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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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einen Bach, auf dem sie hinunter schwamm, und
das ging geschwinder als vor dem Wagen. Ein
paar Stunden darnach stieg der Wirth aus den
Federn, wusch sich und wollte sich am Hand-
tuch abtrocknen, da zerriß er sich das Gesicht
mit der Stecknadel, dann ging er in die Küche
und wollte sich eine Pfeife anstecken, wie er aber
an den Heerd kam, sprangen ihm die Eierscha-
len in die Augen. "Heute Morgen trifft Alles
meinen Kopf," sagte er, und setzte sich ärger-
lich in seinen Großvaterstuhl -- auweh! da ward
er noch schlimmer getroffen von der Nähnadel
und nicht an den Kopf. Da ward er vollends
bös' und hatte Verdacht auf die Gäste, die so
spät gestern Abend gekommen waren, und wie er
ging und sich nach ihnen umsah, waren sie fort.
Da that er einen Schwur, kein Lumpengesindel
mehr in sein Haus zu nehmen, das viel ver-
zehrt, nichts bezahlt und obendrein zum Dank
Schabernack treibt.

11.
Brüderchen und Schwesterchen.

Brüderchen nahm sein Schwesterchen an der
Hand und sagte: "seit die Mutter todt ist, ha-
ben wir keine gute Stunde mehr, die Stiefmut-
ter schlägt uns alle Tage, und wenn wir zu ihr
kommen, stößt sie uns mit dem Fuß fort; sie

Kindermärchen. C

einen Bach, auf dem ſie hinunter ſchwamm, und
das ging geſchwinder als vor dem Wagen. Ein
paar Stunden darnach ſtieg der Wirth aus den
Federn, wuſch ſich und wollte ſich am Hand-
tuch abtrocknen, da zerriß er ſich das Geſicht
mit der Stecknadel, dann ging er in die Kuͤche
und wollte ſich eine Pfeife anſtecken, wie er aber
an den Heerd kam, ſprangen ihm die Eierſcha-
len in die Augen. „Heute Morgen trifft Alles
meinen Kopf,“ ſagte er, und ſetzte ſich aͤrger-
lich in ſeinen Großvaterſtuhl — auweh! da ward
er noch ſchlimmer getroffen von der Naͤhnadel
und nicht an den Kopf. Da ward er vollends
boͤſ' und hatte Verdacht auf die Gaͤſte, die ſo
ſpaͤt geſtern Abend gekommen waren, und wie er
ging und ſich nach ihnen umſah, waren ſie fort.
Da that er einen Schwur, kein Lumpengeſindel
mehr in ſein Haus zu nehmen, das viel ver-
zehrt, nichts bezahlt und obendrein zum Dank
Schabernack treibt.

11.
Bruͤderchen und Schweſterchen.

Bruͤderchen nahm ſein Schweſterchen an der
Hand und ſagte: „ſeit die Mutter todt iſt, ha-
ben wir keine gute Stunde mehr, die Stiefmut-
ter ſchlaͤgt uns alle Tage, und wenn wir zu ihr
kommen, ſtoͤßt ſie uns mit dem Fuß fort; ſie

Kindermärchen. C
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[33/0067] einen Bach, auf dem ſie hinunter ſchwamm, und das ging geſchwinder als vor dem Wagen. Ein paar Stunden darnach ſtieg der Wirth aus den Federn, wuſch ſich und wollte ſich am Hand- tuch abtrocknen, da zerriß er ſich das Geſicht mit der Stecknadel, dann ging er in die Kuͤche und wollte ſich eine Pfeife anſtecken, wie er aber an den Heerd kam, ſprangen ihm die Eierſcha- len in die Augen. „Heute Morgen trifft Alles meinen Kopf,“ ſagte er, und ſetzte ſich aͤrger- lich in ſeinen Großvaterſtuhl — auweh! da ward er noch ſchlimmer getroffen von der Naͤhnadel und nicht an den Kopf. Da ward er vollends boͤſ' und hatte Verdacht auf die Gaͤſte, die ſo ſpaͤt geſtern Abend gekommen waren, und wie er ging und ſich nach ihnen umſah, waren ſie fort. Da that er einen Schwur, kein Lumpengeſindel mehr in ſein Haus zu nehmen, das viel ver- zehrt, nichts bezahlt und obendrein zum Dank Schabernack treibt. 11. Bruͤderchen und Schweſterchen. Bruͤderchen nahm ſein Schweſterchen an der Hand und ſagte: „ſeit die Mutter todt iſt, ha- ben wir keine gute Stunde mehr, die Stiefmut- ter ſchlaͤgt uns alle Tage, und wenn wir zu ihr kommen, ſtoͤßt ſie uns mit dem Fuß fort; ſie Kindermärchen. C

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/67>, abgerufen am 19.04.2024.