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Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

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nach und nach zusammen zieht und sich anpasst,
geben uns die drey verschiedenen Kreise verschie-
dengestalteter Samen der Calendel. Der äusserste
Kreis behält noch eine mit den Kelchblättern
verwandte Gestalt; nur dass eine, die Rippe
ausdehnende Samenanlage das Blatt krümmt, und
die Krümmung inwendig der Länge nach durch
ein Häutchen in zwey Theile abgesondert wird.
Der folgende Kreis hat sich schon mehr verändert,
die Breite des Blättchens und das Häutchen
haben sich gänzlich verlohren; dagegen ist die
Gestalt etwas weniger verlängert, die in dem
Rücken befindliche Samenanlage zeigt sich deut-
licher und die kleinen Erhöhungen auf derselben
sind stärker; diese beyden Reihen scheinen
entweder gar nicht, oder nur unvollkommen
befruchtet zu seyn. Auf sie folgt die dritte Samen-
reihe in ihrer ächten Gestalt stark gekrümmt,
und mit einem völlig angepassten, und in allen
seinen Striefen und Erhöhungen völlig ausge-
bildeten Involucro. Wir sehen hier abermals eine
gewaltsame Zusammenziehung ausgebreiteter,
blattähnlicher Theile, und zwar durch die innere
Kraft des Samens, wie wir oben durch die Kraft
der Anthere das Blumenblatt zusammengezogen
gesehen haben.



nach und nach zuſammen zieht und ſich anpaſst,
geben uns die drey verſchiedenen Kreiſe verſchie-
dengeſtalteter Samen der Calendel. Der äuſserſte
Kreis behält noch eine mit den Kelchblättern
verwandte Geſtalt; nur daſs eine, die Rippe
auſdehnende Samenanlage das Blatt krümmt, und
die Krümmung inwendig der Länge nach durch
ein Häutchen in zwey Theile abgeſondert wird.
Der folgende Kreis hat ſich ſchon mehr verändert,
die Breite des Blättchens und das Häutchen
haben ſich gänzlich verlohren; dagegen iſt die
Geſtalt etwas weniger verlängert, die in dem
Rücken befindliche Samenanlage zeigt ſich deut-
licher und die kleinen Erhöhungen auf derſelben
ſind ſtärker; dieſe beyden Reihen ſcheinen
entweder gar nicht, oder nur unvollkommen
befruchtet zu ſeyn. Auf ſie folgt die dritte Samen-
reihe in ihrer ächten Geſtalt ſtark gekrümmt,
und mit einem völlig angepaſsten, und in allen
ſeinen Striefen und Erhöhungen völlig ausge-
bildeten Involucro. Wir ſehen hier abermals eine
gewaltſame Zuſammenziehung ausgebreiteter,
blattähnlicher Theile, und zwar durch die innere
Kraft des Samens, wie wir oben durch die Kraft
der Anthere das Blumenblatt zuſammengezogen
geſehen haben.


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[56/0071] nach und nach zuſammen zieht und ſich anpaſst, geben uns die drey verſchiedenen Kreiſe verſchie- dengeſtalteter Samen der Calendel. Der äuſserſte Kreis behält noch eine mit den Kelchblättern verwandte Geſtalt; nur daſs eine, die Rippe auſdehnende Samenanlage das Blatt krümmt, und die Krümmung inwendig der Länge nach durch ein Häutchen in zwey Theile abgeſondert wird. Der folgende Kreis hat ſich ſchon mehr verändert, die Breite des Blättchens und das Häutchen haben ſich gänzlich verlohren; dagegen iſt die Geſtalt etwas weniger verlängert, die in dem Rücken befindliche Samenanlage zeigt ſich deut- licher und die kleinen Erhöhungen auf derſelben ſind ſtärker; dieſe beyden Reihen ſcheinen entweder gar nicht, oder nur unvollkommen befruchtet zu ſeyn. Auf ſie folgt die dritte Samen- reihe in ihrer ächten Geſtalt ſtark gekrümmt, und mit einem völlig angepaſsten, und in allen ſeinen Striefen und Erhöhungen völlig ausge- bildeten Involucro. Wir ſehen hier abermals eine gewaltſame Zuſammenziehung ausgebreiteter, blattähnlicher Theile, und zwar durch die innere Kraft des Samens, wie wir oben durch die Kraft der Anthere das Blumenblatt zuſammengezogen geſehen haben.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/71>, abgerufen am 23.04.2024.