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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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myn hennetjen. Wenn der Tannhäuser II. 67.
sein Gesinde Zadel, Zweifel, Schade und
Unbereit nennt, so ist das schon der Uebergang
der epischen Namen in die bewußte Allegorie, wie
z. B. in dem Spruch: Vielborgen hat eine Stief-
mutter, heißt: Verkaufdeingut, die gebiert eine
Tochter heißt: Gibswohlfeil, dieselbige Tochter
hat ein Bruder der heißt: zum Thorhinaus. In
der Mitte steht noch das bekannte: "Sparebrot
(Vater) ist tod, Schmalhans heißt der Küchen-
meister." Einzelne Namen, wie der des Weibes
Zeitvertreib und Leidvertreib lassen sich in
vielen alten Beyspielen darthun, z. B. Morolf 59.
1145. Auch der "Ruprecht mein Knecht" aus dem
Wartburger Krieg gehört hierher Vergl. die Na-
men, die in der schönen Katrinelje vorkommen.

55.
Das Lämmchen und Fischchen.

(Aus dem Fürstenthum Lippe.) Das Ende wohl
unvollständig und es schwebte nur vor: die Stief-
mutter glaubt das Lämmchen gegessen zu haben und
verlangt nun vom Koch auch noch das Fischlein zu-
bereitet. Der Koch aber tödtet es auch nicht, wie es
anfängt zu sprechen und zu klagen, bringts zum
Lämmchen und täuscht die Stiefmutter wieder, deren
Bosheit dem Vater zu Ohren kommt und die bestraft
wird. S. die weiße und schwarze Braut (No. 49.)
die Anmerkung dazu -- der Eingang vom Abzäh-
len kommt auch in dem Lied der Gräfin von Orla-
münde (im Wunderhorn) vor.

56.
Simeliberg.

Merkwürdig, daß dieses im Münsterland erzählte
Märchen auch am Harz von der Dummburg Otmar
S 235 -- 18. oder Hochburg vorkommt und genau
mit dem orientalischen von den 40 Räubern ein-
stimmt, (1001. No. VI. 345.) wo sogar der Felsen

myn hennetjen. Wenn der Tannhaͤuſer II. 67.
ſein Geſinde Zadel, Zweifel, Schade und
Unbereit nennt, ſo iſt das ſchon der Uebergang
der epiſchen Namen in die bewußte Allegorie, wie
z. B. in dem Spruch: Vielborgen hat eine Stief-
mutter, heißt: Verkaufdeingut, die gebiert eine
Tochter heißt: Gibswohlfeil, dieſelbige Tochter
hat ein Bruder der heißt: zum Thorhinaus. In
der Mitte ſteht noch das bekannte: „Sparebrot
(Vater) iſt tod, Schmalhans heißt der Kuͤchen-
meiſter.“ Einzelne Namen, wie der des Weibes
Zeitvertreib und Leidvertreib laſſen ſich in
vielen alten Beyſpielen darthun, z. B. Morolf 59.
1145. Auch der „Ruprecht mein Knecht“ aus dem
Wartburger Krieg gehoͤrt hierher Vergl. die Na-
men, die in der ſchoͤnen Katrinelje vorkommen.

55.
Das Laͤmmchen und Fiſchchen.

(Aus dem Fuͤrſtenthum Lippe.) Das Ende wohl
unvollſtaͤndig und es ſchwebte nur vor: die Stief-
mutter glaubt das Laͤmmchen gegeſſen zu haben und
verlangt nun vom Koch auch noch das Fiſchlein zu-
bereitet. Der Koch aber toͤdtet es auch nicht, wie es
anfaͤngt zu ſprechen und zu klagen, bringts zum
Laͤmmchen und taͤuſcht die Stiefmutter wieder, deren
Bosheit dem Vater zu Ohren kommt und die beſtraft
wird. S. die weiße und ſchwarze Braut (No. 49.)
die Anmerkung dazu — der Eingang vom Abzaͤh-
len kommt auch in dem Lied der Graͤfin von Orla-
muͤnde (im Wunderhorn) vor.

56.
Simeliberg.

Merkwuͤrdig, daß dieſes im Muͤnſterland erzaͤhlte
Maͤrchen auch am Harz von der Dummburg Otmar
S 235 — 18. oder Hochburg vorkommt und genau
mit dem orientaliſchen von den 40 Raͤubern ein-
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[XXXXII[XLII]/0361] myn hennetjen. Wenn der Tannhaͤuſer II. 67. ſein Geſinde Zadel, Zweifel, Schade und Unbereit nennt, ſo iſt das ſchon der Uebergang der epiſchen Namen in die bewußte Allegorie, wie z. B. in dem Spruch: Vielborgen hat eine Stief- mutter, heißt: Verkaufdeingut, die gebiert eine Tochter heißt: Gibswohlfeil, dieſelbige Tochter hat ein Bruder der heißt: zum Thorhinaus. In der Mitte ſteht noch das bekannte: „Sparebrot (Vater) iſt tod, Schmalhans heißt der Kuͤchen- meiſter.“ Einzelne Namen, wie der des Weibes Zeitvertreib und Leidvertreib laſſen ſich in vielen alten Beyſpielen darthun, z. B. Morolf 59. 1145. Auch der „Ruprecht mein Knecht“ aus dem Wartburger Krieg gehoͤrt hierher Vergl. die Na- men, die in der ſchoͤnen Katrinelje vorkommen. 55. Das Laͤmmchen und Fiſchchen. (Aus dem Fuͤrſtenthum Lippe.) Das Ende wohl unvollſtaͤndig und es ſchwebte nur vor: die Stief- mutter glaubt das Laͤmmchen gegeſſen zu haben und verlangt nun vom Koch auch noch das Fiſchlein zu- bereitet. Der Koch aber toͤdtet es auch nicht, wie es anfaͤngt zu ſprechen und zu klagen, bringts zum Laͤmmchen und taͤuſcht die Stiefmutter wieder, deren Bosheit dem Vater zu Ohren kommt und die beſtraft wird. S. die weiße und ſchwarze Braut (No. 49.) die Anmerkung dazu — der Eingang vom Abzaͤh- len kommt auch in dem Lied der Graͤfin von Orla- muͤnde (im Wunderhorn) vor. 56. Simeliberg. Merkwuͤrdig, daß dieſes im Muͤnſterland erzaͤhlte Maͤrchen auch am Harz von der Dummburg Otmar S 235 — 18. oder Hochburg vorkommt und genau mit dem orientaliſchen von den 40 Raͤubern ein- ſtimmt, (1001. No. VI. 345.) wo ſogar der Felſen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. XXXXII[XLII]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/361>, abgerufen am 28.03.2024.