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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von den Titeln, Wapen
freilich keinen Werth, und geben den Nazionen, die
ursprünglich alle einander gleich sind, durch ihre Ver-
schiedenheit keinen Vorzug b]. Man hat auch in neu-
ern Zeiten diesen Grundsatz mehr als ehemals zu befol-
gen gesucht. Indes haben Vorurtheil und Herkom-
men mit gewissen Namen eine höhere Meinung verbun-
den, welche, iener Gleichheit ungeachtet, doch auf die
Verhältnisse der Nazionen, und die persönlichen Zu-
ständigkeiten der Regenten, die sie führen, einen gros-
sen Einflus haben. Dahin gehören besonders die Kai-
ser- und Königswürde.

a] Ickstatt Elem. I. G. L. II. c. 6. §. 19. Wolff
I. G. c. II. §. 244. seqq. Vattel L. II. c.
3.
§. 41. ff. Real Science du Gouv. T. V. c. 5.
Sect.
6.
b] s. 1. Buch 3. K. im 1. Th. S. 198. ff.
*] Io. Cph. Becmann diss. de dignitatibus. Frcf. ad
Viadr.
1676.
§. 2.
Kaiserwürde.

Die Kaiserwürde hielten in ältern Zeiten nicht nur
die Regenten, die damit bekleidet waren, sondern auch
andere Nazionen für die höchste. Sie wurde vorzüg-
lich a] von den Beherrschern des Römischteutschen
Reichs [nächst den Regenten des orientalischen Kaiser-
thums zu Constantinopel, von welchen letztern die tür-
kischen Sultane, nach Zerstöhrung dieses Reichs,
solche annahmen und dem römischen Kaiser selbst strei-
tig machten, bis sie 1606. sich verglichen, beide diesen
Titel zu gebrauchen b];] und gewissermaassen ausschlus-
weise geführt, indem sie nicht zugeben wolten, daß ein
anderer Regent sich dessen bediente c]. Die Czaare,

oder

Von den Titeln, Wapen
freilich keinen Werth, und geben den Nazionen, die
urſpruͤnglich alle einander gleich ſind, durch ihre Ver-
ſchiedenheit keinen Vorzug b]. Man hat auch in neu-
ern Zeiten dieſen Grundſatz mehr als ehemals zu befol-
gen geſucht. Indes haben Vorurtheil und Herkom-
men mit gewiſſen Namen eine hoͤhere Meinung verbun-
den, welche, iener Gleichheit ungeachtet, doch auf die
Verhaͤltniſſe der Nazionen, und die perſoͤnlichen Zu-
ſtaͤndigkeiten der Regenten, die ſie fuͤhren, einen groſ-
ſen Einflus haben. Dahin gehoͤren beſonders die Kai-
ſer- und Koͤnigswuͤrde.

a] Ickſtatt Elem. I. G. L. II. c. 6. §. 19. Wolff
I. G. c. II. §. 244. ſeqq. Vattel L. II. c.
3.
§. 41. ff. Real Science du Gouv. T. V. c. 5.
Sect.
6.
b] ſ. 1. Buch 3. K. im 1. Th. S. 198. ff.
*] Io. Cph. Becmann diſſ. de dignitatibus. Frcf. ad
Viadr.
1676.
§. 2.
Kaiſerwuͤrde.

Die Kaiſerwuͤrde hielten in aͤltern Zeiten nicht nur
die Regenten, die damit bekleidet waren, ſondern auch
andere Nazionen fuͤr die hoͤchſte. Sie wurde vorzuͤg-
lich a] von den Beherrſchern des Roͤmiſchteutſchen
Reichs [naͤchſt den Regenten des orientaliſchen Kaiſer-
thums zu Conſtantinopel, von welchen letztern die tuͤr-
kiſchen Sultane, nach Zerſtoͤhrung dieſes Reichs,
ſolche annahmen und dem roͤmiſchen Kaiſer ſelbſt ſtrei-
tig machten, bis ſie 1606. ſich verglichen, beide dieſen
Titel zu gebrauchen b];] und gewiſſermaaſſen ausſchlus-
weiſe gefuͤhrt, indem ſie nicht zugeben wolten, daß ein
anderer Regent ſich deſſen bediente c]. Die Czaare,

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[440/0454] Von den Titeln, Wapen freilich keinen Werth, und geben den Nazionen, die urſpruͤnglich alle einander gleich ſind, durch ihre Ver- ſchiedenheit keinen Vorzug b]. Man hat auch in neu- ern Zeiten dieſen Grundſatz mehr als ehemals zu befol- gen geſucht. Indes haben Vorurtheil und Herkom- men mit gewiſſen Namen eine hoͤhere Meinung verbun- den, welche, iener Gleichheit ungeachtet, doch auf die Verhaͤltniſſe der Nazionen, und die perſoͤnlichen Zu- ſtaͤndigkeiten der Regenten, die ſie fuͤhren, einen groſ- ſen Einflus haben. Dahin gehoͤren beſonders die Kai- ſer- und Koͤnigswuͤrde. a] Ickſtatt Elem. I. G. L. II. c. 6. §. 19. Wolff I. G. c. II. §. 244. ſeqq. Vattel L. II. c. 3. §. 41. ff. Real Science du Gouv. T. V. c. 5. Sect. 6. b] ſ. 1. Buch 3. K. im 1. Th. S. 198. ff. *] Io. Cph. Becmann diſſ. de dignitatibus. Frcf. ad Viadr. 1676. §. 2. Kaiſerwuͤrde. Die Kaiſerwuͤrde hielten in aͤltern Zeiten nicht nur die Regenten, die damit bekleidet waren, ſondern auch andere Nazionen fuͤr die hoͤchſte. Sie wurde vorzuͤg- lich a] von den Beherrſchern des Roͤmiſchteutſchen Reichs [naͤchſt den Regenten des orientaliſchen Kaiſer- thums zu Conſtantinopel, von welchen letztern die tuͤr- kiſchen Sultane, nach Zerſtoͤhrung dieſes Reichs, ſolche annahmen und dem roͤmiſchen Kaiſer ſelbſt ſtrei- tig machten, bis ſie 1606. ſich verglichen, beide dieſen Titel zu gebrauchen b];] und gewiſſermaaſſen ausſchlus- weiſe gefuͤhrt, indem ſie nicht zugeben wolten, daß ein anderer Regent ſich deſſen bediente c]. Die Czaare, oder

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/454>, abgerufen am 28.03.2024.