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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Vorwort.
bereits ein Menschenalter hindurch vertreten habe. Ich gedenke
damit meine Studien auf dem Gebiete der monistischen Welt-
anschauung abzuschließen. Der alte, viele Jahre hindurch gehegte
Plan, ein ganzes "System der monistischen Philosophie"
auf Grund der Entwickelungslehre auszubauen, wird nicht mehr
zur Ausführung gelangen. Meine Kräfte reichen dazu nicht
mehr aus und mancherlei Mahnungen des herannahenden Alters
drängen zum Abschluß. Auch bin ich ganz und gar ein Kind
des neunzehnten Jahrhunderts und will mit dessen
Ende einen Strich unter meine Lebensarbeit machen.

Die unermeßliche Ausdehnung, welche das menschliche Wissen
in Folge fortgeschrittener Arbeitstheilung in unserm Jahrhundert
erlangt hat, läßt es schon heute unmöglich erscheinen, alle Zweige
desselben mit gleicher Gründlichkeit zu umfassen und ihren inneren
Zusammenhang einheitlich darzustellen. Selbst ein Genius ersten
Ranges, der alle Gebiete der Wissenschaft gleichmäßig beherrschte,
und der die künstlerische Gabe ihrer einheitlichen Darstellung in
vollem Maße besäße, würde doch nicht im Stande sein, im Raume
eines mäßigen Bandes ein umfassendes allgemeines Bild des
ganzen "Kosmos" auszuführen. Mir selbst, dessen Kenntnisse
in den verschiedenen Gebieten sehr ungleich und lückenhaft sind,
konnte hier nur die Aufgabe zufallen, den allgemeinen Plan
eines solchen Weltbildes zu entwerfen und die durchgehende Ein-
heit
seiner Theile nachzuweisen, trotz sehr ungleicher Ausführung
derselben. Das vorliegende Buch über die Welträthsel trägt
daher auch nur den Charakter eines "Skizzenbuches", in welchem
Studien von sehr ungleichem Werthe zu einem Ganzen zu-
sammengefügt sind. Da die Niederschrift derselben zum Theil
schon in früheren Jahren, zum anderen Theil aber erst in der
letzten Zeit erfolgte, ist die Behandlung leider oft ungleichmäßig;
auch sind mehrfache Wiederholungen nicht zu vermeiden gewesen;
ich bitte dieselben zu entschuldigen.

Vorwort.
bereits ein Menſchenalter hindurch vertreten habe. Ich gedenke
damit meine Studien auf dem Gebiete der moniſtiſchen Welt-
anſchauung abzuſchließen. Der alte, viele Jahre hindurch gehegte
Plan, ein ganzes „Syſtem der moniſtiſchen Philoſophie
auf Grund der Entwickelungslehre auszubauen, wird nicht mehr
zur Ausführung gelangen. Meine Kräfte reichen dazu nicht
mehr aus und mancherlei Mahnungen des herannahenden Alters
drängen zum Abſchluß. Auch bin ich ganz und gar ein Kind
des neunzehnten Jahrhunderts und will mit deſſen
Ende einen Strich unter meine Lebensarbeit machen.

Die unermeßliche Ausdehnung, welche das menſchliche Wiſſen
in Folge fortgeſchrittener Arbeitstheilung in unſerm Jahrhundert
erlangt hat, läßt es ſchon heute unmöglich erſcheinen, alle Zweige
desſelben mit gleicher Gründlichkeit zu umfaſſen und ihren inneren
Zuſammenhang einheitlich darzuſtellen. Selbſt ein Genius erſten
Ranges, der alle Gebiete der Wiſſenſchaft gleichmäßig beherrſchte,
und der die künſtleriſche Gabe ihrer einheitlichen Darſtellung in
vollem Maße beſäße, würde doch nicht im Stande ſein, im Raume
eines mäßigen Bandes ein umfaſſendes allgemeines Bild des
ganzen „Kosmos“ auszuführen. Mir ſelbſt, deſſen Kenntniſſe
in den verſchiedenen Gebieten ſehr ungleich und lückenhaft ſind,
konnte hier nur die Aufgabe zufallen, den allgemeinen Plan
eines ſolchen Weltbildes zu entwerfen und die durchgehende Ein-
heit
ſeiner Theile nachzuweiſen, trotz ſehr ungleicher Ausführung
derſelben. Das vorliegende Buch über die Welträthſel trägt
daher auch nur den Charakter eines „Skizzenbuches“, in welchem
Studien von ſehr ungleichem Werthe zu einem Ganzen zu-
ſammengefügt ſind. Da die Niederſchrift derſelben zum Theil
ſchon in früheren Jahren, zum anderen Theil aber erſt in der
letzten Zeit erfolgte, iſt die Behandlung leider oft ungleichmäßig;
auch ſind mehrfache Wiederholungen nicht zu vermeiden geweſen;
ich bitte dieſelben zu entſchuldigen.

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[VII/0013] Vorwort. bereits ein Menſchenalter hindurch vertreten habe. Ich gedenke damit meine Studien auf dem Gebiete der moniſtiſchen Welt- anſchauung abzuſchließen. Der alte, viele Jahre hindurch gehegte Plan, ein ganzes „Syſtem der moniſtiſchen Philoſophie“ auf Grund der Entwickelungslehre auszubauen, wird nicht mehr zur Ausführung gelangen. Meine Kräfte reichen dazu nicht mehr aus und mancherlei Mahnungen des herannahenden Alters drängen zum Abſchluß. Auch bin ich ganz und gar ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts und will mit deſſen Ende einen Strich unter meine Lebensarbeit machen. Die unermeßliche Ausdehnung, welche das menſchliche Wiſſen in Folge fortgeſchrittener Arbeitstheilung in unſerm Jahrhundert erlangt hat, läßt es ſchon heute unmöglich erſcheinen, alle Zweige desſelben mit gleicher Gründlichkeit zu umfaſſen und ihren inneren Zuſammenhang einheitlich darzuſtellen. Selbſt ein Genius erſten Ranges, der alle Gebiete der Wiſſenſchaft gleichmäßig beherrſchte, und der die künſtleriſche Gabe ihrer einheitlichen Darſtellung in vollem Maße beſäße, würde doch nicht im Stande ſein, im Raume eines mäßigen Bandes ein umfaſſendes allgemeines Bild des ganzen „Kosmos“ auszuführen. Mir ſelbſt, deſſen Kenntniſſe in den verſchiedenen Gebieten ſehr ungleich und lückenhaft ſind, konnte hier nur die Aufgabe zufallen, den allgemeinen Plan eines ſolchen Weltbildes zu entwerfen und die durchgehende Ein- heit ſeiner Theile nachzuweiſen, trotz ſehr ungleicher Ausführung derſelben. Das vorliegende Buch über die Welträthſel trägt daher auch nur den Charakter eines „Skizzenbuches“, in welchem Studien von ſehr ungleichem Werthe zu einem Ganzen zu- ſammengefügt ſind. Da die Niederſchrift derſelben zum Theil ſchon in früheren Jahren, zum anderen Theil aber erſt in der letzten Zeit erfolgte, iſt die Behandlung leider oft ungleichmäßig; auch ſind mehrfache Wiederholungen nicht zu vermeiden geweſen; ich bitte dieſelben zu entſchuldigen.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/13>, abgerufen am 29.03.2024.