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Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

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§. 69.

Wir bemerken nehmlich dass der Griffel auf
eben der Stufe des Wachsthums stehe, wo wir
die Staubgefässe gefunden haben. Wir konnten
nehmlich beobachten, dass die Staubgefässe durch
eine Zusammenziehung hervorgebracht werden;
die Griffel sind oft in demselbigen Falle, und wir
sehen sie, wenn auch nicht immer mit den Staub-
gefässen von gleichem Masse, doch nur um
weniges länger oder kürzer gebildet. In vielen
Fällen sieht der Griffel fast einem Staubfaden ohne
Anthere gleich, und die Verwandtschaft ihrer
Bildung ist äusserlich grösser als bey den übrigen
Theilen. Da sie nun beyderseits durch Spiralgefässe
hervorgebracht werden, so sehen wir desto deut-
licher, dass der weibliche Theil so wenig als der
männliche ein besonderes Organ sey, und wenn
die genaue Verwandtschaft desselben mit dem
männlichen, uns durch diese Betrachtung recht
anschaulich wird, so finden wir jenen Gedanken
die Begattung eine Anastomose zu nennen passender
und einleuchtender.



§. 69.

Wir bemerken nehmlich daſs der Griffel auf
eben der Stufe des Wachsthums ſtehe, wo wir
die Staubgefäſse gefunden haben. Wir konnten
nehmlich beobachten, daſs die Staubgefäſse durch
eine Zuſammenziehung hervorgebracht werden;
die Griffel ſind oft in demſelbigen Falle, und wir
ſehen ſie, wenn auch nicht immer mit den Staub-
gefäſsen von gleichem Maſse, doch nur um
weniges länger oder kürzer gebildet. In vielen
Fällen ſieht der Griffel faſt einem Staubfaden ohne
Anthere gleich, und die Verwandtſchaft ihrer
Bildung iſt äuſserlich gröſser als bey den übrigen
Theilen. Da ſie nun beyderſeits durch Spiralgefäſse
hervorgebracht werden, ſo ſehen wir deſto deut-
licher, daſs der weibliche Theil ſo wenig als der
männliche ein beſonderes Organ ſey, und wenn
die genaue Verwandtſchaft deſſelben mit dem
männlichen, uns durch dieſe Betrachtung recht
anſchaulich wird, ſo finden wir jenen Gedanken
die Begattung eine Anaſtomoſe zu nennen paſſender
und einleuchtender.


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[45/0060] §. 69. Wir bemerken nehmlich daſs der Griffel auf eben der Stufe des Wachsthums ſtehe, wo wir die Staubgefäſse gefunden haben. Wir konnten nehmlich beobachten, daſs die Staubgefäſse durch eine Zuſammenziehung hervorgebracht werden; die Griffel ſind oft in demſelbigen Falle, und wir ſehen ſie, wenn auch nicht immer mit den Staub- gefäſsen von gleichem Maſse, doch nur um weniges länger oder kürzer gebildet. In vielen Fällen ſieht der Griffel faſt einem Staubfaden ohne Anthere gleich, und die Verwandtſchaft ihrer Bildung iſt äuſserlich gröſser als bey den übrigen Theilen. Da ſie nun beyderſeits durch Spiralgefäſse hervorgebracht werden, ſo ſehen wir deſto deut- licher, daſs der weibliche Theil ſo wenig als der männliche ein beſonderes Organ ſey, und wenn die genaue Verwandtſchaft deſſelben mit dem männlichen, uns durch dieſe Betrachtung recht anſchaulich wird, ſo finden wir jenen Gedanken die Begattung eine Anaſtomoſe zu nennen paſſender und einleuchtender.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/60>, abgerufen am 29.03.2024.