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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
durch privat Verträge der Unterthanen abgeändert oder
aufgehoben werden können. Bey hypothetischen Gesetzen,
deren Befolgung der Gesezgeber nicht so durchaus und
schlechterdings erfordert, sondern welche nach der Absicht
desselben nur in Ermanglung besonderer Verabredun-
gen zur Entscheidungsnorm dienen sollen, ist es frey-
lich anders.

§. 15.
Eintheilung des Permißiv-Rechts in ius absolute permissi-
vum
und secundum quid tale. Was sind res s.
actus merae sacultatis?

Wenn man sich unter dem Permißivrecht einen
Inbegrif von Gesetzen denkt, die ein Vermögen, eine
gewisse Handlung vorzunehmen (facultatem agendi) oder
auch sonst eine gewisse Freiheit, oder Rechtswohlthat
ertheilen, so kann ein solches Recht zwifach seyn. Die
Gesetze haben entweder hierbey alles dem eignen Willkühr
des Handelnden überlassen, ob und was er von der ihm
verstatteten Befugniß für einen Gebrauch machen will,
ohne seiner Willkühr hierin Schranken zu setzen; oder sie
haben zwar die Handlung selbst dem Willkühr des Han-
delnden überlassen, aber doch bey der Vornahme dersel-
ben eine gewisse Förmlichkeit vorgeschrieben, welche, wenn
sie nicht ungültig, ja wohl gar straffallig seyn soll, zu
beobachten ist. Eine Summe von Gesetzen der erstern
Art machen das Ius absolute permissivum aus, so wie
im Gegentheil der Inbegrif von Gesetzen der letztern Art
ius secundum quid permissivum genennet wird. So
z. B. wird das Recht, bey einer fortdaurenden Güter-
gemeinschaft auf die Theilung zu dringen, für eine Sache
des freyen Willkührs geachtet. Die Gesetze sagen: in
communione vel societate nemo compellitur invitus

deti-

de Iuſtitia et Iure.
durch privat Vertraͤge der Unterthanen abgeaͤndert oder
aufgehoben werden koͤnnen. Bey hypothetiſchen Geſetzen,
deren Befolgung der Geſezgeber nicht ſo durchaus und
ſchlechterdings erfordert, ſondern welche nach der Abſicht
deſſelben nur in Ermanglung beſonderer Verabredun-
gen zur Entſcheidungsnorm dienen ſollen, iſt es frey-
lich anders.

§. 15.
Eintheilung des Permißiv-Rechts in ius abſolute permiſſi-
vum
und ſecundum quid tale. Was ſind res ſ.
actus merae ſacultatis?

Wenn man ſich unter dem Permißivrecht einen
Inbegrif von Geſetzen denkt, die ein Vermoͤgen, eine
gewiſſe Handlung vorzunehmen (facultatem agendi) oder
auch ſonſt eine gewiſſe Freiheit, oder Rechtswohlthat
ertheilen, ſo kann ein ſolches Recht zwifach ſeyn. Die
Geſetze haben entweder hierbey alles dem eignen Willkuͤhr
des Handelnden uͤberlaſſen, ob und was er von der ihm
verſtatteten Befugniß fuͤr einen Gebrauch machen will,
ohne ſeiner Willkuͤhr hierin Schranken zu ſetzen; oder ſie
haben zwar die Handlung ſelbſt dem Willkuͤhr des Han-
delnden uͤberlaſſen, aber doch bey der Vornahme derſel-
ben eine gewiſſe Foͤrmlichkeit vorgeſchrieben, welche, wenn
ſie nicht unguͤltig, ja wohl gar ſtraffallig ſeyn ſoll, zu
beobachten iſt. Eine Summe von Geſetzen der erſtern
Art machen das Ius abſolute permiſſivum aus, ſo wie
im Gegentheil der Inbegrif von Geſetzen der letztern Art
ius ſecundum quid permiſſivum genennet wird. So
z. B. wird das Recht, bey einer fortdaurenden Guͤter-
gemeinſchaft auf die Theilung zu dringen, fuͤr eine Sache
des freyen Willkuͤhrs geachtet. Die Geſetze ſagen: in
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[111/0131] de Iuſtitia et Iure. durch privat Vertraͤge der Unterthanen abgeaͤndert oder aufgehoben werden koͤnnen. Bey hypothetiſchen Geſetzen, deren Befolgung der Geſezgeber nicht ſo durchaus und ſchlechterdings erfordert, ſondern welche nach der Abſicht deſſelben nur in Ermanglung beſonderer Verabredun- gen zur Entſcheidungsnorm dienen ſollen, iſt es frey- lich anders. §. 15. Eintheilung des Permißiv-Rechts in ius abſolute permiſſi- vum und ſecundum quid tale. Was ſind res ſ. actus merae ſacultatis? Wenn man ſich unter dem Permißivrecht einen Inbegrif von Geſetzen denkt, die ein Vermoͤgen, eine gewiſſe Handlung vorzunehmen (facultatem agendi) oder auch ſonſt eine gewiſſe Freiheit, oder Rechtswohlthat ertheilen, ſo kann ein ſolches Recht zwifach ſeyn. Die Geſetze haben entweder hierbey alles dem eignen Willkuͤhr des Handelnden uͤberlaſſen, ob und was er von der ihm verſtatteten Befugniß fuͤr einen Gebrauch machen will, ohne ſeiner Willkuͤhr hierin Schranken zu ſetzen; oder ſie haben zwar die Handlung ſelbſt dem Willkuͤhr des Han- delnden uͤberlaſſen, aber doch bey der Vornahme derſel- ben eine gewiſſe Foͤrmlichkeit vorgeſchrieben, welche, wenn ſie nicht unguͤltig, ja wohl gar ſtraffallig ſeyn ſoll, zu beobachten iſt. Eine Summe von Geſetzen der erſtern Art machen das Ius abſolute permiſſivum aus, ſo wie im Gegentheil der Inbegrif von Geſetzen der letztern Art ius ſecundum quid permiſſivum genennet wird. So z. B. wird das Recht, bey einer fortdaurenden Guͤter- gemeinſchaft auf die Theilung zu dringen, fuͤr eine Sache des freyen Willkuͤhrs geachtet. Die Geſetze ſagen: in communione vel ſocietate nemo compellitur invitus deti-

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/131>, abgerufen am 16.04.2024.