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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Stauhöhe und Stauweile.
ren bei dem Eisgange vom Wasser so überströmt sind, dass man sie nur wenig mehr
bemerkt.

§. 244.

Ein Stau entsteht nicht bloss, wenn der Lauf des Wassers in seinem natür-
lichen Flussbette durch ein Wehr gehemmt wird, sondern wenn irgend ein Hinder-
niss vorhanden ist, wodurch der Wasserabfluss gehemmt und die Oberfläche desselben
oder der Wasserspiegel erhöht wird. Beispiele solcher Hindernisse sind nebst den
Wehren noch die Brückenpfeiler, Buhnen oder Sporne, grosse Steine, neu entstan-
dene Schotterbänke u. dgl. Für die Berechnung der Stauhöhe, um welche die Ober-
fläche des Wassers erhöht wird, müssen wir zwei Fälle unterscheiden; entweder erstreckt
sich das Hinderniss über die ganze Breite des Flusses gleichförmig, so dass das Wasser
genöthigt wird, nach der ganzen Breite in einer gleichen Höhe abzufliessen, wie es bei
eingebauten Wehren Statt findet, oder auch die Hindernisse erstrecken sich nur über
einige Theile des Flussbettes z. B. die Brückenpfeiler, Buhnen, Schotterbänke u. s. w.

Für die eingebauten Wehren müssen wir wieder drei Fälle unterscheiden: 1tens
wenn die Höhe des Wehres kleiner ist, als die natürliche Tiefe des Flusses vor dem Baue
des Wehres war, folglich das Wehr zu jeder Zeit vom Wasser bedeckt wird. Man nennt
diess ein unvollkommenes Wehr oder unvollkommenen Uiberfall (Reversoirs non complets,
Demi reversoirs
) 2tens wenn die Höhe des eingebauten Wehres der gewöhnlichen Höhe
des Flusses gleich kommt und 3tens wenn die Höhe des Wehres die gewöhnliche
Höhe des Wassers übersteigt. Man nennt das letztere ein vollkommenes Wehr, oder
vollkommenen Uiberfall (Reversoirs complets).

Die Ursache, warum man die eine oder andere Art Wehren anlegt, beruht bloss in
der Höhe des Staues oder eigentlich in der Grösse des Gefälles, welches man an diesem
Orte zu erlangen wünscht. Soll das Gefälle gross seyn, so baut man ein vollkomme-
nes Wehr, welches aber immer kostspieliger als ein unvollkommenes ist. Bevor jedoch
ein Wehr angelegt wird, ist es immer nothwendig, die Fragen zu beantworten, welche
die Stauhöhe und Stauweite bei demselben betreffen. Ist nämlich die Höhe des zu
erbauenden Wehres durch die für die Wasserkraft erforderliche Gefällshöhe gegeben,
so frägt es sich, 1tens wie hoch wird das Wehr das Wasser im höchsten Punkte, wel-
cher gerade vor dem Wehr liegt, stauen, oder wie viel beträgt die grösste Stauhöhe
(Hauteur du remou). 2tens, wie weit wird die Erhöhung des Wassers im Flusse
gehen oder wie viel beträgt die Stauweite (Amplitude du remou); endlich 3tens,
wie viel wird die Stauhöhe auf jedem Orte der Stauweite betragen.

Die Beantwortung dieser Fragen ist in den folgenden §§. enthalten. Hat man
mit Hilfe der aufgestellten Formeln die drei Fragen beantwortet, so vergleicht man
die Resultate mit den nivellirten Höhen der beiderseitigen Ufergründe und beurtheilt
nun, ob dieselben vom Wasser überschwemmt werden oder nicht. Liegen diese
Gründe tiefer, als die grösste Stauhöhe bei Hochwässern beträgt, so muss man das
Wehr niedriger bauen, oder den Bau an diesem Orte ganz unterlassen, weil man sonst
den Anrainern bedeutende Entschädigungen leisten müsste.

