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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 3. Berlin, 1789.

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§. 9.

Die Beschaffenheit des Wiederkauens erweget.
Es ist eine bekannte Sache daß das Rindvieh, wenn
es frißt, wenig oder gar nicht kauet; denn vermöge seiner
scharfen Zunge, die den Mangel der Obervorderzähne
mit ersetzen muß, ziehet es das Futter über die untern
Zähne nach sich, und führet solches zu Ballen gleich-
sam gewickelt, wenig zerkaut, in beständigem Schlin-
gen, seinem großen Magazine, dem Wanste zu.
Wenn es satt ist, oder wenn es die ihm vorgegebene
Speise gefressen; so fänget es sogleich an wiederzu-
kauen, das ist: es bringet die ballenweise hinunter
geschlungene, zu wenig gekauete und mit der Feuch-
tigkeit des Gaumens nicht genug vermengete, und
also zum Verdauen und Durchgang durch den Blät-
termagen noch nicht geschickte Speise per ructus wie-
der herauf in den Rachen, kauet solche mit den Ba-
ckenzähnen sehr klein, und alsdenn zur Verdauung
und Durchgang des Blättermagens tüchtig, schlucket
es solche wieder herunter, da solche denn sogleich an
einen andern Ort, den man den Magenzipfel oder
Fuhrmannsmütze zu nennen pfleget, und zwischen dem
Wanste und Blättermagen, aber auch zugleich mit am
Schlunde lieget, hingeführet, und von dem Unwie-
dergekaueten abgesondert wird. Das wiedergekauete
ist nicht so bald hinunter, als schon wieder was fri-
sches zum wiederkauen heraufsteiget; welches Ge-
schäfte, wenn es nicht unterbrochen wird, so lange
dauert, als so viel Speise zu der Zeit zum Ueber- und
Durchgang der Natur noch nöthig gewesen.

§. 10.

Weil ich im vorigen §. gesagt habe: daß das
Rindvieh die Speise zum wiederkauen, durch Ructus
herauf bringet; so halte für nöthig, die Beschaffen-

heit
§. 9.

Die Beſchaffenheit des Wiederkauens erweget.
Es iſt eine bekannte Sache daß das Rindvieh, wenn
es frißt, wenig oder gar nicht kauet; denn vermoͤge ſeiner
ſcharfen Zunge, die den Mangel der Obervorderzaͤhne
mit erſetzen muß, ziehet es das Futter uͤber die untern
Zaͤhne nach ſich, und fuͤhret ſolches zu Ballen gleich-
ſam gewickelt, wenig zerkaut, in beſtaͤndigem Schlin-
gen, ſeinem großen Magazine, dem Wanſte zu.
Wenn es ſatt iſt, oder wenn es die ihm vorgegebene
Speiſe gefreſſen; ſo faͤnget es ſogleich an wiederzu-
kauen, das iſt: es bringet die ballenweiſe hinunter
geſchlungene, zu wenig gekauete und mit der Feuch-
tigkeit des Gaumens nicht genug vermengete, und
alſo zum Verdauen und Durchgang durch den Blaͤt-
termagen noch nicht geſchickte Speiſe per ructus wie-
der herauf in den Rachen, kauet ſolche mit den Ba-
ckenzaͤhnen ſehr klein, und alsdenn zur Verdauung
und Durchgang des Blaͤttermagens tuͤchtig, ſchlucket
es ſolche wieder herunter, da ſolche denn ſogleich an
einen andern Ort, den man den Magenzipfel oder
Fuhrmannsmuͤtze zu nennen pfleget, und zwiſchen dem
Wanſte und Blaͤttermagen, aber auch zugleich mit am
Schlunde lieget, hingefuͤhret, und von dem Unwie-
dergekaueten abgeſondert wird. Das wiedergekauete
iſt nicht ſo bald hinunter, als ſchon wieder was fri-
ſches zum wiederkauen heraufſteiget; welches Ge-
ſchaͤfte, wenn es nicht unterbrochen wird, ſo lange
dauert, als ſo viel Speiſe zu der Zeit zum Ueber- und
Durchgang der Natur noch noͤthig geweſen.

§. 10.

Weil ich im vorigen §. geſagt habe: daß das
Rindvieh die Speiſe zum wiederkauen, durch Ructus
herauf bringet; ſo halte fuͤr noͤthig, die Beſchaffen-

heit
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[123/0133] §. 9. Die Beſchaffenheit des Wiederkauens erweget. Es iſt eine bekannte Sache daß das Rindvieh, wenn es frißt, wenig oder gar nicht kauet; denn vermoͤge ſeiner ſcharfen Zunge, die den Mangel der Obervorderzaͤhne mit erſetzen muß, ziehet es das Futter uͤber die untern Zaͤhne nach ſich, und fuͤhret ſolches zu Ballen gleich- ſam gewickelt, wenig zerkaut, in beſtaͤndigem Schlin- gen, ſeinem großen Magazine, dem Wanſte zu. Wenn es ſatt iſt, oder wenn es die ihm vorgegebene Speiſe gefreſſen; ſo faͤnget es ſogleich an wiederzu- kauen, das iſt: es bringet die ballenweiſe hinunter geſchlungene, zu wenig gekauete und mit der Feuch- tigkeit des Gaumens nicht genug vermengete, und alſo zum Verdauen und Durchgang durch den Blaͤt- termagen noch nicht geſchickte Speiſe per ructus wie- der herauf in den Rachen, kauet ſolche mit den Ba- ckenzaͤhnen ſehr klein, und alsdenn zur Verdauung und Durchgang des Blaͤttermagens tuͤchtig, ſchlucket es ſolche wieder herunter, da ſolche denn ſogleich an einen andern Ort, den man den Magenzipfel oder Fuhrmannsmuͤtze zu nennen pfleget, und zwiſchen dem Wanſte und Blaͤttermagen, aber auch zugleich mit am Schlunde lieget, hingefuͤhret, und von dem Unwie- dergekaueten abgeſondert wird. Das wiedergekauete iſt nicht ſo bald hinunter, als ſchon wieder was fri- ſches zum wiederkauen heraufſteiget; welches Ge- ſchaͤfte, wenn es nicht unterbrochen wird, ſo lange dauert, als ſo viel Speiſe zu der Zeit zum Ueber- und Durchgang der Natur noch noͤthig geweſen. §. 10. Weil ich im vorigen §. geſagt habe: daß das Rindvieh die Speiſe zum wiederkauen, durch Ructus herauf bringet; ſo halte fuͤr noͤthig, die Beſchaffen- heit

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Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 3. Berlin, 1789, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen03_1789/133>, abgerufen am 19.04.2024.