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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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in Ansehung des Eigenthums ihrer Lande.
reissen, oder gar das Volk aus seinen Wohnsitzen
vertreiben.

*] Ickstatt L. III. c. 1. §. 13.
§. 3.
Recht der Zurückfoderung unrechtmässiger
Besitzungen
.

Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen seines Ge-
biets durch Schmälerung eines andern Territoriums
auf eine unrechtmässige Weise erweitert, und die Lande
anderer Nazionen in Besitz nimt, so hat das Volk
dessen Eigenthum sie waren, das Recht, sie wieder zu
verlangen [ius vindicandi] und wenn sie ihm gutwillig
nicht zurückgegeben werden, sich durch gewaltsame
Mittel deren Besitz wiederzuverschaffen a]. Dieses
Zurücksoderungsrecht findet iedoch, wie ich schon oben
[1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natürlichen
Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt,
der es dem andern entweder selbst entzogen, oder doch
an sich gebracht hat, da er wuste, daß es einem andern
auf unrechtmässige Art genommen war.

Ist das einem andern entrissene Territorium bereits
in die Hände eines redlichen Besitzers gediehen, d. i.
eines solchen, der, nicht unterrichtet von der wider-
rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Besitzer auf
gehörige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der
wahre Eigenthümer sey, erworben hat, so kann der,
dem es von einem andern entzogen worden, ihm das
Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, sondern muß
die ihm dadurch zugefügte Beleidigung blos an dem
Beleidiger rächen, und durch diesen wieder zu den Be-
sitz seines vormaligen Eigenthums zu gelangen suchen;
denn der letzte redliche Besitzer hat das Land durch recht-

mässigen
O 3

in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
reiſſen, oder gar das Volk aus ſeinen Wohnſitzen
vertreiben.

*] Ickſtatt L. III. c. 1. §. 13.
§. 3.
Recht der Zuruͤckfoderung unrechtmaͤſſiger
Beſitzungen
.

Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen ſeines Ge-
biets durch Schmaͤlerung eines andern Territoriums
auf eine unrechtmaͤſſige Weiſe erweitert, und die Lande
anderer Nazionen in Beſitz nimt, ſo hat das Volk
deſſen Eigenthum ſie waren, das Recht, ſie wieder zu
verlangen [ius vindicandi] und wenn ſie ihm gutwillig
nicht zuruͤckgegeben werden, ſich durch gewaltſame
Mittel deren Beſitz wiederzuverſchaffen a]. Dieſes
Zuruͤckſoderungsrecht findet iedoch, wie ich ſchon oben
[1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natuͤrlichen
Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt,
der es dem andern entweder ſelbſt entzogen, oder doch
an ſich gebracht hat, da er wuſte, daß es einem andern
auf unrechtmaͤſſige Art genommen war.

Iſt das einem andern entriſſene Territorium bereits
in die Haͤnde eines redlichen Beſitzers gediehen, d. i.
eines ſolchen, der, nicht unterrichtet von der wider-
rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Beſitzer auf
gehoͤrige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der
wahre Eigenthuͤmer ſey, erworben hat, ſo kann der,
dem es von einem andern entzogen worden, ihm das
Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, ſondern muß
die ihm dadurch zugefuͤgte Beleidigung blos an dem
Beleidiger raͤchen, und durch dieſen wieder zu den Be-
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denn der letzte redliche Beſitzer hat das Land durch recht-

maͤſſigen
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[213/0227] in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande. reiſſen, oder gar das Volk aus ſeinen Wohnſitzen vertreiben. *] Ickſtatt L. III. c. 1. §. 13. §. 3. Recht der Zuruͤckfoderung unrechtmaͤſſiger Beſitzungen. Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen ſeines Ge- biets durch Schmaͤlerung eines andern Territoriums auf eine unrechtmaͤſſige Weiſe erweitert, und die Lande anderer Nazionen in Beſitz nimt, ſo hat das Volk deſſen Eigenthum ſie waren, das Recht, ſie wieder zu verlangen [ius vindicandi] und wenn ſie ihm gutwillig nicht zuruͤckgegeben werden, ſich durch gewaltſame Mittel deren Beſitz wiederzuverſchaffen a]. Dieſes Zuruͤckſoderungsrecht findet iedoch, wie ich ſchon oben [1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natuͤrlichen Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt, der es dem andern entweder ſelbſt entzogen, oder doch an ſich gebracht hat, da er wuſte, daß es einem andern auf unrechtmaͤſſige Art genommen war. Iſt das einem andern entriſſene Territorium bereits in die Haͤnde eines redlichen Beſitzers gediehen, d. i. eines ſolchen, der, nicht unterrichtet von der wider- rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Beſitzer auf gehoͤrige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der wahre Eigenthuͤmer ſey, erworben hat, ſo kann der, dem es von einem andern entzogen worden, ihm das Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, ſondern muß die ihm dadurch zugefuͤgte Beleidigung blos an dem Beleidiger raͤchen, und durch dieſen wieder zu den Be- ſitz ſeines vormaligen Eigenthums zu gelangen ſuchen; denn der letzte redliche Beſitzer hat das Land durch recht- maͤſſigen O 3

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/227>, abgerufen am 20.04.2024.