Stauhöhe und Stauweile.
ren bei dem Eisgange vom Wasser so überströmt sind, dass man sie nur wenig mehr
bemerkt.

§. 244.

Ein Stau entsteht nicht bloss, wenn der Lauf des Wassers in seinem natür-
lichen Flussbette durch ein Wehr gehemmt wird, sondern wenn irgend ein Hinder-
niss vorhanden ist, wodurch der Wasserabfluss gehemmt und die Oberfläche desselben
oder der Wasserspiegel erhöht wird. Beispiele solcher Hindernisse sind nebst den
Wehren noch die Brückenpfeiler, Buhnen oder Sporne, grosse Steine, neu entstan-
dene Schotterbänke u. dgl. Für die Berechnung der Stauhöhe, um welche die Ober-
fläche des Wassers erhöht wird, müssen wir zwei Fälle unterscheiden; entweder erstreckt
sich das Hinderniss über die ganze Breite des Flusses gleichförmig, so dass das Wasser
genöthigt wird, nach der ganzen Breite in einer gleichen Höhe abzufliessen, wie es bei
eingebauten Wehren Statt findet, oder auch die Hindernisse erstrecken sich nur über
einige Theile des Flussbettes z. B. die Brückenpfeiler, Buhnen, Schotterbänke u. s. w.

Für die eingebauten Wehren müssen wir wieder drei Fälle unterscheiden: 1tens
wenn die Höhe des Wehres kleiner ist, als die natürliche Tiefe des Flusses vor dem Baue
des Wehres war, folglich das Wehr zu jeder Zeit vom Wasser bedeckt wird. Man nennt
diess ein unvollkommenes Wehr oder unvollkommenen Uiberfall (Reversoirs non complets,
Demi reversoirs
) 2tens wenn die Höhe des eingebauten Wehres der gewöhnlichen Höhe
des Flusses gleich kommt und 3tens wenn die Höhe des Wehres die gewöhnliche
Höhe des Wassers übersteigt. Man nennt das letztere ein vollkommenes Wehr, oder
vollkommenen Uiberfall (Reversoirs complets).

Die Ursache, warum man die eine oder andere Art Wehren anlegt, beruht bloss in
der Höhe des Staues oder eigentlich in der Grösse des Gefälles, welches man an diesem
Orte zu erlangen wünscht. Soll das Gefälle gross seyn, so baut man ein vollkomme-
nes Wehr, welches aber immer kostspieliger als ein unvollkommenes ist. Bevor jedoch
ein Wehr angelegt wird, ist es immer nothwendig, die Fragen zu beantworten, welche
die Stauhöhe und Stauweite bei demselben betreffen. Ist nämlich die Höhe des zu
erbauenden Wehres durch die für die Wasserkraft erforderliche Gefällshöhe gegeben,
so frägt es sich, 1tens wie hoch wird das Wehr das Wasser im höchsten Punkte, wel-
cher gerade vor dem Wehr liegt, stauen, oder wie viel beträgt die grösste Stauhöhe
(Hauteur du remou). 2tens, wie weit wird die Erhöhung des Wassers im Flusse
gehen oder wie viel beträgt die Stauweite (Amplitude du remou); endlich 3tens,
wie viel wird die Stauhöhe auf jedem Orte der Stauweite betragen.

Die Beantwortung dieser Fragen ist in den folgenden §§. enthalten. Hat man
mit Hilfe der aufgestellten Formeln die drei Fragen beantwortet, so vergleicht man
die Resultate mit den nivellirten Höhen der beiderseitigen Ufergründe und beurtheilt
nun, ob dieselben vom Wasser überschwemmt werden oder nicht. Liegen diese
Gründe tiefer, als die grösste Stauhöhe bei Hochwässern beträgt, so muss man das
Wehr niedriger bauen, oder den Bau an diesem Orte ganz unterlassen, weil man sonst
den Anrainern bedeutende Entschädigungen leisten müsste.

