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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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regelmäßig abgetheilt 128b). In den Volksliedern erscheint
sie vielnamig, Bruder Veit, Benzenauer, Hildebrand, Ro-
land 129), Wilhelmus von Nassauen u. s. w.

Fast noch merkwürdiger ist die Flammweis, welche un-
ter spätern Meistern nicht minder üblich, (ebenfalls von dem
Folz einige Lieder darin) aber doch noch bekannter unter dem
Namen: Herzog Ernst oder Bernerton geworden ist, weil die
Volksdichter sich seiner gern zu erzählenden langen Liedern be-
dient haben. Sein hohes Alter würde geleugnet worden seyn,
wenn das Lied von Ecken Ausfahrt nicht schon in einer H. S.
des dreizehnten Jahrhunderts stünde 130) Vielleicht, daß sol-
che deutsche Volkslieder vor dieser Zeit in der zwölfreimigen
Strophenform, welche in altenglischer und dänischer Poesie so
häufig vorkommt, abgefaßt und später in unsern Meisterton
umgedichtet worden. Die sechs ersten Zeilen konnte man näm-
lich ungeändert lassen, nur die zweite Hälfte ward zu einem
siebenzeiligen Abgesang. Einiges, was dieser Vermuthung zu
Hülfe kommt, werde ich anderswo mittheilen.

II. Erzählende und Spruchgedichte.

Verbindung der Poesie mit Gesang ist uralt und vermuth-
lich von Anfang her vorhanden; gleichwohl scheint man auch
schon in früher Zeit längere Erzählungen ohne dieses Medium

128b) Außer den bereits oben S. 48. gegebenen Beispielen kann auch
der Canzler 2. 238. angeführt werden, der jedoch die ganze Weise
als bloßen Abgesang braucht, welche Art der Zusammensetzung
mehrmals statt gefunden hat.
129) Möchte doch dieses deutsche Lied von Roland irgend aufgefun-
den werden! Cf. Koch 2. 87.
130) Docen Misc. 2. 194. Cf. über diesen Ton: N. lit Anz. 1808.
Col. 100. Altd. Mus. 1. 142. 284. 285. Adelungs Nacht.
2. 304. 322. Ein Lied im W. H. 2. 145. Georg Schiller
hat ihn etwas ausgeputzt und seinen Hofton genannt.

regelmaͤßig abgetheilt 128b). In den Volksliedern erſcheint
ſie vielnamig, Bruder Veit, Benzenauer, Hildebrand, Ro-
land 129), Wilhelmus von Naſſauen u. ſ. w.

Faſt noch merkwuͤrdiger iſt die Flammweis, welche un-
ter ſpaͤtern Meiſtern nicht minder uͤblich, (ebenfalls von dem
Folz einige Lieder darin) aber doch noch bekannter unter dem
Namen: Herzog Ernſt oder Bernerton geworden iſt, weil die
Volksdichter ſich ſeiner gern zu erzaͤhlenden langen Liedern be-
dient haben. Sein hohes Alter wuͤrde geleugnet worden ſeyn,
wenn das Lied von Ecken Ausfahrt nicht ſchon in einer H. S.
des dreizehnten Jahrhunderts ſtuͤnde 130) Vielleicht, daß ſol-
che deutſche Volkslieder vor dieſer Zeit in der zwoͤlfreimigen
Strophenform, welche in altengliſcher und daͤniſcher Poeſie ſo
haͤufig vorkommt, abgefaßt und ſpaͤter in unſern Meiſterton
umgedichtet worden. Die ſechs erſten Zeilen konnte man naͤm-
lich ungeaͤndert laſſen, nur die zweite Haͤlfte ward zu einem
ſiebenzeiligen Abgeſang. Einiges, was dieſer Vermuthung zu
Huͤlfe kommt, werde ich anderswo mittheilen.

II. Erzaͤhlende und Spruchgedichte.

Verbindung der Poeſie mit Geſang iſt uralt und vermuth-
lich von Anfang her vorhanden; gleichwohl ſcheint man auch
ſchon in fruͤher Zeit laͤngere Erzaͤhlungen ohne dieſes Medium

128b) Außer den bereits oben S. 48. gegebenen Beiſpielen kann auch
der Canzler 2. 238. angefuͤhrt werden, der jedoch die ganze Weiſe
als bloßen Abgeſang braucht, welche Art der Zuſammenſetzung
mehrmals ſtatt gefunden hat.
129) Moͤchte doch dieſes deutſche Lied von Roland irgend aufgefun-
den werden! Cf. Koch 2. 87.
130) Docen Miſc. 2. 194. Cf. uͤber dieſen Ton: N. lit Anz. 1808.
Col. 100. Altd. Muſ. 1. 142. 284. 285. Adelungs Nacht.
2. 304. 322. Ein Lied im W. H. 2. 145. Georg Schiller
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[136/0146] regelmaͤßig abgetheilt 128b). In den Volksliedern erſcheint ſie vielnamig, Bruder Veit, Benzenauer, Hildebrand, Ro- land 129), Wilhelmus von Naſſauen u. ſ. w. Faſt noch merkwuͤrdiger iſt die Flammweis, welche un- ter ſpaͤtern Meiſtern nicht minder uͤblich, (ebenfalls von dem Folz einige Lieder darin) aber doch noch bekannter unter dem Namen: Herzog Ernſt oder Bernerton geworden iſt, weil die Volksdichter ſich ſeiner gern zu erzaͤhlenden langen Liedern be- dient haben. Sein hohes Alter wuͤrde geleugnet worden ſeyn, wenn das Lied von Ecken Ausfahrt nicht ſchon in einer H. S. des dreizehnten Jahrhunderts ſtuͤnde 130) Vielleicht, daß ſol- che deutſche Volkslieder vor dieſer Zeit in der zwoͤlfreimigen Strophenform, welche in altengliſcher und daͤniſcher Poeſie ſo haͤufig vorkommt, abgefaßt und ſpaͤter in unſern Meiſterton umgedichtet worden. Die ſechs erſten Zeilen konnte man naͤm- lich ungeaͤndert laſſen, nur die zweite Haͤlfte ward zu einem ſiebenzeiligen Abgeſang. Einiges, was dieſer Vermuthung zu Huͤlfe kommt, werde ich anderswo mittheilen. II. Erzaͤhlende und Spruchgedichte. Verbindung der Poeſie mit Geſang iſt uralt und vermuth- lich von Anfang her vorhanden; gleichwohl ſcheint man auch ſchon in fruͤher Zeit laͤngere Erzaͤhlungen ohne dieſes Medium 128b) Außer den bereits oben S. 48. gegebenen Beiſpielen kann auch der Canzler 2. 238. angefuͤhrt werden, der jedoch die ganze Weiſe als bloßen Abgeſang braucht, welche Art der Zuſammenſetzung mehrmals ſtatt gefunden hat. 129) Moͤchte doch dieſes deutſche Lied von Roland irgend aufgefun- den werden! Cf. Koch 2. 87. 130) Docen Miſc. 2. 194. Cf. uͤber dieſen Ton: N. lit Anz. 1808. Col. 100. Altd. Muſ. 1. 142. 284. 285. Adelungs Nacht. 2. 304. 322. Ein Lied im W. H. 2. 145. Georg Schiller hat ihn etwas ausgeputzt und ſeinen Hofton genannt.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/146>, abgerufen am 28.03.2024.