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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Drittes Buch.
Bier heissen. Uber das vernam ich von seinem Teut-
schen Knecht/ daß es Sommerszeit noch schlimmer
hergehe/ dann da sey das Brod schimlich/ das Fleisch
voller Würm/ und ihre beste Speisen wäre irgends
zu Mittags ein paar Rettig/ und auff den Abend eine
Hand voll Salat. Jch fragte/ warumb er dann bey
dem Filtz bleibe? da antwort er mir/ daß er die mei-
ste Zeit auff der Räis seye/ und derhalben mehr auff
der Räisenden Trinckgelter/ als seinen Schimmel-
Juden bedacht seyn müste; er getraute seinem Weib
und Kindern nicht in Keller/ weil er ihm selbsten den
Tropff-Wein kaum gönnete/ und seye in Summa
ein solcher Geld-Wolff/ dergleichen kaum noch einer
zu finden/ das so ich bißher gesehen/ sey noch nichts/
wenn ich noch ein Weil da verbliebe/ würde ich ge-
wahr nehmen/ daß er sich nicht schäme/ einen Esel
umb ein Fettmönch zu schinden. Einsmals brachte
er sechs Pfund Sültzen oder Rindern Kuttlen heim/
das setzte er in seinen Speiß Keller/ und weil zu sei-
ner Kinder grossem Glunck das Tagfenster offen stund/
banden sie ein Eßgabel an einen Stecken/ und angel-
ten damit alle Kuttelfleck herauß/ welche sie also halb
gekocht in grosser Eyl verschlangen/ und vorgaben/
die Katz hätte es gethan; Aber der Erbsenzehler wolt
es nit glauben/ fieng derhalben die Katz/ wog sie/ und
befand/ daß sie mit Haut und Haar nicht so schwer
war/ als seine Kuttlen gewesen. Weil er dann so gar
unverschämt handlete/ als begehrte ich nit mehr an
seiner Leute/ sondern an gemeldter Studenten Tafel/
es koste auch was es wolle/ zu essen/ worbey es zwar
etwas herrlicher hergieng/ wurde mir aber wenig da-
mit geholffen/ dann alle Speisen die man uns für-

setzte/

Drittes Buch.
Bier heiſſen. Uber das vernam ich von ſeinem Teut-
ſchen Knecht/ daß es Sommerszeit noch ſchlimmer
hergehe/ dann da ſey das Brod ſchimlich/ das Fleiſch
voller Wuͤrm/ und ihre beſte Speiſen waͤre irgends
zu Mittags ein paar Rettig/ und auff den Abend eine
Hand voll Salat. Jch fragte/ warumb er dann bey
dem Filtz bleibe? da antwort er mir/ daß er die mei-
ſte Zeit auff der Raͤis ſeye/ und derhalben mehr auff
der Raͤiſenden Trinckgelter/ als ſeinen Schimmel-
Juden bedacht ſeyn muͤſte; er getraute ſeinem Weib
und Kindern nicht in Keller/ weil er ihm ſelbſten den
Tropff-Wein kaum goͤnnete/ und ſeye in Summa
ein ſolcher Geld-Wolff/ dergleichen kaum noch einer
zu finden/ das ſo ich bißher geſehen/ ſey noch nichts/
wenn ich noch ein Weil da verbliebe/ wuͤrde ich ge-
wahr nehmen/ daß er ſich nicht ſchaͤme/ einen Eſel
umb ein Fettmoͤnch zu ſchinden. Einsmals brachte
er ſechs Pfund Suͤltzen oder Rindern Kuttlen heim/
das ſetzte er in ſeinen Speiß Keller/ und weil zu ſei-
ner Kinder groſſem Glūck das Tagfenſter offen ſtund/
banden ſie ein Eßgabel an einen Stecken/ und angel-
ten damit alle Kuttelfleck herauß/ welche ſie alſo halb
gekocht in groſſer Eyl verſchlangen/ und vorgaben/
die Katz haͤtte es gethan; Aber der Erbſenzehler wolt
es nit glauben/ fieng derhalben die Katz/ wog ſie/ und
befand/ daß ſie mit Haut und Haar nicht ſo ſchwer
war/ als ſeine Kuttlen geweſen. Weil er dann ſo gar
unverſchaͤmt handlete/ als begehrte ich nit mehr an
ſeiner Leute/ ſondern an gemeldter Studenten Tafel/
es koſte auch was es wolle/ zu eſſen/ worbey es zwar
etwas herꝛlicher hergieng/ wurde mir aber wenig da-
mit geholffen/ dann alle Speiſen die man uns fuͤr-

ſetzte/
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[379/0385] Drittes Buch. Bier heiſſen. Uber das vernam ich von ſeinem Teut- ſchen Knecht/ daß es Sommerszeit noch ſchlimmer hergehe/ dann da ſey das Brod ſchimlich/ das Fleiſch voller Wuͤrm/ und ihre beſte Speiſen waͤre irgends zu Mittags ein paar Rettig/ und auff den Abend eine Hand voll Salat. Jch fragte/ warumb er dann bey dem Filtz bleibe? da antwort er mir/ daß er die mei- ſte Zeit auff der Raͤis ſeye/ und derhalben mehr auff der Raͤiſenden Trinckgelter/ als ſeinen Schimmel- Juden bedacht ſeyn muͤſte; er getraute ſeinem Weib und Kindern nicht in Keller/ weil er ihm ſelbſten den Tropff-Wein kaum goͤnnete/ und ſeye in Summa ein ſolcher Geld-Wolff/ dergleichen kaum noch einer zu finden/ das ſo ich bißher geſehen/ ſey noch nichts/ wenn ich noch ein Weil da verbliebe/ wuͤrde ich ge- wahr nehmen/ daß er ſich nicht ſchaͤme/ einen Eſel umb ein Fettmoͤnch zu ſchinden. Einsmals brachte er ſechs Pfund Suͤltzen oder Rindern Kuttlen heim/ das ſetzte er in ſeinen Speiß Keller/ und weil zu ſei- ner Kinder groſſem Glūck das Tagfenſter offen ſtund/ banden ſie ein Eßgabel an einen Stecken/ und angel- ten damit alle Kuttelfleck herauß/ welche ſie alſo halb gekocht in groſſer Eyl verſchlangen/ und vorgaben/ die Katz haͤtte es gethan; Aber der Erbſenzehler wolt es nit glauben/ fieng derhalben die Katz/ wog ſie/ und befand/ daß ſie mit Haut und Haar nicht ſo ſchwer war/ als ſeine Kuttlen geweſen. Weil er dann ſo gar unverſchaͤmt handlete/ als begehrte ich nit mehr an ſeiner Leute/ ſondern an gemeldter Studenten Tafel/ es koſte auch was es wolle/ zu eſſen/ worbey es zwar etwas herꝛlicher hergieng/ wurde mir aber wenig da- mit geholffen/ dann alle Speiſen die man uns fuͤr- ſetzte/

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/385>, abgerufen am 28.03.2024.