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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
sagte er/ du bist ein Gesell darzu/ die Heiligen ohne
göttliche Verhängnus/ etc. mehrers habe ich nicht
verstanden/ dann seine Näherung ein solch Grausen
und Schrecken in mir erregte/ daß ich deß Ampts
meiner Sinne beraubt wurde/ und dorthin in Ohn-
macht nider sanck.

Das VII. Capitel.

WAs gestalten mir wieder zu mir selbst geholffen
worden/ weiß ich nicht/ aber dieses wol/ daß
der Alte meinen Kopff in seinem Schos/ und vornen
meine Juppen geöffnet gehabt/ als ich mich wieder
erholete/ da ich den Einsidler so nahe bey mir sahe/
fieng ich ein solch grausam Geschrey an/ als ob er
mir im selben Augenblick das Hertz auß dem Leib hät-
te reissen wollen: Er aber sagte/ mein Sohn/ schweig/
ich thue dir nichts/ sey zu frieden/ etc. je mehr er mich
aber tröstete/ und mir liebkoste: Je mehr ich schrye/
O du frisst mich! O du frisst mich! du bist der Wolf/
und wilst mich fressen: Ey ja wol nein/ mein Sohn/
sagte er/ sey zu frieden/ ich friß dich nicht. Diß Ge-
fecht währete lang/ biß ich mich endlich so weit liesse
weisen/ mit ihm in seine Hütten zu gehen/ darin war
die Armut selbst Hofmeisterin/ der Hunger Koch/
und der Mangel Küchenmeister/ da wurde mein Ma-
gen mit einem Gemüß und Trunck Wassers gelabt/
und mein Gemüt/ so gantz verwirret war/ durch deß
Alten tröstliche Freundligkeit wieder auffgericht und
zu recht gebracht: Derowegen ließ ich mich durch
die Anreitzung deß süssen Schlaffes leicht bethören/
der Natur solche Schuldigkeit abzulegen. Der Ein-
sidel merckte meine Notdurfft/ darumb liesse er mir
den Platz allein in seiner Hütten/ weil nur einer darin

ligen
B ij

Erſtes Buch.
ſagte er/ du biſt ein Geſell darzu/ die Heiligen ohne
goͤttliche Verhaͤngnus/ ꝛc. mehrers habe ich nicht
verſtanden/ dann ſeine Naͤherung ein ſolch Grauſen
und Schrecken in mir erꝛegte/ daß ich deß Ampts
meiner Sinne beraubt wurde/ und dorthin in Ohn-
macht nider ſanck.

Das VII. Capitel.

WAs geſtalten mir wieder zu mir ſelbſt geholffen
worden/ weiß ich nicht/ aber dieſes wol/ daß
der Alte meinen Kopff in ſeinem Schos/ und vornen
meine Juppen geoͤffnet gehabt/ als ich mich wieder
erholete/ da ich den Einſidler ſo nahe bey mir ſahe/
fieng ich ein ſolch grauſam Geſchrey an/ als ob er
mir im ſelben Augenblick das Hertz auß dem Leib haͤt-
te reiſſen wollen: Er aber ſagte/ mein Sohn/ ſchweig/
ich thue dir nichts/ ſey zu frieden/ ꝛc. je mehr er mich
aber troͤſtete/ und mir liebkoſte: Je mehr ich ſchrye/
O du friſſt mich! O du friſſt mich! du biſt der Wolf/
und wilſt mich freſſen: Ey ja wol nein/ mein Sohn/
ſagte er/ ſey zu frieden/ ich friß dich nicht. Diß Ge-
fecht waͤhrete lang/ biß ich mich endlich ſo weit lieſſe
weiſen/ mit ihm in ſeine Huͤtten zu gehen/ darin war
die Armut ſelbſt Hofmeiſterin/ der Hunger Koch/
und der Mangel Kuͤchenmeiſter/ da wurde mein Ma-
gen mit einem Gemuͤß und Trunck Waſſers gelabt/
und mein Gemuͤt/ ſo gantz verwirꝛet war/ durch deß
Alten troͤſtliche Freundligkeit wieder auffgericht und
zu recht gebracht: Derowegen ließ ich mich durch
die Anreitzung deß ſuͤſſen Schlaffes leicht bethoͤren/
der Natur ſolche Schuldigkeit abzulegen. Der Ein-
ſidel merckte meine Notdurfft/ darumb lieſſe er mir
den Platz allein in ſeiner Huͤtten/ weil nur einer darin

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[25/0031] Erſtes Buch. ſagte er/ du biſt ein Geſell darzu/ die Heiligen ohne goͤttliche Verhaͤngnus/ ꝛc. mehrers habe ich nicht verſtanden/ dann ſeine Naͤherung ein ſolch Grauſen und Schrecken in mir erꝛegte/ daß ich deß Ampts meiner Sinne beraubt wurde/ und dorthin in Ohn- macht nider ſanck. Das VII. Capitel. WAs geſtalten mir wieder zu mir ſelbſt geholffen worden/ weiß ich nicht/ aber dieſes wol/ daß der Alte meinen Kopff in ſeinem Schos/ und vornen meine Juppen geoͤffnet gehabt/ als ich mich wieder erholete/ da ich den Einſidler ſo nahe bey mir ſahe/ fieng ich ein ſolch grauſam Geſchrey an/ als ob er mir im ſelben Augenblick das Hertz auß dem Leib haͤt- te reiſſen wollen: Er aber ſagte/ mein Sohn/ ſchweig/ ich thue dir nichts/ ſey zu frieden/ ꝛc. je mehr er mich aber troͤſtete/ und mir liebkoſte: Je mehr ich ſchrye/ O du friſſt mich! O du friſſt mich! du biſt der Wolf/ und wilſt mich freſſen: Ey ja wol nein/ mein Sohn/ ſagte er/ ſey zu frieden/ ich friß dich nicht. Diß Ge- fecht waͤhrete lang/ biß ich mich endlich ſo weit lieſſe weiſen/ mit ihm in ſeine Huͤtten zu gehen/ darin war die Armut ſelbſt Hofmeiſterin/ der Hunger Koch/ und der Mangel Kuͤchenmeiſter/ da wurde mein Ma- gen mit einem Gemuͤß und Trunck Waſſers gelabt/ und mein Gemuͤt/ ſo gantz verwirꝛet war/ durch deß Alten troͤſtliche Freundligkeit wieder auffgericht und zu recht gebracht: Derowegen ließ ich mich durch die Anreitzung deß ſuͤſſen Schlaffes leicht bethoͤren/ der Natur ſolche Schuldigkeit abzulegen. Der Ein- ſidel merckte meine Notdurfft/ darumb lieſſe er mir den Platz allein in ſeiner Huͤtten/ weil nur einer darin ligen B ij

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/31>, abgerufen am 28.03.2024.