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[328/0346] Stauhöhe und Stauweile. ren bei dem Eisgange vom Wasser so überströmt sind, dass man sie nur wenig mehr bemerkt. §. 244. Ein Stau entsteht nicht bloss, wenn der Lauf des Wassers in seinem natür- lichen Flussbette durch ein Wehr gehemmt wird, sondern wenn irgend ein Hinder- niss vorhanden ist, wodurch der Wasserabfluss gehemmt und die Oberfläche desselben oder der Wasserspiegel erhöht wird. Beispiele solcher Hindernisse sind nebst den Wehren noch die Brückenpfeiler, Buhnen oder Sporne, grosse Steine, neu entstan- dene Schotterbänke u. dgl. Für die Berechnung der Stauhöhe, um welche die Ober- fläche des Wassers erhöht wird, müssen wir zwei Fälle unterscheiden; entweder erstreckt sich das Hinderniss über die ganze Breite des Flusses gleichförmig, so dass das Wasser genöthigt wird, nach der ganzen Breite in einer gleichen Höhe abzufliessen, wie es bei eingebauten Wehren Statt findet, oder auch die Hindernisse erstrecken sich nur über einige Theile des Flussbettes z. B. die Brückenpfeiler, Buhnen, Schotterbänke u. s. w. Für die eingebauten Wehren müssen wir wieder drei Fälle unterscheiden: 1tens wenn die Höhe des Wehres kleiner ist, als die natürliche Tiefe des Flusses vor dem Baue des Wehres war, folglich das Wehr zu jeder Zeit vom Wasser bedeckt wird. Man nennt diess ein unvollkommenes Wehr oder unvollkommenen Uiberfall (Reversoirs non complets, Demi reversoirs) 2tens wenn die Höhe des eingebauten Wehres der gewöhnlichen Höhe des Flusses gleich kommt und 3tens wenn die Höhe des Wehres die gewöhnliche Höhe des Wassers übersteigt. Man nennt das letztere ein vollkommenes Wehr, oder vollkommenen Uiberfall (Reversoirs complets). Die Ursache, warum man die eine oder andere Art Wehren anlegt, beruht bloss in der Höhe des Staues oder eigentlich in der Grösse des Gefälles, welches man an diesem Orte zu erlangen wünscht. Soll das Gefälle gross seyn, so baut man ein vollkomme- nes Wehr, welches aber immer kostspieliger als ein unvollkommenes ist. Bevor jedoch ein Wehr angelegt wird, ist es immer nothwendig, die Fragen zu beantworten, welche die Stauhöhe und Stauweite bei demselben betreffen. Ist nämlich die Höhe des zu erbauenden Wehres durch die für die Wasserkraft erforderliche Gefällshöhe gegeben, so frägt es sich, 1tens wie hoch wird das Wehr das Wasser im höchsten Punkte, wel- cher gerade vor dem Wehr liegt, stauen, oder wie viel beträgt die grösste Stauhöhe (Hauteur du remou). 2tens, wie weit wird die Erhöhung des Wassers im Flusse gehen oder wie viel beträgt die Stauweite (Amplitude du remou); endlich 3tens, wie viel wird die Stauhöhe auf jedem Orte der Stauweite betragen. Die Beantwortung dieser Fragen ist in den folgenden §§. enthalten. Hat man mit Hilfe der aufgestellten Formeln die drei Fragen beantwortet, so vergleicht man die Resultate mit den nivellirten Höhen der beiderseitigen Ufergründe und beurtheilt nun, ob dieselben vom Wasser überschwemmt werden oder nicht. Liegen diese Gründe tiefer, als die grösste Stauhöhe bei Hochwässern beträgt, so muss man das Wehr niedriger bauen, oder den Bau an diesem Orte ganz unterlassen, weil man sonst den Anrainern bedeutende Entschädigungen leisten müsste.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/346>, abgerufen am 24.04.2024.