Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite


Stengelblätter schon mehr oder weniger gefärbt,
lange ehe sie sich dem Blüthenstande nähern;
andere färben sich vollkommen in der Nähe
des Blüthenstandes.

§. 44.

Auch gehet die Natur manchmal, indem sie
das Organ des Kelchs gleichsam überspringt,
unmittelbar zur Krone, und wir haben Gelegen-
heit in diesem Falle gleichfals zu beobachten,
dass Stengelblätter zu Kronenblättern übergehen.
So zeigt sich z. B. manchmal an den Tulpen-
stengeln ein beynahe völlig ausgebildetes und
gefärbtes Kronenblatt. Ja noch merkwürdiger
ist der Fall; wenn ein solches Blatt halb grün,
mit seiner einen Hälfte zum Stengel gehörig an
demselben befestigt bleibt, indess sein anderer
und gefärbter Theil mit der Krone empor gehoben,
und das Blatt in zwey Theile zerrissen wird.

§. 45.

Es ist eine sehr wahrscheinliche Meynung dass
Farbe und Geruch der Kronenblätter, der
Gegenwart des männlichen Samens in denselben


Stengelblätter ſchon mehr oder weniger gefärbt,
lange ehe ſie ſich dem Blüthenſtande nähern;
andere färben ſich vollkommen in der Nähe
des Blüthenſtandes.

§. 44.

Auch gehet die Natur manchmal, indem ſie
das Organ des Kelchs gleichſam überſpringt,
unmittelbar zur Krone, und wir haben Gelegen-
heit in dieſem Falle gleichfals zu beobachten,
daſs Stengelblätter zu Kronenblättern übergehen.
So zeigt ſich z. B. manchmal an den Tulpen-
ſtengeln ein beynahe völlig ausgebildetes und
gefärbtes Kronenblatt. Ja noch merkwürdiger
iſt der Fall; wenn ein ſolches Blatt halb grün,
mit ſeiner einen Hälfte zum Stengel gehörig an
demſelben befeſtigt bleibt, indeſs ſein anderer
und gefärbter Theil mit der Krone empor gehoben,
und das Blatt in zwey Theile zerriſſen wird.

§. 45.

Es iſt eine ſehr wahrſcheinliche Meynung daſs
Farbe und Geruch der Kronenblätter, der
Gegenwart des männlichen Samens in denſelben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="29"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/> Stengelblätter &#x017F;chon mehr oder weniger gefärbt,<lb/>
lange ehe &#x017F;ie &#x017F;ich dem Blüthen&#x017F;tande nähern;<lb/>
andere färben &#x017F;ich vollkommen in der Nähe<lb/>
des Blüthen&#x017F;tandes.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#c">§. 44.</hi> </head><lb/>
          <p>Auch gehet die Natur manchmal, indem &#x017F;ie<lb/>
das Organ des Kelchs gleich&#x017F;am über&#x017F;pringt,<lb/>
unmittelbar zur Krone, und wir haben Gelegen-<lb/>
heit in die&#x017F;em Falle gleichfals zu beobachten,<lb/>
da&#x017F;s Stengelblätter zu Kronenblättern übergehen.<lb/>
So zeigt &#x017F;ich z. B. manchmal an den Tulpen-<lb/>
&#x017F;tengeln ein beynahe völlig ausgebildetes und<lb/>
gefärbtes Kronenblatt. Ja noch merkwürdiger<lb/>
i&#x017F;t der Fall; wenn ein &#x017F;olches Blatt halb grün,<lb/>
mit &#x017F;einer einen Hälfte zum Stengel gehörig an<lb/>
dem&#x017F;elben befe&#x017F;tigt bleibt, inde&#x017F;s &#x017F;ein anderer<lb/>
und gefärbter Theil mit der Krone empor gehoben,<lb/>
und das Blatt in zwey Theile zerri&#x017F;&#x017F;en wird.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#c">§. 45.</hi> </head><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t eine &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinliche Meynung da&#x017F;s<lb/>
Farbe und Geruch der Kronenblätter, der<lb/>
Gegenwart des männlichen Samens in den&#x017F;elben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0044] Stengelblätter ſchon mehr oder weniger gefärbt, lange ehe ſie ſich dem Blüthenſtande nähern; andere färben ſich vollkommen in der Nähe des Blüthenſtandes. §. 44. Auch gehet die Natur manchmal, indem ſie das Organ des Kelchs gleichſam überſpringt, unmittelbar zur Krone, und wir haben Gelegen- heit in dieſem Falle gleichfals zu beobachten, daſs Stengelblätter zu Kronenblättern übergehen. So zeigt ſich z. B. manchmal an den Tulpen- ſtengeln ein beynahe völlig ausgebildetes und gefärbtes Kronenblatt. Ja noch merkwürdiger iſt der Fall; wenn ein ſolches Blatt halb grün, mit ſeiner einen Hälfte zum Stengel gehörig an demſelben befeſtigt bleibt, indeſs ſein anderer und gefärbter Theil mit der Krone empor gehoben, und das Blatt in zwey Theile zerriſſen wird. §. 45. Es iſt eine ſehr wahrſcheinliche Meynung daſs Farbe und Geruch der Kronenblätter, der Gegenwart des männlichen Samens in denſelben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Es existieren zwei Drucke des "Versuchs" von 1790… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/44
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/44>, abgerufen am 29.03.2024.