Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber Ada schüttelte den Kopf und recitirte schon laut ihre Liste von Bedürfnissen, die sie durch den Jahrmarkt befriedigen wollte; Helene dachte denn doch über die Herkulesse nach, die schon alle die Thüren zum Tempel der Unsterblichkeit eingedrückt haben, ohne hinein gelangt zu sein - das Beispiel Raimund Ehlerdts lag nahe! Sie sprach auch davon und es that dem Grafen wohl, daß man Rücksicht auf seine Einfälle nahm.

Man begegnete überall schnelleilenden Menschen aus den kleinen Ortschaften. Ottomar hatte an den treuherzig beschränkten Gesichtern besonders deshalb seine Freude, weil man den Leuten ansah, daß sie noch nicht vom Geist der socialen Bewegung angesteckt waren. Noch waren sie für freundliche Anrede, fröhlichen Gruß empfänglich und zeigten nicht jene böse, tückische Miene, die beim Volke immer mehr überhand nimmt. Die beiden Wagen waren in dem Städtchen von Menschen umringt, die das mit Silber ausgelegte Geschirr der Rosse anstarrten, die Livree der Bedienten bewunderten. Die Gräfin-Wittwe liebte ihren alten fürstlichen Glanz zu entfalten. Die Bedienten, in Tressenhut, mit kurzen Pantalons, in Schuh und Strümpfen, mußten die Winke der Herrschaften zum Halten, zum Aussteigen, Einsteigen streng und hurtig beobachten. Alles das geschah in dem Oertchen, vor den Buden, vor dem Wirthshause zum

Aber Ada schüttelte den Kopf und recitirte schon laut ihre Liste von Bedürfnissen, die sie durch den Jahrmarkt befriedigen wollte; Helene dachte denn doch über die Herkulesse nach, die schon alle die Thüren zum Tempel der Unsterblichkeit eingedrückt haben, ohne hinein gelangt zu sein – das Beispiel Raimund Ehlerdts lag nahe! Sie sprach auch davon und es that dem Grafen wohl, daß man Rücksicht auf seine Einfälle nahm.

Man begegnete überall schnelleilenden Menschen aus den kleinen Ortschaften. Ottomar hatte an den treuherzig beschränkten Gesichtern besonders deshalb seine Freude, weil man den Leuten ansah, daß sie noch nicht vom Geist der socialen Bewegung angesteckt waren. Noch waren sie für freundliche Anrede, fröhlichen Gruß empfänglich und zeigten nicht jene böse, tückische Miene, die beim Volke immer mehr überhand nimmt. Die beiden Wagen waren in dem Städtchen von Menschen umringt, die das mit Silber ausgelegte Geschirr der Rosse anstarrten, die Livrée der Bedienten bewunderten. Die Gräfin-Wittwe liebte ihren alten fürstlichen Glanz zu entfalten. Die Bedienten, in Tressenhut, mit kurzen Pantalons, in Schuh und Strümpfen, mußten die Winke der Herrschaften zum Halten, zum Aussteigen, Einsteigen streng und hurtig beobachten. Alles das geschah in dem Oertchen, vor den Buden, vor dem Wirthshause zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0011" n="5"/>
        <p> Aber Ada schüttelte den Kopf und recitirte schon laut ihre Liste von Bedürfnissen, die sie durch den Jahrmarkt befriedigen wollte; Helene dachte denn doch über die Herkulesse nach, die schon alle die Thüren zum Tempel der Unsterblichkeit eingedrückt haben, ohne hinein gelangt zu sein &#x2013; das Beispiel Raimund Ehlerdts lag nahe! Sie sprach auch davon und es that dem Grafen wohl, daß man Rücksicht auf seine Einfälle nahm.</p>
        <p>Man begegnete überall schnelleilenden Menschen aus den kleinen Ortschaften. Ottomar hatte an den treuherzig beschränkten Gesichtern besonders deshalb seine Freude, weil man den Leuten ansah, daß sie noch nicht vom Geist der socialen Bewegung angesteckt waren. Noch waren sie für freundliche Anrede, fröhlichen Gruß empfänglich und zeigten nicht jene böse, tückische Miene, die beim Volke immer mehr überhand nimmt. Die beiden Wagen waren in dem Städtchen von Menschen umringt, die das mit Silber ausgelegte Geschirr der Rosse anstarrten, die Livrée der Bedienten bewunderten. Die Gräfin-Wittwe liebte ihren alten fürstlichen Glanz zu entfalten. Die Bedienten, in Tressenhut, mit kurzen Pantalons, in Schuh und Strümpfen, mußten die Winke der Herrschaften zum Halten, zum Aussteigen, Einsteigen streng und hurtig beobachten. Alles das geschah in dem Oertchen, vor den Buden, vor dem Wirthshause zum
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0011] Aber Ada schüttelte den Kopf und recitirte schon laut ihre Liste von Bedürfnissen, die sie durch den Jahrmarkt befriedigen wollte; Helene dachte denn doch über die Herkulesse nach, die schon alle die Thüren zum Tempel der Unsterblichkeit eingedrückt haben, ohne hinein gelangt zu sein – das Beispiel Raimund Ehlerdts lag nahe! Sie sprach auch davon und es that dem Grafen wohl, daß man Rücksicht auf seine Einfälle nahm. Man begegnete überall schnelleilenden Menschen aus den kleinen Ortschaften. Ottomar hatte an den treuherzig beschränkten Gesichtern besonders deshalb seine Freude, weil man den Leuten ansah, daß sie noch nicht vom Geist der socialen Bewegung angesteckt waren. Noch waren sie für freundliche Anrede, fröhlichen Gruß empfänglich und zeigten nicht jene böse, tückische Miene, die beim Volke immer mehr überhand nimmt. Die beiden Wagen waren in dem Städtchen von Menschen umringt, die das mit Silber ausgelegte Geschirr der Rosse anstarrten, die Livrée der Bedienten bewunderten. Die Gräfin-Wittwe liebte ihren alten fürstlichen Glanz zu entfalten. Die Bedienten, in Tressenhut, mit kurzen Pantalons, in Schuh und Strümpfen, mußten die Winke der Herrschaften zum Halten, zum Aussteigen, Einsteigen streng und hurtig beobachten. Alles das geschah in dem Oertchen, vor den Buden, vor dem Wirthshause zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/11
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/11>, abgerufen am 28.03.2024.