Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
was ich gethan hätte? Jch antwortet/ ich wüste es
nicht/ man hätte gewißlich mich darumb daher ge-
führt/ weil ich auß dem Wald entloffen wäre: Als
er aber vom Umbstand vernam/ daß man mich vor
einen Verräther hielte/ bat er/ man wolte mit mir
inhalten/ biß er meine Beschaffenheit den Herrn
Gouverneur berichtet hätte/ dann solches würde bey-
des zu meiner und seiner Erledigung taugen/ und ver-
hüten/ daß sich der Herr Gouverneur an uns beyden
nicht vergreiffen würde/ sintemal er mich besser ken-
ne/ als sonst kein Mensch.

Das XXI. Capitel.

JHm wurde erlaubt/ zum Gubernator zu gehen/
und über ein halbe Stund hernach wurd ich auch
geholt/ und in die Gesind-Stube gesetzt/ allwo sich
schon zween Schneider/ ein Schuster mit Schuhen/
ein Kauffmann mit Hüten und Strümpffen/ und ein
anderer mit allerhand Gewand eingestellt/ damit ich
ehist gekleidet würde; da zog man mir den Rock ab/
sampt der Ketten und dem härinen Hemd/ auff daß
die Schneider das Maaß recht nehmen könten; fol-
gends erschiene ein Feldscherer/ mit scharffer Laugen
und wolriechender Säiffen/ und eben als dieser seine
Kunst an mir üben wolte/ kam ein anderer Befelch/
welcher mich greulich erschreckte/ weil er lautet/ ich
solte meinen Habit wieder anziehen; solches war
nicht so böß gemeynt/ wie ich wol besorgte/ dann es
kam gleich ein Mahler mit seinem Werckzeug da-
ber/ nemlich mit Minien und Zinober zu meinen
Augliedern/ mit Lack/ Endig und Lasur zu meinen
Corallen-rothen Lippen/ mit Auripigmentum/

Rausch
D ij

Erſtes Buch.
was ich gethan haͤtte? Jch antwortet/ ich wuͤſte es
nicht/ man haͤtte gewißlich mich darumb daher ge-
fuͤhrt/ weil ich auß dem Wald entloffen waͤre: Als
er aber vom Umbſtand vernam/ daß man mich vor
einen Verꝛaͤther hielte/ bat er/ man wolte mit mir
inhalten/ biß er meine Beſchaffenheit den Herꝛn
Gouverneur berichtet haͤtte/ dann ſolches wuͤrde bey-
des zu meiner und ſeiner Erledigung taugen/ und ver-
huͤten/ daß ſich der Herꝛ Gouverneur an uns beyden
nicht vergreiffen wuͤrde/ ſintemal er mich beſſer ken-
ne/ als ſonſt kein Menſch.

Das XXI. Capitel.

JHm wurde erlaubt/ zum Gubernator zu gehen/
und uͤber ein halbe Stund hernach wurd ich auch
geholt/ und in die Geſind-Stube geſetzt/ allwo ſich
ſchon zween Schneider/ ein Schuſter mit Schuhen/
ein Kauffmann mit Huͤten und Struͤmpffen/ und ein
anderer mit allerhand Gewand eingeſtellt/ damit ich
ehiſt gekleidet wuͤrde; da zog man mir den Rock ab/
ſampt der Ketten und dem haͤrinen Hemd/ auff daß
die Schneider das Maaß recht nehmen koͤnten; fol-
gends erſchiene ein Feldſcherer/ mit ſcharffer Laugen
und wolriechender Saͤiffen/ und eben als dieſer ſeine
Kunſt an mir uͤben wolte/ kam ein anderer Befelch/
welcher mich greulich erſchreckte/ weil er lautet/ ich
ſolte meinen Habit wieder anziehen; ſolches war
nicht ſo boͤß gemeynt/ wie ich wol beſorgte/ dann es
kam gleich ein Mahler mit ſeinem Werckzeug da-
ber/ nemlich mit Minien und Zinober zu meinen
Augliedern/ mit Lack/ Endig und Laſur zu meinen
Corallen-rothen Lippen/ mit Auripigmentum/

