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Gessert, Ferdinand: Ueber den Begriff und die Wichtigkeit der Schulzucht besonders für die Volksschulen. Münster, 1826.

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erfahren, als zugleich sinnliche Lust und Furcht ihn
reizt. Dies veranlaßt aber höchstens eine einzelne
gesetzliche That; denn dann sind jene Triebe am Ziel
und hören auf; und ob sie durch Beifall oder Strafe
angefacht werden zu neuen Handlungen, so mögen
diese wol äußerlich zusammenhangen und gleiche Gestalt
haben, allein in dem Thäter sind sie doch nur wieder
einzelne, verschiedene Erhebungen. Je sinnlicher aber
noch die Schüler sind, desto weniger faßt ihr Ver-
stand die Regel, ihr Wille die Pflicht; sie hangen
bloß an der Person des Lehrers, der ihnen das Gesetz
versinnlicht; so weit er sie treibt, so weit werden sie
gehen. Er vermag aber nicht weiter mit seiner Kraft
in sie zu dringen und ihnen dieselbe zu leihen, als
daß sie für das einzelne Mal, wo er ihnen beisteht,
das vollbringen in wirklicher That, was er haben
will. Sollen sie fortfahren, so muß er von neuem
wieder anheben. Thut er es nicht, so bleiben sie auf
dem Punkte, wohin er sie gebracht, oder fallen zurück.
Jhr gesetzliches Handeln besteht also aus lauter ein-
zelnen Punkten, so lange sie beherrscht werden von
der Sinnlichkeit. -- Daraus folgt denn auch, daß
die in diesem Kapitel zu gebenden Vorschriften nicht
bloß verneinen dürfen nach Art der Regeln des ersten
Theils. Sie müssen vielmehr recht bestimmend und
gewöhnend sein; jenes, um die Einsicht und den
Willen des Schülers zu befestigen, dieses, um seine
Sinnlichkeit zu beschränken, daß sie nicht stets die
stärksten Eindrücke von Lust und Furcht begehrt, wenn
sie nicht widerstreben soll. Sie müssen heißen: Du
sollst das thun! und unbedingte Beobachtung des

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erfahren, als zugleich ſinnliche Luſt und Furcht ihn
reizt. Dies veranlaßt aber hoͤchſtens eine einzelne
geſetzliche That; denn dann ſind jene Triebe am Ziel
und hoͤren auf; und ob ſie durch Beifall oder Strafe
angefacht werden zu neuen Handlungen, ſo moͤgen
dieſe wol aͤußerlich zuſammenhangen und gleiche Geſtalt
haben, allein in dem Thaͤter ſind ſie doch nur wieder
einzelne, verſchiedene Erhebungen. Je ſinnlicher aber
noch die Schuͤler ſind, deſto weniger faßt ihr Ver-
ſtand die Regel, ihr Wille die Pflicht; ſie hangen
bloß an der Perſon des Lehrers, der ihnen das Geſetz
verſinnlicht; ſo weit er ſie treibt, ſo weit werden ſie
gehen. Er vermag aber nicht weiter mit ſeiner Kraft
in ſie zu dringen und ihnen dieſelbe zu leihen, als
daß ſie fuͤr das einzelne Mal, wo er ihnen beiſteht,
das vollbringen in wirklicher That, was er haben
will. Sollen ſie fortfahren, ſo muß er von neuem
wieder anheben. Thut er es nicht, ſo bleiben ſie auf
dem Punkte, wohin er ſie gebracht, oder fallen zuruͤck.
Jhr geſetzliches Handeln beſteht alſo aus lauter ein-
zelnen Punkten, ſo lange ſie beherrſcht werden von
der Sinnlichkeit. — Daraus folgt denn auch, daß
die in dieſem Kapitel zu gebenden Vorſchriften nicht
bloß verneinen duͤrfen nach Art der Regeln des erſten
Theils. Sie muͤſſen vielmehr recht beſtimmend und
gewoͤhnend ſein; jenes, um die Einſicht und den
Willen des Schuͤlers zu befeſtigen, dieſes, um ſeine
Sinnlichkeit zu beſchraͤnken, daß ſie nicht ſtets die
ſtaͤrkſten Eindruͤcke von Luſt und Furcht begehrt, wenn
ſie nicht widerſtreben ſoll. Sie muͤſſen heißen: Du
ſollſt das thun! und unbedingte Beobachtung des

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[33/0041] erfahren, als zugleich ſinnliche Luſt und Furcht ihn reizt. Dies veranlaßt aber hoͤchſtens eine einzelne geſetzliche That; denn dann ſind jene Triebe am Ziel und hoͤren auf; und ob ſie durch Beifall oder Strafe angefacht werden zu neuen Handlungen, ſo moͤgen dieſe wol aͤußerlich zuſammenhangen und gleiche Geſtalt haben, allein in dem Thaͤter ſind ſie doch nur wieder einzelne, verſchiedene Erhebungen. Je ſinnlicher aber noch die Schuͤler ſind, deſto weniger faßt ihr Ver- ſtand die Regel, ihr Wille die Pflicht; ſie hangen bloß an der Perſon des Lehrers, der ihnen das Geſetz verſinnlicht; ſo weit er ſie treibt, ſo weit werden ſie gehen. Er vermag aber nicht weiter mit ſeiner Kraft in ſie zu dringen und ihnen dieſelbe zu leihen, als daß ſie fuͤr das einzelne Mal, wo er ihnen beiſteht, das vollbringen in wirklicher That, was er haben will. Sollen ſie fortfahren, ſo muß er von neuem wieder anheben. Thut er es nicht, ſo bleiben ſie auf dem Punkte, wohin er ſie gebracht, oder fallen zuruͤck. Jhr geſetzliches Handeln beſteht alſo aus lauter ein- zelnen Punkten, ſo lange ſie beherrſcht werden von der Sinnlichkeit. — Daraus folgt denn auch, daß die in dieſem Kapitel zu gebenden Vorſchriften nicht bloß verneinen duͤrfen nach Art der Regeln des erſten Theils. Sie muͤſſen vielmehr recht beſtimmend und gewoͤhnend ſein; jenes, um die Einſicht und den Willen des Schuͤlers zu befeſtigen, dieſes, um ſeine Sinnlichkeit zu beſchraͤnken, daß ſie nicht ſtets die ſtaͤrkſten Eindruͤcke von Luſt und Furcht begehrt, wenn ſie nicht widerſtreben ſoll. Sie muͤſſen heißen: Du ſollſt das thun! und unbedingte Beobachtung des 3

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Zitationshilfe: Gessert, Ferdinand: Ueber den Begriff und die Wichtigkeit der Schulzucht besonders für die Volksschulen. Münster, 1826, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessert_schulzucht_1826/41>, abgerufen am 19.04.2024.