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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Folgerungen aus den Versuchen.
§. 140.

Aus den abgeleiteten 3 Gleichungen im vorigen §. ersehen wir:

1tens. Der Koeffizient A hat für einen jeden Wärmegrad einen eigenen Werth,
welcher mit dem Seite 189 bei Röhren von kleinem Durchmesser gefundenen beinahe
übereinstimmt.

2tens. Der Koeffizient B hat ebenfalls verschiedene Werthe. Der angenommenen
Bestimmung Seite 190 zu Folge wäre für die mittlere Temperatur von 10 bis 15°, wobei
die Versuche I bis VIII angestellt wurden, B = [Formel 1] , welcher
Werth mit jenem im vorigen §. für die Temperatur von 12 Grad gefundenen nahe
übereinstimmt.

3tens. Sind die Geschwindigkeiten des Wassers in einer Röhrenleitung so klein,
dass v2 gegen v vernachlässigt werden kann, oder dass der Widerstand nur von dem Pro-
dukte B . v abhängt, so nimmt die Wärme, wie die Bestimmung des Werthes von B bei
der vorigen Rechnung zeigt, einen bedeutenden Einfluss.

Nehmen wir von den obigen Bestimmungen jene bei 12° und bei 28° als Masstab an,
so folgt, dass der Nenner von B durch die Temperatursänderung von 28 -- 12 = 16° um
10284 -- 8569 = 1715 zunehme; wir finden daher die Vermehrung für t° aus der Propor-
zion 16° : 1715 = t° : 107 t. Demnach wäre in dem obigen Versuche für eine jede Tem-
peratur t der Koeffizient B = [Formel 2] anzunehmen. Da nun bei grossen Durchmes-
sern, wie aus der Tabelle, Seite 189 bekannt ist, der Nenner von B für die mittlere Tem-
peratur weit grösser als bei Röhren mit kleinen Durchmessern ist, so kommt bei Röhren
mit grössern Durchmessern die Zahl 107 t zu einer viel grössern Zahl im Nenner von B
zu addiren, als es bei Röhren von kleinen Durchmessern der Fall ist. Hieraus sehen wir,
dass die Wärme bei engen Röhren und kleinen Geschwindigkeiten des Wassers einen
weit grössern Einfluss, als bei grössern Durchmessern und bedeutenden Geschwindigkei-
ten verursacht.

Da bei der praktischen Anwendung die Temperatur des Wassers in Röhrenleitungen
immer als die mittlere von 10 bis 15° Reaum. angenommen werden kann, so können wir
uns in der Ausübung mit der §. 134 abgeleiteten allgemeinen Gleichung
[Formel 3] begnügen. Für eine genauere Bestimmung der Koeffizienten A und B würde noch eine
eigene Theorie über den Einfluss erfordert, welchen der Widerstand der Wände gegen
die nächsten Wassertheile und gegen jene Theile des fliessenden Wassers, die mehr in
der Mitte der Röhre liegen, äussert; eben so wäre noch eine Theorie hinsichtlich des
Einflusses der Wärme nöthig, um zu zeigen, in welchem Verhältnisse die geringere spe-
zifische Schwere des wärmern Wassers gegen die Theile der Röhrenwände steht; end-
lich wäre noch bei kleinen Röhren die Wirkung der Haarrörchenkraft in Anschlag zu
nehmen. Diese Gegenstände gehören aber mehr in das Gebiet der Physik und es dürfte
das hierüber angeführte für das praktische Bedürfniss hinreichen.

Folgerungen aus den Versuchen.
§. 140.

Aus den abgeleiteten 3 Gleichungen im vorigen §. ersehen wir:

1tens. Der Koeffizient A hat für einen jeden Wärmegrad einen eigenen Werth,
welcher mit dem Seite 189 bei Röhren von kleinem Durchmesser gefundenen beinahe
übereinstimmt.

2tens. Der Koeffizient B hat ebenfalls verschiedene Werthe. Der angenommenen
Bestimmung Seite 190 zu Folge wäre für die mittlere Temperatur von 10 bis 15°, wobei
die Versuche I bis VIII angestellt wurden, B = [Formel 1] , welcher
Werth mit jenem im vorigen §. für die Temperatur von 12 Grad gefundenen nahe
übereinstimmt.

3tens. Sind die Geschwindigkeiten des Wassers in einer Röhrenleitung so klein,
dass v2 gegen v vernachlässigt werden kann, oder dass der Widerstand nur von dem Pro-
dukte B . v abhängt, so nimmt die Wärme, wie die Bestimmung des Werthes von B bei
der vorigen Rechnung zeigt, einen bedeutenden Einfluss.

