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Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798.

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vergleiche jedoch auch Weber am angef. Ort S. 330. und hof-
acker
in Princip. iur. civ. Rom. germ. T. I.
§. 220.

Wenn hingegen das Gesetz nur eine gewisse Form vorgeschrie-
ben hat, welche bey Unternehmung eines rechtlichen Geschäfts
zu beobachten, solche aber gleichwohl vernachläßiget worden ist;
so behauptet man zwar auch in diesem Falle gewöhnlich, daß ein
solches Geschäft, dem es an der gehörigen Form fehlt, für un-
gültig zu halten sey 4). Allein man hat bey Entscheidung die-
ser Frage die nöthige Unterscheidung der mancherley Fälle ganz
ausser Acht gelassen. Die Form eines rechtlichen Geschäfts kann
von zweyerley Art seyn, die innere, welche zu Substanz und We-
sen desselben erfordert wird; und die äussere, welche bloß zur
Solemnisirung der rechtlichen Handlung gehört. Fehlt es nun
also an der Form eines rechtlichen Geschäfts, so kann dieser
Mangel entweder die innere oder die äussere Form treffen. Im
erstern Falle ist das eingegangene Geschäft entweder ganz ungül-
tig, oder es ist wenigstens dasjenige Geschäft nicht, welches die
Interessenten eingehen wollten, sondern wird zu einer andern
Art rechtlicher Geschäfte übergehen. So z. B. ist ohne Trauung
keine rechtsgültige Ehe unter protestantischen Privatpersonen, fer-
ner ohne directe Erbenseinsetzung kein Testament denkbar. Wenn
ich hingegen einem andern Getraide geliehen und mir von dem-
selben habe versprechen lassen, daß er mir, Statt des Getraides
so viel Wein wieder geben sollte, als das Getraide werth ist, so
ist das Geschäft zwar kein Darlehn, allein es kann doch als ein
contractus innominatus bestehen 5). Im andern Falle, da der
Mangel die äussere Form eines rechtlichen Geschäfts angehet, ist
wieder ein Unterschied zu machen, ob diese Form blos zum Vor-

theil
4) S. Iac. rave Diss. de effectu deficientis formae legalis in acti-
bus, qui ius respiciunt. Ienae 1766. Dan. nettelbladt Sy-
stem. element iurispr. positivae Germanor. comm. general. §. 187.
hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I.
§. 214.
Woltärs Grundsätze der Rechtsgelehrsamkeit für diejenigen,
welche nicht Juristen sind. §. 25. S. 16.
5) L. 2. pr. D. de reb. credit. L. fin. D. de praescript. verb.

vergleiche jedoch auch Weber am angef. Ort S. 330. und hof-
acker
in Princip. iur. civ. Rom. germ. T. I.
§. 220.

Wenn hingegen das Geſetz nur eine gewiſſe Form vorgeſchrie-
ben hat, welche bey Unternehmung eines rechtlichen Geſchaͤfts
zu beobachten, ſolche aber gleichwohl vernachlaͤßiget worden iſt;
ſo behauptet man zwar auch in dieſem Falle gewoͤhnlich, daß ein
ſolches Geſchaͤft, dem es an der gehoͤrigen Form fehlt, fuͤr un-
guͤltig zu halten ſey 4). Allein man hat bey Entſcheidung die-
ſer Frage die noͤthige Unterſcheidung der mancherley Faͤlle ganz
auſſer Acht gelaſſen. Die Form eines rechtlichen Geſchaͤfts kann
von zweyerley Art ſeyn, die innere, welche zu Subſtanz und We-
ſen deſſelben erfordert wird; und die aͤuſſere, welche bloß zur
Solemniſirung der rechtlichen Handlung gehoͤrt. Fehlt es nun
alſo an der Form eines rechtlichen Geſchaͤfts, ſo kann dieſer
Mangel entweder die innere oder die aͤuſſere Form treffen. Im
erſtern Falle iſt das eingegangene Geſchaͤft entweder ganz unguͤl-
tig, oder es iſt wenigſtens dasjenige Geſchaͤft nicht, welches die
Intereſſenten eingehen wollten, ſondern wird zu einer andern
Art rechtlicher Geſchaͤfte uͤbergehen. So z. B. iſt ohne Trauung
keine rechtsguͤltige Ehe unter proteſtantiſchen Privatperſonen, fer-
ner ohne directe Erbenseinſetzung kein Teſtament denkbar. Wenn
ich hingegen einem andern Getraide geliehen und mir von dem-
ſelben habe verſprechen laſſen, daß er mir, Statt des Getraides
ſo viel Wein wieder geben ſollte, als das Getraide werth iſt, ſo
iſt das Geſchaͤft zwar kein Darlehn, allein es kann doch als ein
contractus innominatus beſtehen 5). Im andern Falle, da der
Mangel die aͤuſſere Form eines rechtlichen Geſchaͤfts angehet, iſt
wieder ein Unterſchied zu machen, ob dieſe Form blos zum Vor-