Rauſch
D ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0079" n="73"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
was ich gethan ha&#x0364;tte? Jch antwortet/ ich wu&#x0364;&#x017F;te es<lb/>
nicht/ man ha&#x0364;tte gewißlich mich darumb daher ge-<lb/>
fu&#x0364;hrt/ weil ich auß dem Wald entloffen wa&#x0364;re: Als<lb/>
er aber vom Umb&#x017F;tand vernam/ daß man mich vor<lb/>
einen Ver&#xA75B;a&#x0364;ther hielte/ bat er/ man wolte mit mir<lb/>
inhalten/ biß er meine Be&#x017F;chaffenheit den Her&#xA75B;n<lb/><hi rendition="#aq">Gouverneur</hi> berichtet ha&#x0364;tte/ dann &#x017F;olches wu&#x0364;rde bey-<lb/>
des zu meiner und &#x017F;einer Erledigung taugen/ und ver-<lb/>
hu&#x0364;ten/ daß &#x017F;ich der Her&#xA75B; <hi rendition="#aq">Gouverneur</hi> an uns beyden<lb/>
nicht vergreiffen wu&#x0364;rde/ &#x017F;intemal er mich be&#x017F;&#x017F;er ken-<lb/>
ne/ als &#x017F;on&#x017F;t kein Men&#x017F;ch.</p>
      </div><lb/>
      <div n="2">
        <head> <hi rendition="#fr">Das</hi> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">XXI.</hi> </hi> <hi rendition="#fr">Capitel.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">J</hi>Hm wurde erlaubt/ zum <hi rendition="#aq">Gubernator</hi> zu gehen/<lb/>
und u&#x0364;ber ein halbe Stund hernach wurd ich auch<lb/>
geholt/ und in die Ge&#x017F;ind-Stube ge&#x017F;etzt/ allwo &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chon zween Schneider/ ein Schu&#x017F;ter mit Schuhen/<lb/>
ein Kauffmann mit Hu&#x0364;ten und Stru&#x0364;mpffen/ und ein<lb/>
anderer mit allerhand Gewand einge&#x017F;tellt/ damit ich<lb/>
ehi&#x017F;t gekleidet wu&#x0364;rde; da zog man mir den Rock ab/<lb/>
&#x017F;ampt der Ketten und dem ha&#x0364;rinen Hemd/ auff daß<lb/>
die Schneider das Maaß recht nehmen ko&#x0364;nten; fol-<lb/>
gends er&#x017F;chiene ein Feld&#x017F;cherer/ mit &#x017F;charffer Laugen<lb/>
und wolriechender Sa&#x0364;iffen/ und eben als die&#x017F;er &#x017F;eine<lb/>
Kun&#x017F;t an mir u&#x0364;ben wolte/ kam ein anderer Befelch/<lb/>
welcher mich greulich er&#x017F;chreckte/ weil er lautet/ ich<lb/>
&#x017F;olte meinen Habit wieder anziehen; &#x017F;olches war<lb/>
nicht &#x017F;o bo&#x0364;ß gemeynt/ wie ich wol be&#x017F;orgte/ dann es<lb/>
kam gleich ein Mahler mit &#x017F;einem Werckzeug da-<lb/>
ber/ nemlich mit Minien und Zinober zu meinen<lb/>
Augliedern/ mit Lack/ Endig und La&#x017F;ur zu meinen<lb/>
Corallen-rothen Lippen/ mit Auripigmentum/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D ij</fw><fw place="bottom" type="catch">Rau&#x017F;ch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0079] Erſtes Buch. was ich gethan haͤtte? Jch antwortet/ ich wuͤſte es nicht/ man haͤtte gewißlich mich darumb daher ge- fuͤhrt/ weil ich auß dem Wald entloffen waͤre: Als er aber vom Umbſtand vernam/ daß man mich vor einen Verꝛaͤther hielte/ bat er/ man wolte mit mir inhalten/ biß er meine Beſchaffenheit den Herꝛn Gouverneur berichtet haͤtte/ dann ſolches wuͤrde bey- des zu meiner und ſeiner Erledigung taugen/ und ver- huͤten/ daß ſich der Herꝛ Gouverneur an uns beyden nicht vergreiffen wuͤrde/ ſintemal er mich beſſer ken- ne/ als ſonſt kein Menſch. Das XXI. Capitel. JHm wurde erlaubt/ zum Gubernator zu gehen/ und uͤber ein halbe Stund hernach wurd ich auch geholt/ und in die Geſind-Stube geſetzt/ allwo ſich ſchon zween Schneider/ ein Schuſter mit Schuhen/ ein Kauffmann mit Huͤten und Struͤmpffen/ und ein anderer mit allerhand Gewand eingeſtellt/ damit ich ehiſt gekleidet wuͤrde; da zog man mir den Rock ab/ ſampt der Ketten und dem haͤrinen Hemd/ auff daß die Schneider das Maaß recht nehmen koͤnten; fol- gends erſchiene ein Feldſcherer/ mit ſcharffer Laugen und wolriechender Saͤiffen/ und eben als dieſer ſeine Kunſt an mir uͤben wolte/ kam ein anderer Befelch/ welcher mich greulich erſchreckte/ weil er lautet/ ich ſolte meinen Habit wieder anziehen; ſolches war nicht ſo boͤß gemeynt/ wie ich wol beſorgte/ dann es kam gleich ein Mahler mit ſeinem Werckzeug da- ber/ nemlich mit Minien und Zinober zu meinen Augliedern/ mit Lack/ Endig und Laſur zu meinen Corallen-rothen Lippen/ mit Auripigmentum/ Rauſch D ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/79
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/79>, abgerufen am 19.04.2024.