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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Reibung an den Achsen der Bahnwägen.
vollkommensten englischen Bahnen 8 bis 10 Tonnen fortzuführen im Stande ist, wenn die
Bahn entweder horizontal ist, oder auch nur solche Steigungen hat, über welche das Pferd
ohne besondere Anstrengung seiner Zugkraft gelangen kann.

Dass der Widerstand auf den neuesten englischen Bahnen so gering sey, ergibt sich
aus dem einfachen Versuche, bei welcher Neigung der schiefen Fläche die Wägen von
selbst herabzulaufen anfangen. Diese Neigung findet man bei der Darlington-Bahn = [Formel 1] ,
woraus nunmehr ganz einfach folgt, dass ein mittelmässig starkes Pferd, welches die
Kraft von 100 N. Oe. Pfund hat, auch eine Last von 160 N. Oe. Zentner (an Wägen und
Ladung) auf einer horizontalen Bahn zu ziehen, und damit den Weg von täglich 4 bis
5 N. Oe. Meilen zurückzulegen im Stande ist. Die genaue Berechnung hierüber haben
wir Seite 618 geliefert.

Zur Untersuchung des Widerstandes [Formel 2] bei verschiedenen Geschwindigkeiten hatFig.
9.
Tab.
30.

H. Roberts in Manchester folgenden Versuch gemacht: Ein gusseisernes Rad A B von 3 Fuss
Durchmesser wurde an seinem Umfange nach der Gestalt der Bahnschienen abgedreht, hier-
auf ein kleiner Eisenbahnwagen C gesetzt und mit dem Kraftmesser D verbunden. Nun
wurde das Rad durch das Seil E, F mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegt und es
zeigte sich, dass der Widerstand immer derselbe bleibe.

§. 584.

Da der Widerstand der Eisenbahnen, wenn sie in ebenen Gegenden geführt sind, an
der wälzenden Bewegung und an der Reibung an den Achsen liegt, so lassen sich Mittel
angeben, diese Widerstände noch weiter zu vermindern. Das erste Mittel hiezu ist die
Vergrösserung der Räder, allein diess hat seine bestimmte Gränze. Ein gussei-
sernes Rad, welches, wie es bei allen neuern Rädern der Fall ist, in die Schaale gegossen
(Case hardened) wird, kann nicht leicht grösser als 31/2 Fuss im Durchmesser gemacht
werden, weil es sich sonst im Gusse sehr leicht wirft, und nun wegen seiner Härte an der
Oberfläche nicht mehr abgedreht werden kann. In dieser Hinsicht haben schon mehrere
engl. Ingenieurs für räthlich erachtet, die Räder von Holz, 41/2 bis 5 Fuss hoch und mit
eisernen Reifen versehen, auszuführen, allein die bisherigen Bemühungen der Werkleute
haben es noch nicht dahin gebracht, Räder von solcher Höhe mit der hinreichen-
den Festigkeit
herzustellen, und man ist daher noch immer bei den gusseisernen Rä-
dern stehen geblieben. Sodann ist noch zu bemerken, dass alle hohen Räder zwar bei
der Fahrt auf Ebenen grosse Vortheile gewähren, allein bei der Fahrt über Anhöhen und
Berge wegen ihres grössern Gewichtes den Zug erschweren, wobei auch die Wägen
einer grossen Unbequemlichkeit beim Aufladen unterliegen, mehr schwanken und leichter
umfallen können. In dieser Hinsicht erscheint es weit zweckmässiger, die bekannten
Friktionsrollen auch hier anzuwenden. Wenn man nämlich zwei Räder soFig.
10,
11
und
12.

übereinander stellt, dass der Wagenkasten, welcher die Ladung enthält, an der Achse
des obern Rades hängt
, folglich die Achse des obern Rades allein die eigentliche
Last trägt, und wenn ferner die Peripherie des obern Rades auf der Nabe des untern Ra-
des (welches nunmehr auf der Eisenbahn geht) sich bewegt, so wird durch diese Ver-

Reibung an den Achsen der Bahnwägen.
vollkommensten englischen Bahnen 8 bis 10 Tonnen fortzuführen im Stande ist, wenn die
Bahn entweder horizontal ist, oder auch nur solche Steigungen hat, über welche das Pferd
ohne besondere Anstrengung seiner Zugkraft gelangen kann.

