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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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Aber die dicke Trine war nicht minder faul. 'Lieber Heinz,' sprach sie eines Tages, 'warum sollen wir uns das Leben ohne Noth sauer machen und unsere beste Jugendzeit verkümmern? Jst es nicht besser, wir geben die beiden Ziegen, die jeden Morgen einen mit ihrem Meckern im besten Schlafe stören, unserm Nachbar und der gibt uns einen Bienenstock dafür? den Bienenstock stellen wir an einen sonnigen Platz hinter das Haus und bekümmern uns weiter nicht darum. Die Bienen brauchen nicht gehütet und nicht ins Feld getrieben zu werden: sie fliegen aus, finden den Weg nach Haus von selbst wieder und sammeln Honig ohne daß es uns die geringste Mühe macht.' 'Du hast wie eine verständige Frau gesprochen' antwortete Heinz, 'deinen Vorschlag wollen wir ohne Zaudern ausführen: außerdem schmeckt und nährt der Honig besser als die Ziegenmilch und läßt sich auch länger aufbewahren.'

Der Nachbar gab für die beiden Ziegen gerne einen Bienenstock. Die Bienen flogen unermüdlich vom frühen Morgen bis zum späten Abend aus und ein, und füllten den Stock mit dem schönsten Honig, so daß Heinz im Herbst einen ganzen Krug voll heraus nehmen konnte.

Sie stellten den Krug auf ein Brett, das oben an der Wand in ihrer Schlafkammer befestigt war, und weil sie fürchteten er könnte ihnen gestohlen werden oder die Mäuse könnten darüber gerathen, so holte Trine einen starken Haselstock herbei und legte ihn neben ihr Bett, damit sie ihn, ohne unnöthigerweise aufzustehen, mit der Hand erreichen und die ungebetenen Gäste von dem Bette aus verjagen könnte.

Der faule Heinz verließ das Bett nicht gerne vor Mittag: 'wer früh aufsteht,' sprach er, 'sein Gut verzehrt.' Eines Morgens als er so am hellen Tage noch in den Federn lag und von dem langen Schlaf ausruhte, sprach er zu seiner Frau 'die Weiber lieben die Süßigkeit, und du naschest von dem Honig, es ist besser, ehe

Aber die dicke Trine war nicht minder faul. ‘Lieber Heinz,’ sprach sie eines Tages, ‘warum sollen wir uns das Leben ohne Noth sauer machen und unsere beste Jugendzeit verkümmern? Jst es nicht besser, wir geben die beiden Ziegen, die jeden Morgen einen mit ihrem Meckern im besten Schlafe stören, unserm Nachbar und der gibt uns einen Bienenstock dafür? den Bienenstock stellen wir an einen sonnigen Platz hinter das Haus und bekümmern uns weiter nicht darum. Die Bienen brauchen nicht gehütet und nicht ins Feld getrieben zu werden: sie fliegen aus, finden den Weg nach Haus von selbst wieder und sammeln Honig ohne daß es uns die geringste Mühe macht.’ ‘Du hast wie eine verständige Frau gesprochen’ antwortete Heinz, ‘deinen Vorschlag wollen wir ohne Zaudern ausführen: außerdem schmeckt und nährt der Honig besser als die Ziegenmilch und läßt sich auch länger aufbewahren.’

Der Nachbar gab für die beiden Ziegen gerne einen Bienenstock. Die Bienen flogen unermüdlich vom frühen Morgen bis zum späten Abend aus und ein, und füllten den Stock mit dem schönsten Honig, so daß Heinz im Herbst einen ganzen Krug voll heraus nehmen konnte.

Sie stellten den Krug auf ein Brett, das oben an der Wand in ihrer Schlafkammer befestigt war, und weil sie fürchteten er könnte ihnen gestohlen werden oder die Mäuse könnten darüber gerathen, so holte Trine einen starken Haselstock herbei und legte ihn neben ihr Bett, damit sie ihn, ohne unnöthigerweise aufzustehen, mit der Hand erreichen und die ungebetenen Gäste von dem Bette aus verjagen könnte.

Der faule Heinz verließ das Bett nicht gerne vor Mittag: ‘wer früh aufsteht,’ sprach er, ‘sein Gut verzehrt.’ Eines Morgens als er so am hellen Tage noch in den Federn lag und von dem langen Schlaf ausruhte, sprach er zu seiner Frau ‘die Weiber lieben die Süßigkeit, und du naschest von dem Honig, es ist besser, ehe

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[314/0326] Aber die dicke Trine war nicht minder faul. ‘Lieber Heinz,’ sprach sie eines Tages, ‘warum sollen wir uns das Leben ohne Noth sauer machen und unsere beste Jugendzeit verkümmern? Jst es nicht besser, wir geben die beiden Ziegen, die jeden Morgen einen mit ihrem Meckern im besten Schlafe stören, unserm Nachbar und der gibt uns einen Bienenstock dafür? den Bienenstock stellen wir an einen sonnigen Platz hinter das Haus und bekümmern uns weiter nicht darum. Die Bienen brauchen nicht gehütet und nicht ins Feld getrieben zu werden: sie fliegen aus, finden den Weg nach Haus von selbst wieder und sammeln Honig ohne daß es uns die geringste Mühe macht.’ ‘Du hast wie eine verständige Frau gesprochen’ antwortete Heinz, ‘deinen Vorschlag wollen wir ohne Zaudern ausführen: außerdem schmeckt und nährt der Honig besser als die Ziegenmilch und läßt sich auch länger aufbewahren.’ Der Nachbar gab für die beiden Ziegen gerne einen Bienenstock. Die Bienen flogen unermüdlich vom frühen Morgen bis zum späten Abend aus und ein, und füllten den Stock mit dem schönsten Honig, so daß Heinz im Herbst einen ganzen Krug voll heraus nehmen konnte. Sie stellten den Krug auf ein Brett, das oben an der Wand in ihrer Schlafkammer befestigt war, und weil sie fürchteten er könnte ihnen gestohlen werden oder die Mäuse könnten darüber gerathen, so holte Trine einen starken Haselstock herbei und legte ihn neben ihr Bett, damit sie ihn, ohne unnöthigerweise aufzustehen, mit der Hand erreichen und die ungebetenen Gäste von dem Bette aus verjagen könnte. Der faule Heinz verließ das Bett nicht gerne vor Mittag: ‘wer früh aufsteht,’ sprach er, ‘sein Gut verzehrt.’ Eines Morgens als er so am hellen Tage noch in den Federn lag und von dem langen Schlaf ausruhte, sprach er zu seiner Frau ‘die Weiber lieben die Süßigkeit, und du naschest von dem Honig, es ist besser, ehe

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/326>, abgerufen am 29.03.2024.