine Be-
wegung beizubringen und nachzusehen, ob die Bewegung durch das über die Rolle an-
gehängte Gewicht P beschleunigt oder verzögert werde; im ersten Falle wurde P ver-
mindert, im zweiten vergrössert, und der Versuch so lange wiederholt, bis eine gleich-
förmige Bewegung zu Stande kam. Auf diese Art war der Widerstand der Reibung
gerade so gross, als das zur Bewegung an der Rolle erforderliche Gewicht P, und die
Vergleichung dieses Gewichtes mit der Last, womit beide Körper an einander gedrückt
wurden, gab das Verhältniss, in welchem der Druck der reibenden Körper gegen den
Reibungswiderstand steht.

§. 438.

Nach vielfältigen Versuchen, welche Herr Coulomb mit gleichen und verschieden-
artigen Körpern bei kleinen und grossen Belastungen anstellte, ergaben sich folgende
Resultate:

I. Ueber die Reibung lässt sich so lange kein bestimmtes Gesetz
angeben, als die Körper nicht vorläufig vollkommen abgeglättet
oder polirt sind
. Diess ist sehr einleuchtend; denn so lange die Ungleichheiten
der Körper unbestimmt oder die Körper rauh sind, so muss auch der Widerstand, den
sie verursachen, oder die Reibung unbestimmt bleiben. Diess ist aber nicht der Fall,
wenn die Körper möglichst gut polirt sind. Weil aber ein jeder Körper einer
eigenen Politur fähig ist, so liegt hierin der Grund, warum bei jedem Körper ein ande-
res Verhältniss der Reibung zum Drucke gefunden wird. Zur Politur gehört aber, dass
die Körper nicht nur sehr geglättet und abgezogen werden, sondern diese mög-
lichst glatt gemachten Körper müssen noch unter einem sehr grossen Drucke auf ein-
ander hin und her bewegt werden, wodurch sie dann eine Glätte und Dichtigkeit an
ihrer Oberfläche erhalten, welche der Hobel oder die Feile nicht zu geben vermögen.

II. Nur bei einem Drucke von mehreren Zentnern lassen sich be-
stimmte Verhältnisse für den Widerstand der Reibung angeben
. Sind
nämlich die zu bewegenden Körper unbedeutend belastet, so zeigen theils die noch übri-
gen geringen Ungleichheiten, vorzüglich aber die wechselseitige Adhäsion der Körper
einen Einfluss, der den Reibungswiderstand bedeutend vermehrt, wogegen bei grossen
Belastungen dieser Einfluss als unbedeutend entfällt. Diess ist die Ursache, warum alle
von Musschenbroek, Amontons und andern Physikern im Kleinen angestellten Versuche mit
den Erfahrungen im Grossen nicht übereinstimmen, und warum von denselben die Reibung
grösser angegeben wurde, als sie sich nach den Erfahrungen im Grossen zeigte. Hieraus
folgt weiter, dass man keineswegs von dem Widerstande der Reibung bei einem kleinen
Modelle auf jenen schliessen kann, welcher bei einer nach diesem Modelle im Grossen
zu erbauenden Maschine statt finden wird, wenn man diess Verhältniss nach Maassgabe
des senkrechten Druckes der gleichnamigen Theile auf einander anschlagen wollte.

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[491/0523] Gesetze der Reibung. schen welchen verschiedene Hölzer, Metalle und andere Körper eingesetzt werden konn- ten. Auf diese Körper wurden andere von derselben oder von verschiedener Art aufge- legt und horizontal fortgezogen. Diese letztern wurden mit immer grösseren und grösse- ren Gewichten beschwert, vorne eine Schnur a f befestigt, über die Rolle E geleitet, und so lange Gewichte P zugelegt, bis eine möglichst gleichförmige Bewegung des Kör- pers erfolgte. Zu diesem Behufe war es nöthig, dem Körper vorläufig eine kleine Be- wegung beizubringen und nachzusehen, ob die Bewegung durch das über die Rolle an- gehängte Gewicht P beschleunigt oder verzögert werde; im ersten Falle wurde P ver- mindert, im zweiten vergrössert, und der Versuch so lange wiederholt, bis eine gleich- förmige Bewegung zu Stande kam. Auf diese Art war der Widerstand der Reibung gerade so gross, als das zur Bewegung an der Rolle erforderliche Gewicht P, und die Vergleichung dieses Gewichtes mit der Last, womit beide Körper an einander gedrückt wurden, gab das Verhältniss, in welchem der Druck der reibenden Körper gegen den Reibungswiderstand steht. Fig. 1. Tab. 27. §. 438. Nach vielfältigen Versuchen, welche Herr Coulomb mit gleichen und verschieden- artigen Körpern bei kleinen und grossen Belastungen anstellte, ergaben sich folgende Resultate: I. Ueber die Reibung lässt sich so lange kein bestimmtes Gesetz angeben, als die Körper nicht vorläufig vollkommen abgeglättet oder polirt sind. Diess ist sehr einleuchtend; denn so lange die Ungleichheiten der Körper unbestimmt oder die Körper rauh sind, so muss auch der Widerstand, den sie verursachen, oder die Reibung unbestimmt bleiben. Diess ist aber nicht der Fall, wenn die Körper möglichst gut polirt sind. Weil aber ein jeder Körper einer eigenen Politur fähig ist, so liegt hierin der Grund, warum bei jedem Körper ein ande- res Verhältniss der Reibung zum Drucke gefunden wird. Zur Politur gehört aber, dass die Körper nicht nur sehr geglättet und abgezogen werden, sondern diese mög- lichst glatt gemachten Körper müssen noch unter einem sehr grossen Drucke auf ein- ander hin und her bewegt werden, wodurch sie dann eine Glätte und Dichtigkeit an ihrer Oberfläche erhalten, welche der Hobel oder die Feile nicht zu geben vermögen. II. Nur bei einem Drucke von mehreren Zentnern lassen sich be- stimmte Verhältnisse für den Widerstand der Reibung angeben. Sind nämlich die zu bewegenden Körper unbedeutend belastet, so zeigen theils die noch übri- gen geringen Ungleichheiten, vorzüglich aber die wechselseitige Adhäsion der Körper einen Einfluss, der den Reibungswiderstand bedeutend vermehrt, wogegen bei grossen Belastungen dieser Einfluss als unbedeutend entfällt. Diess ist die Ursache, warum alle von Musschenbroek, Amontons und andern Physikern im Kleinen angestellten Versuche mit den Erfahrungen im Grossen nicht übereinstimmen, und warum von denselben die Reibung grösser angegeben wurde, als sie sich nach den Erfahrungen im Grossen zeigte. Hieraus folgt weiter, dass man keineswegs von dem Widerstande der Reibung bei einem kleinen Modelle auf jenen schliessen kann, welcher bei einer nach diesem Modelle im Grossen zu erbauenden Maschine statt finden wird, wenn man diess Verhältniss nach Maassgabe des senkrechten Druckes der gleichnamigen Theile auf einander anschlagen wollte. 62 *

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/523>, abgerufen am 28.03.2024.