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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

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wie der philisterhafte Sinn des Hausbesitzers sich schon regte und im Parterrefenster lange Gesichter glotzten mit Verwunderung. Kinder wurden in den Garten geschickt, die sich auf ihren Spielplätzen tummeln sollten. Zuletzt erschien die Mutter des ehemaligen Bierwirths und machte Miene, sich trotz der schon kühlen Abendluft in eine wie ein Vogelgebauer geformte putzige Laube von gefärbtem Draht zu setzen. Alles nur, um den Bildhauer an § 11 seines Miethscontractes zu erinnern.

Als Ottomar das Verhältniß erklärt hatte, sagte der Vater: Die den Urbewohnern dieser Stadt angeborne hämische Mißgunst leite ich von der Zeit der Pfahlbauten her. Die Stadt war früher Pfahlbaute, das Gewerbe Fischerei. Wenn die Fische in das Netz des Einen gingen, vermieden sie das Netz des Andern! Alle Seeleute sind Egoisten.

Jetzt sah man auch schon das rothe gedunsene Angesicht des Wirths an den Fensterscheiben der Küche, die in den kleinen mit großen Topfgewächsen geschmückten Hof ging. Graf Udo brach schnell ab und empfahl sich mit Ottomar, der ihn begleitete. Udo nahm seinen Arm. Vater und Tochter blickten ihnen erstaunend nach.


wie der philisterhafte Sinn des Hausbesitzers sich schon regte und im Parterrefenster lange Gesichter glotzten mit Verwunderung. Kinder wurden in den Garten geschickt, die sich auf ihren Spielplätzen tummeln sollten. Zuletzt erschien die Mutter des ehemaligen Bierwirths und machte Miene, sich trotz der schon kühlen Abendluft in eine wie ein Vogelgebauer geformte putzige Laube von gefärbtem Draht zu setzen. Alles nur, um den Bildhauer an § 11 seines Miethscontractes zu erinnern.

Als Ottomar das Verhältniß erklärt hatte, sagte der Vater: Die den Urbewohnern dieser Stadt angeborne hämische Mißgunst leite ich von der Zeit der Pfahlbauten her. Die Stadt war früher Pfahlbaute, das Gewerbe Fischerei. Wenn die Fische in das Netz des Einen gingen, vermieden sie das Netz des Andern! Alle Seeleute sind Egoisten.

Jetzt sah man auch schon das rothe gedunsene Angesicht des Wirths an den Fensterscheiben der Küche, die in den kleinen mit großen Topfgewächsen geschmückten Hof ging. Graf Udo brach schnell ab und empfahl sich mit Ottomar, der ihn begleitete. Udo nahm seinen Arm. Vater und Tochter blickten ihnen erstaunend nach.


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[96/0102] wie der philisterhafte Sinn des Hausbesitzers sich schon regte und im Parterrefenster lange Gesichter glotzten mit Verwunderung. Kinder wurden in den Garten geschickt, die sich auf ihren Spielplätzen tummeln sollten. Zuletzt erschien die Mutter des ehemaligen Bierwirths und machte Miene, sich trotz der schon kühlen Abendluft in eine wie ein Vogelgebauer geformte putzige Laube von gefärbtem Draht zu setzen. Alles nur, um den Bildhauer an § 11 seines Miethscontractes zu erinnern. Als Ottomar das Verhältniß erklärt hatte, sagte der Vater: Die den Urbewohnern dieser Stadt angeborne hämische Mißgunst leite ich von der Zeit der Pfahlbauten her. Die Stadt war früher Pfahlbaute, das Gewerbe Fischerei. Wenn die Fische in das Netz des Einen gingen, vermieden sie das Netz des Andern! Alle Seeleute sind Egoisten. Jetzt sah man auch schon das rothe gedunsene Angesicht des Wirths an den Fensterscheiben der Küche, die in den kleinen mit großen Topfgewächsen geschmückten Hof ging. Graf Udo brach schnell ab und empfahl sich mit Ottomar, der ihn begleitete. Udo nahm seinen Arm. Vater und Tochter blickten ihnen erstaunend nach.

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/102>, abgerufen am 28.03.2024.