Nehmen wir von den obigen Bestimmungen jene bei 12° und bei 28° als Masstab an,
so folgt, dass der Nenner von B durch die Temperatursänderung von 28 — 12 = 16° um
10284 — 8569 = 1715 zunehme; wir finden daher die Vermehrung für t° aus der Propor-
zion 16° : 1715 = t° : 107 t. Demnach wäre in dem obigen Versuche für eine jede Tem-
peratur t der Koeffizient B = [Formel 2] anzunehmen. Da nun bei grossen Durchmes-
sern, wie aus der Tabelle, Seite 189 bekannt ist, der Nenner von B für die mittlere Tem-
peratur weit grösser als bei Röhren mit kleinen Durchmessern ist, so kommt bei Röhren
mit grössern Durchmessern die Zahl 107 t zu einer viel grössern Zahl im Nenner von B
zu addiren, als es bei Röhren von kleinen Durchmessern der Fall ist. Hieraus sehen wir,
dass die Wärme bei engen Röhren und kleinen Geschwindigkeiten des Wassers einen
weit grössern Einfluss, als bei grössern Durchmessern und bedeutenden Geschwindigkei-
ten verursacht.

Da bei der praktischen Anwendung die Temperatur des Wassers in Röhrenleitungen
immer als die mittlere von 10 bis 15° Reaum. angenommen werden kann, so können wir
uns in der Ausübung mit der §. 134 abgeleiteten allgemeinen Gleichung
[Formel 3] begnügen. Für eine genauere Bestimmung der Koeffizienten A und B würde noch eine
eigene Theorie über den Einfluss erfordert, welchen der Widerstand der Wände gegen
die nächsten Wassertheile und gegen jene Theile des fliessenden Wassers, die mehr in
der Mitte der Röhre liegen, äussert; eben so wäre noch eine Theorie hinsichtlich des
Einflusses der Wärme nöthig, um zu zeigen, in welchem Verhältnisse die geringere spe-
zifische Schwere des wärmern Wassers gegen die Theile der Röhrenwände steht; end-
lich wäre noch bei kleinen Röhren die Wirkung der Haarrörchenkraft in Anschlag zu
nehmen. Diese Gegenstände gehören aber mehr in das Gebiet der Physik und es dürfte
das hierüber angeführte für das praktische Bedürfniss hinreichen.

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[206/0224] Folgerungen aus den Versuchen. §. 140. Aus den abgeleiteten 3 Gleichungen im vorigen §. ersehen wir: 1tens. Der Koeffizient A hat für einen jeden Wärmegrad einen eigenen Werth, welcher mit dem Seite 189 bei Röhren von kleinem Durchmesser gefundenen beinahe übereinstimmt. 2tens. Der Koeffizient B hat ebenfalls verschiedene Werthe. Der angenommenen Bestimmung Seite 190 zu Folge wäre für die mittlere Temperatur von 10 bis 15°, wobei die Versuche I bis VIII angestellt wurden, B = [FORMEL], welcher Werth mit jenem im vorigen §. für die Temperatur von 12 Grad gefundenen nahe übereinstimmt. 3tens. Sind die Geschwindigkeiten des Wassers in einer Röhrenleitung so klein, dass v2 gegen v vernachlässigt werden kann, oder dass der Widerstand nur von dem Pro- dukte B . v abhängt, so nimmt die Wärme, wie die Bestimmung des Werthes von B bei der vorigen Rechnung zeigt, einen bedeutenden Einfluss. Nehmen wir von den obigen Bestimmungen jene bei 12° und bei 28° als Masstab an, so folgt, dass der Nenner von B durch die Temperatursänderung von 28 — 12 = 16° um 10284 — 8569 = 1715 zunehme; wir finden daher die Vermehrung für t° aus der Propor- zion 16° : 1715 = t° : 107 t. Demnach wäre in dem obigen Versuche für eine jede Tem- peratur t der Koeffizient B = [FORMEL] anzunehmen. Da nun bei grossen Durchmes- sern, wie aus der Tabelle, Seite 189 bekannt ist, der Nenner von B für die mittlere Tem- peratur weit grösser als bei Röhren mit kleinen Durchmessern ist, so kommt bei Röhren mit grössern Durchmessern die Zahl 107 t zu einer viel grössern Zahl im Nenner von B zu addiren, als es bei Röhren von kleinen Durchmessern der Fall ist. Hieraus sehen wir, dass die Wärme bei engen Röhren und kleinen Geschwindigkeiten des Wassers einen weit grössern Einfluss, als bei grössern Durchmessern und bedeutenden Geschwindigkei- ten verursacht. Da bei der praktischen Anwendung die Temperatur des Wassers in Röhrenleitungen immer als die mittlere von 10 bis 15° Reaum. angenommen werden kann, so können wir uns in der Ausübung mit der §. 134 abgeleiteten allgemeinen Gleichung [FORMEL] begnügen. Für eine genauere Bestimmung der Koeffizienten A und B würde noch eine eigene Theorie über den Einfluss erfordert, welchen der Widerstand der Wände gegen die nächsten Wassertheile und gegen jene Theile des fliessenden Wassers, die mehr in der Mitte der Röhre liegen, äussert; eben so wäre noch eine Theorie hinsichtlich des Einflusses der Wärme nöthig, um zu zeigen, in welchem Verhältnisse die geringere spe- zifische Schwere des wärmern Wassers gegen die Theile der Röhrenwände steht; end- lich wäre noch bei kleinen Röhren die Wirkung der Haarrörchenkraft in Anschlag zu nehmen. Diese Gegenstände gehören aber mehr in das Gebiet der Physik und es dürfte das hierüber angeführte für das praktische Bedürfniss hinreichen.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/224>, abgerufen am 19.04.2024.