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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von den souverainen Staaten überhaupt,
nabr. Art. 6]. Es wird darinn zwar nur der Befreiung
von der Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte erwähnt; al-
lein die gänzliche Loszählung von der Oberherschaft des
Reichs ist, wie Moser und von Steck bemerken darun-
ter stilschweigend begriffen. v. Steck am ang. O. S. 52.

In Ansehung der vereinigten Niederlande
erfolgte von Seiten des teutschen Reichs, in Gemäsheit
des münsterschen Friedensschlusses Art 53. zwar auch nur
eine Erklärung, gegen dieselbe die Neutralität, gute
Nachbarschaft und Freundschaft zu erhalten, solche ist
iedoch für eine Anerkennung der Freiheit ebenfals zu
achten. Von Steck am ang. O.

Hat der ehemals herschende Staat die Unabhän-
gigkeit einmal gesetzmäsig zugestanden, so bedarf es der
ausdrücklichen Anerkennung der übrigen weiter nicht,
weil diese bey vorkommenden Gelegenheiten, solche als-
denn ohnedies nicht verweigern dürfen, indem sie kein
Recht haben, zu verlangen, daß ein Volk, dem das
Mutterland die Freiheit eingeräumt hat, sich von neuem
unterwerfe; es müste denn eine Nazion selbst noch An-
sprüche der Bothmäßigkeit zu machen sich berechtigt
glauben.

§. 6.
Heutige souveraine Staaten in Europa.

Europa bestand von ieher aus verschiedenen von ein-
ander unabhängigen Staaten, deren Anzahl und Um-
fang sich durch mancherley Revolutionen bald vermehrte
bald verminderte. Die Herschaft der Griechen und
nachher der Kömer war die ausgebreiteste. Die leztere
teilte sich endlich in zwey Kaiserthümer, in das morgen-
ländische und abendländische. Dieses ward im fünften
Jahrhundert von den damals herumwandernden nordi-
schen Völkern zerstört, und es entstanden daraus nach

und

Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt,
nabr. Art. 6]. Es wird darinn zwar nur der Befreiung
von der Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte erwaͤhnt; al-
lein die gaͤnzliche Loszaͤhlung von der Oberherſchaft des
Reichs iſt, wie Moſer und von Steck bemerken darun-
ter ſtilſchweigend begriffen. v. Steck am ang. O. S. 52.

In Anſehung der vereinigten Niederlande
erfolgte von Seiten des teutſchen Reichs, in Gemaͤsheit
des muͤnſterſchen Friedensſchluſſes Art 53. zwar auch nur
eine Erklaͤrung, gegen dieſelbe die Neutralitaͤt, gute
Nachbarſchaft und Freundſchaft zu erhalten, ſolche iſt
iedoch fuͤr eine Anerkennung der Freiheit ebenfals zu
achten. Von Steck am ang. O.

Hat der ehemals herſchende Staat die Unabhaͤn-
gigkeit einmal geſetzmaͤſig zugeſtanden, ſo bedarf es der
ausdruͤcklichen Anerkennung der uͤbrigen weiter nicht,
weil dieſe bey vorkommenden Gelegenheiten, ſolche als-
denn ohnedies nicht verweigern duͤrfen, indem ſie kein
Recht haben, zu verlangen, daß ein Volk, dem das
Mutterland die Freiheit eingeraͤumt hat, ſich von neuem
unterwerfe; es muͤſte denn eine Nazion ſelbſt noch An-
ſpruͤche der Bothmaͤßigkeit zu machen ſich berechtigt
glauben.

§. 6.
Heutige ſouveraine Staaten in Europa.

Europa beſtand von ieher aus verſchiedenen von ein-
ander unabhaͤngigen Staaten, deren Anzahl und Um-
fang ſich durch mancherley Revolutionen bald vermehrte
bald verminderte. Die Herſchaft der Griechen und
nachher der Koͤmer war die ausgebreiteſte. Die leztere
teilte ſich endlich in zwey Kaiſerthuͤmer, in das morgen-
laͤndiſche und abendlaͤndiſche. Dieſes ward im fuͤnften
Jahrhundert von den damals herumwandernden nordi-
ſchen Voͤlkern zerſtoͤrt, und es entſtanden daraus nach

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[88/0114] Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt, nabr. Art. 6]. Es wird darinn zwar nur der Befreiung von der Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte erwaͤhnt; al- lein die gaͤnzliche Loszaͤhlung von der Oberherſchaft des Reichs iſt, wie Moſer und von Steck bemerken darun- ter ſtilſchweigend begriffen. v. Steck am ang. O. S. 52. In Anſehung der vereinigten Niederlande erfolgte von Seiten des teutſchen Reichs, in Gemaͤsheit des muͤnſterſchen Friedensſchluſſes Art 53. zwar auch nur eine Erklaͤrung, gegen dieſelbe die Neutralitaͤt, gute Nachbarſchaft und Freundſchaft zu erhalten, ſolche iſt iedoch fuͤr eine Anerkennung der Freiheit ebenfals zu achten. Von Steck am ang. O. Hat der ehemals herſchende Staat die Unabhaͤn- gigkeit einmal geſetzmaͤſig zugeſtanden, ſo bedarf es der ausdruͤcklichen Anerkennung der uͤbrigen weiter nicht, weil dieſe bey vorkommenden Gelegenheiten, ſolche als- denn ohnedies nicht verweigern duͤrfen, indem ſie kein Recht haben, zu verlangen, daß ein Volk, dem das Mutterland die Freiheit eingeraͤumt hat, ſich von neuem unterwerfe; es muͤſte denn eine Nazion ſelbſt noch An- ſpruͤche der Bothmaͤßigkeit zu machen ſich berechtigt glauben. §. 6. Heutige ſouveraine Staaten in Europa. Europa beſtand von ieher aus verſchiedenen von ein- ander unabhaͤngigen Staaten, deren Anzahl und Um- fang ſich durch mancherley Revolutionen bald vermehrte bald verminderte. Die Herſchaft der Griechen und nachher der Koͤmer war die ausgebreiteſte. Die leztere teilte ſich endlich in zwey Kaiſerthuͤmer, in das morgen- laͤndiſche und abendlaͤndiſche. Dieſes ward im fuͤnften Jahrhundert von den damals herumwandernden nordi- ſchen Voͤlkern zerſtoͤrt, und es entſtanden daraus nach und

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/114>, abgerufen am 28.03.2024.