Dass der Widerstand auf den neuesten englischen Bahnen so gering sey, ergibt sich
aus dem einfachen Versuche, bei welcher Neigung der schiefen Fläche die Wägen von
selbst herabzulaufen anfangen. Diese Neigung findet man bei der Darlington-Bahn = [Formel 1] ,
woraus nunmehr ganz einfach folgt, dass ein mittelmässig starkes Pferd, welches die
Kraft von 100 N. Oe. Pfund hat, auch eine Last von 160 N. Oe. Zentner (an Wägen und
Ladung) auf einer horizontalen Bahn zu ziehen, und damit den Weg von täglich 4 bis
5 N. Oe. Meilen zurückzulegen im Stande ist. Die genaue Berechnung hierüber haben
wir Seite 618 geliefert.

Zur Untersuchung des Widerstandes [Formel 2] bei verschiedenen Geschwindigkeiten hatFig.
9.
Tab.
30.

H. Roberts in Manchester folgenden Versuch gemacht: Ein gusseisernes Rad A B von 3 Fuss
Durchmesser wurde an seinem Umfange nach der Gestalt der Bahnschienen abgedreht, hier-
auf ein kleiner Eisenbahnwagen C gesetzt und mit dem Kraftmesser D verbunden. Nun
wurde das Rad durch das Seil E, F mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegt und es
zeigte sich, dass der Widerstand immer derselbe bleibe.

§. 584.

Da der Widerstand der Eisenbahnen, wenn sie in ebenen Gegenden geführt sind, an
der wälzenden Bewegung und an der Reibung an den Achsen liegt, so lassen sich Mittel
angeben, diese Widerstände noch weiter zu vermindern. Das erste Mittel hiezu ist die
Vergrösserung der Räder, allein diess hat seine bestimmte Gränze. Ein gussei-
sernes Rad, welches, wie es bei allen neuern Rädern der Fall ist, in die Schaale gegossen
(Case hardened) wird, kann nicht leicht grösser als 3½ Fuss im Durchmesser gemacht
werden, weil es sich sonst im Gusse sehr leicht wirft, und nun wegen seiner Härte an der
Oberfläche nicht mehr abgedreht werden kann. In dieser Hinsicht haben schon mehrere
engl. Ingenieurs für räthlich erachtet, die Räder von Holz, 4½ bis 5 Fuss hoch und mit
eisernen Reifen versehen, auszuführen, allein die bisherigen Bemühungen der Werkleute
haben es noch nicht dahin gebracht, Räder von solcher Höhe mit der hinreichen-
den Festigkeit
herzustellen, und man ist daher noch immer bei den gusseisernen Rä-
dern stehen geblieben. Sodann ist noch zu bemerken, dass alle hohen Räder zwar bei
der Fahrt auf Ebenen grosse Vortheile gewähren, allein bei der Fahrt über Anhöhen und
Berge wegen ihres grössern Gewichtes den Zug erschweren, wobei auch die Wägen
einer grossen Unbequemlichkeit beim Aufladen unterliegen, mehr schwanken und leichter
umfallen können. In dieser Hinsicht erscheint es weit zweckmässiger, die bekannten
Friktionsrollen auch hier anzuwenden. Wenn man nämlich zwei Räder soFig.
10,
11
und
12.

