Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
LXII.
Fortsetzung des einundsechzigsten
Stücks.

Ich kam gar auf die Gedanken, er hätte
diese alten Schulden vormals etwan in
Branntwein, oder beym Spiel gemacht. Wie,
sagte ich, lieber Mann! das ist doch wohl
nicht so ein Jugendstückchen, davor ihr jetzt
noch büßen müßt?

Die Miene vergesse ich in meinem Leben
nicht, mit der mich der Mann ansah. Seine
Unschuld sprach aus seinen Augen, und es
dauerte mich, daß ichs gesagt hatte.

Ach lieber, lieber Herr! sagte er: Ihr
Wort in Ehren. Aber Sie denken wohl, ich
sey sonst ein lüderlicher Kerl gewesen, der ge-
soffen und gespielt habe -- Davor hat mich
der liebe Gott wohl bewahrt. Nein! meine
alte Schuld ist von ganz anderer Art. Und
Sie sollens gleich hören, lieber Herr!

Nun
LXII.
Fortſetzung des einundſechzigſten
Stuͤcks.

Ich kam gar auf die Gedanken, er haͤtte
dieſe alten Schulden vormals etwan in
Branntwein, oder beym Spiel gemacht. Wie,
ſagte ich, lieber Mann! das iſt doch wohl
nicht ſo ein Jugendſtuͤckchen, davor ihr jetzt
noch buͤßen muͤßt?

Die Miene vergeſſe ich in meinem Leben
nicht, mit der mich der Mann anſah. Seine
Unſchuld ſprach aus ſeinen Augen, und es
dauerte mich, daß ichs geſagt hatte.

Ach lieber, lieber Herr! ſagte er: Ihr
Wort in Ehren. Aber Sie denken wohl, ich
ſey ſonſt ein luͤderlicher Kerl geweſen, der ge-
ſoffen und geſpielt habe — Davor hat mich
der liebe Gott wohl bewahrt. Nein! meine
alte Schuld iſt von ganz anderer Art. Und
Sie ſollens gleich hoͤren, lieber Herr!

Nun
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0338" n="316"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq">LXII.</hi><lb/>
Fort&#x017F;etzung des <hi rendition="#fr">einund&#x017F;echzig&#x017F;ten</hi><lb/>
Stu&#x0364;cks.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>ch kam gar auf die Gedanken, er ha&#x0364;tte<lb/>
die&#x017F;e alten Schulden vormals etwan in<lb/>
Branntwein, oder beym Spiel gemacht. Wie,<lb/>
&#x017F;agte ich, lieber Mann! das i&#x017F;t doch wohl<lb/>
nicht &#x017F;o ein Jugend&#x017F;tu&#x0364;ckchen, davor ihr jetzt<lb/>
noch bu&#x0364;ßen mu&#x0364;ßt?</p><lb/>
        <p>Die Miene verge&#x017F;&#x017F;e ich in meinem Leben<lb/>
nicht, mit der mich der Mann an&#x017F;ah. Seine<lb/>
Un&#x017F;chuld &#x017F;prach aus &#x017F;einen Augen, und es<lb/>
dauerte mich, daß ichs ge&#x017F;agt hatte.</p><lb/>
        <p>Ach lieber, lieber Herr! &#x017F;agte er: Ihr<lb/>
Wort in Ehren. Aber Sie denken wohl, ich<lb/>
&#x017F;ey &#x017F;on&#x017F;t ein lu&#x0364;derlicher Kerl gewe&#x017F;en, der ge-<lb/>
&#x017F;offen und ge&#x017F;pielt habe &#x2014; Davor hat mich<lb/>
der liebe Gott wohl bewahrt. Nein! meine<lb/><hi rendition="#fr">alte Schuld</hi> i&#x017F;t von ganz anderer Art. Und<lb/>
Sie &#x017F;ollens gleich ho&#x0364;ren, lieber Herr!</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Nun</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0338] LXII. Fortſetzung des einundſechzigſten Stuͤcks. Ich kam gar auf die Gedanken, er haͤtte dieſe alten Schulden vormals etwan in Branntwein, oder beym Spiel gemacht. Wie, ſagte ich, lieber Mann! das iſt doch wohl nicht ſo ein Jugendſtuͤckchen, davor ihr jetzt noch buͤßen muͤßt? Die Miene vergeſſe ich in meinem Leben nicht, mit der mich der Mann anſah. Seine Unſchuld ſprach aus ſeinen Augen, und es dauerte mich, daß ichs geſagt hatte. Ach lieber, lieber Herr! ſagte er: Ihr Wort in Ehren. Aber Sie denken wohl, ich ſey ſonſt ein luͤderlicher Kerl geweſen, der ge- ſoffen und geſpielt habe — Davor hat mich der liebe Gott wohl bewahrt. Nein! meine alte Schuld iſt von ganz anderer Art. Und Sie ſollens gleich hoͤren, lieber Herr! Nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/338
Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/338>, abgerufen am 16.04.2024.