theil
4) S. Iac. rave Diſſ. de effectu deficientis formae legalis in acti-
bus, qui ius reſpiciunt. Ienae 1766. Dan. nettelbladt Sy-
ſtem. element iurispr. poſitivae Germanor. comm. general. §. 187.
hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I.
§. 214.
Woltaͤrs Grundſaͤtze der Rechtsgelehrſamkeit fuͤr diejenigen,
welche nicht Juriſten ſind. §. 25. S. 16.
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[29/0037] vergleiche jedoch auch Weber am angef. Ort S. 330. und hof- acker in Princip. iur. civ. Rom. germ. T. I. §. 220. Wenn hingegen das Geſetz nur eine gewiſſe Form vorgeſchrie- ben hat, welche bey Unternehmung eines rechtlichen Geſchaͤfts zu beobachten, ſolche aber gleichwohl vernachlaͤßiget worden iſt; ſo behauptet man zwar auch in dieſem Falle gewoͤhnlich, daß ein ſolches Geſchaͤft, dem es an der gehoͤrigen Form fehlt, fuͤr un- guͤltig zu halten ſey 4). Allein man hat bey Entſcheidung die- ſer Frage die noͤthige Unterſcheidung der mancherley Faͤlle ganz auſſer Acht gelaſſen. Die Form eines rechtlichen Geſchaͤfts kann von zweyerley Art ſeyn, die innere, welche zu Subſtanz und We- ſen deſſelben erfordert wird; und die aͤuſſere, welche bloß zur Solemniſirung der rechtlichen Handlung gehoͤrt. Fehlt es nun alſo an der Form eines rechtlichen Geſchaͤfts, ſo kann dieſer Mangel entweder die innere oder die aͤuſſere Form treffen. Im erſtern Falle iſt das eingegangene Geſchaͤft entweder ganz unguͤl- tig, oder es iſt wenigſtens dasjenige Geſchaͤft nicht, welches die Intereſſenten eingehen wollten, ſondern wird zu einer andern Art rechtlicher Geſchaͤfte uͤbergehen. So z. B. iſt ohne Trauung keine rechtsguͤltige Ehe unter proteſtantiſchen Privatperſonen, fer- ner ohne directe Erbenseinſetzung kein Teſtament denkbar. Wenn ich hingegen einem andern Getraide geliehen und mir von dem- ſelben habe verſprechen laſſen, daß er mir, Statt des Getraides ſo viel Wein wieder geben ſollte, als das Getraide werth iſt, ſo iſt das Geſchaͤft zwar kein Darlehn, allein es kann doch als ein contractus innominatus beſtehen 5). Im andern Falle, da der Mangel die aͤuſſere Form eines rechtlichen Geſchaͤfts angehet, iſt wieder ein Unterſchied zu machen, ob dieſe Form blos zum Vor- theil 4) S. Iac. rave Diſſ. de effectu deficientis formae legalis in acti- bus, qui ius reſpiciunt. Ienae 1766. Dan. nettelbladt Sy- ſtem. element iurispr. poſitivae Germanor. comm. general. §. 187. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I. §. 214. Woltaͤrs Grundſaͤtze der Rechtsgelehrſamkeit fuͤr diejenigen, welche nicht Juriſten ſind. §. 25. S. 16. 5) L. 2. pr. D. de reb. credit. L. fin. D. de praeſcript. verb.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01verbesserungen_1798/37>, abgerufen am 23.04.2024.