übereinander stellt, dass der Wagenkasten, welcher die Ladung enthält, an der Achse
des obern Rades hängt
, folglich die Achse des obern Rades allein die eigentliche
Last trägt, und wenn ferner die Peripherie des obern Rades auf der Nabe des untern Ra-
des (welches nunmehr auf der Eisenbahn geht) sich bewegt, so wird durch diese Ver-

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[645/0677] Reibung an den Achsen der Bahnwägen. vollkommensten englischen Bahnen 8 bis 10 Tonnen fortzuführen im Stande ist, wenn die Bahn entweder horizontal ist, oder auch nur solche Steigungen hat, über welche das Pferd ohne besondere Anstrengung seiner Zugkraft gelangen kann. Dass der Widerstand auf den neuesten englischen Bahnen so gering sey, ergibt sich aus dem einfachen Versuche, bei welcher Neigung der schiefen Fläche die Wägen von selbst herabzulaufen anfangen. Diese Neigung findet man bei der Darlington-Bahn = [FORMEL], woraus nunmehr ganz einfach folgt, dass ein mittelmässig starkes Pferd, welches die Kraft von 100 N. Oe. Pfund hat, auch eine Last von 160 N. Oe. Zentner (an Wägen und Ladung) auf einer horizontalen Bahn zu ziehen, und damit den Weg von täglich 4 bis 5 N. Oe. Meilen zurückzulegen im Stande ist. Die genaue Berechnung hierüber haben wir Seite 618 geliefert. Zur Untersuchung des Widerstandes [FORMEL] bei verschiedenen Geschwindigkeiten hat H. Roberts in Manchester folgenden Versuch gemacht: Ein gusseisernes Rad A B von 3 Fuss Durchmesser wurde an seinem Umfange nach der Gestalt der Bahnschienen abgedreht, hier- auf ein kleiner Eisenbahnwagen C gesetzt und mit dem Kraftmesser D verbunden. Nun wurde das Rad durch das Seil E, F mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegt und es zeigte sich, dass der Widerstand immer derselbe bleibe. Fig. 9. Tab. 30. §. 584. Da der Widerstand der Eisenbahnen, wenn sie in ebenen Gegenden geführt sind, an der wälzenden Bewegung und an der Reibung an den Achsen liegt, so lassen sich Mittel angeben, diese Widerstände noch weiter zu vermindern. Das erste Mittel hiezu ist die Vergrösserung der Räder, allein diess hat seine bestimmte Gränze. Ein gussei- sernes Rad, welches, wie es bei allen neuern Rädern der Fall ist, in die Schaale gegossen (Case hardened) wird, kann nicht leicht grösser als 3½ Fuss im Durchmesser gemacht werden, weil es sich sonst im Gusse sehr leicht wirft, und nun wegen seiner Härte an der Oberfläche nicht mehr abgedreht werden kann. In dieser Hinsicht haben schon mehrere engl. Ingenieurs für räthlich erachtet, die Räder von Holz, 4½ bis 5 Fuss hoch und mit eisernen Reifen versehen, auszuführen, allein die bisherigen Bemühungen der Werkleute haben es noch nicht dahin gebracht, Räder von solcher Höhe mit der hinreichen- den Festigkeit herzustellen, und man ist daher noch immer bei den gusseisernen Rä- dern stehen geblieben. Sodann ist noch zu bemerken, dass alle hohen Räder zwar bei der Fahrt auf Ebenen grosse Vortheile gewähren, allein bei der Fahrt über Anhöhen und Berge wegen ihres grössern Gewichtes den Zug erschweren, wobei auch die Wägen einer grossen Unbequemlichkeit beim Aufladen unterliegen, mehr schwanken und leichter umfallen können. In dieser Hinsicht erscheint es weit zweckmässiger, die bekannten Friktionsrollen auch hier anzuwenden. Wenn man nämlich zwei Räder so übereinander stellt, dass der Wagenkasten, welcher die Ladung enthält, an der Achse des obern Rades hängt, folglich die Achse des obern Rades allein die eigentliche Last trägt, und wenn ferner die Peripherie des obern Rades auf der Nabe des untern Ra- des (welches nunmehr auf der Eisenbahn geht) sich bewegt, so wird durch diese Ver- Fig. 10, 11 und 12.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/677>, abgerufen am 18.04.2024.