Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

Bild:
<< vorherige Seite

Die sechste Stund.
caput, so kan ich deßwegen nicht sagen/ das un-
beschorne Haubt deß Berges Libanus etc.

Scalig. l. 5. Poetic.

21. Es ist auch nicht zierlich/ wann gar zuviel
kurtze oder lange Wörter in einer Reimzeile zu-
sammenkommen/ als:

Der Mann ist selbst die Unüberwindlich-
keit.
und wir sind nichts vor ihm/ als Unvoll-
kommenheit.

Man kan sich der garzulangen Wörter leich-
ter enthalten/ als der kurtzen; wann man anderst
nicht mehrmals eine gute Meinung will fahren
lassen. Scalig. l. 2. Poet. c. 31. von den viel ein-
syllbigen Wörtern erstehet die Füglichkeit der
Zusammensetzung/ ohn welche unsre Gedancken
nicht können außgeredet werden/ darvon zu lesen
H. Schottels Sprachkunst in der sechsten Lob-
rede. Specimen Philolog. Germ. XI. 5.

IV.

22. Alle Fehler sind einander ungleich/ und ist
zu Zeiten das Gedicht nicht zierlich gesetzet/ aber
doch darinnen nicht gefehlet; als/ wann man
die Flickwörter/ welche das Reimmaß nur aus-
füllen/ miteinmischet: dergleichen sind fein/
wol/ schon/ eben/ machen thun/ sagen thun/
han für haben/ lan für lassen/ etc.
wiewol lautet
es doch/ wann jener sagt:

Da

Die ſechſte Stund.
caput, ſo kan ich deßwegen nicht ſagen/ das un-
beſchorne Haubt deß Berges Libanus ꝛc.

Scalig. l. 5. Poëtic.

21. Es iſt auch nicht zierlich/ wann gar zuviel
kurtze oder lange Woͤrter in einer Reimzeile zu-
ſammenkommen/ als:

Der Mann iſt ſelbſt die Unuͤberwindlich-
keit.
und wir ſind nichts vor ihm/ als Unvoll-
kommenheit.

Man kan ſich der garzulangen Woͤrter leich-
ter enthalten/ als der kurtzen; wann man anderſt
nicht mehrmals eine gute Meinung will fahren
laſſen. Scalig. l. 2. Poët. c. 31. von den viel ein-
ſyllbigen Woͤrtern erſtehet die Fuͤglichkeit der
Zuſammenſetzung/ ohn welche unſre Gedancken
nicht koͤnnen außgeredet werden/ darvon zu leſen
H. Schottels Sprachkunſt in der ſechſten Lob-
rede. Specimen Philolog. Germ. XI. 5.

IV.

22. Alle Fehler ſind einander ungleich/ und iſt
zu Zeiten das Gedicht nicht zierlich geſetzet/ aber
doch darinnen nicht gefehlet; als/ wann man
die Flickwoͤrter/ welche das Reimmaß nur aus-
fuͤllen/ miteinmiſchet: dergleichen ſind fein/
wol/ ſchon/ eben/ machen thun/ ſagẽ thun/
han fuͤr haben/ lan fuͤr laſſen/ ꝛc.
wiewol lautet
es doch/ wann jener ſagt:

Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0130" n="116[112]"/><fw place="top" type="header">Die &#x017F;ech&#x017F;te Stund.</fw><lb/><hi rendition="#aq">caput,</hi> &#x017F;o kan ich deßwegen nicht &#x017F;agen/ das <hi rendition="#fr">un-<lb/>
be&#x017F;chorne Haubt deß Berges Libanus &#xA75B;c.</hi></p><lb/>
          <p>&#x261E; <hi rendition="#aq">Scalig. l. 5. Poëtic.</hi></p><lb/>
          <p>21. Es i&#x017F;t auch nicht zierlich/ wann gar zuviel<lb/>
kurtze oder lange Wo&#x0364;rter in einer Reimzeile zu-<lb/>
&#x017F;ammenkommen/ als:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#fr">Der Mann i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t die Unu&#x0364;berwindlich-</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">keit.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">und wir &#x017F;ind nichts vor ihm/ als Unvoll-</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">kommenheit.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Man kan &#x017F;ich der garzulangen Wo&#x0364;rter leich-<lb/>
ter enthalten/ als der kurtzen; wann man ander&#x017F;t<lb/>
nicht mehrmals eine gute Meinung will fahren<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq">Scalig. l. 2. Poët. c.</hi> 31. von den viel ein-<lb/>
&#x017F;yllbigen Wo&#x0364;rtern er&#x017F;tehet die Fu&#x0364;glichkeit der<lb/>
Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung/ ohn welche un&#x017F;re Gedancken<lb/>
nicht ko&#x0364;nnen außgeredet werden/ darvon zu le&#x017F;en<lb/>
H. Schottels Sprachkun&#x017F;t in der &#x017F;ech&#x017F;ten Lob-<lb/>
rede. <hi rendition="#aq">Specimen Philolog. Germ. XI.</hi> 5.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </head><lb/>
          <p>22. Alle Fehler &#x017F;ind einander ungleich/ und i&#x017F;t<lb/>
zu Zeiten das Gedicht nicht zierlich ge&#x017F;etzet/ aber<lb/>
doch darinnen nicht gefehlet; als/ wann man<lb/>
die Flickwo&#x0364;rter/ welche das Reimmaß nur aus-<lb/>
fu&#x0364;llen/ miteinmi&#x017F;chet: dergleichen &#x017F;ind <hi rendition="#fr">fein/<lb/>
wol/ &#x017F;chon/ eben/ machen thun/ &#x017F;age&#x0303; thun/<lb/>
han fu&#x0364;r haben/ lan fu&#x0364;r la&#x017F;&#x017F;en/ &#xA75B;c.</hi> wiewol lautet<lb/>
es doch/ wann jener &#x017F;agt:</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Da</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116[112]/0130] Die ſechſte Stund. caput, ſo kan ich deßwegen nicht ſagen/ das un- beſchorne Haubt deß Berges Libanus ꝛc. ☞ Scalig. l. 5. Poëtic. 21. Es iſt auch nicht zierlich/ wann gar zuviel kurtze oder lange Woͤrter in einer Reimzeile zu- ſammenkommen/ als: Der Mann iſt ſelbſt die Unuͤberwindlich- keit. und wir ſind nichts vor ihm/ als Unvoll- kommenheit. Man kan ſich der garzulangen Woͤrter leich- ter enthalten/ als der kurtzen; wann man anderſt nicht mehrmals eine gute Meinung will fahren laſſen. Scalig. l. 2. Poët. c. 31. von den viel ein- ſyllbigen Woͤrtern erſtehet die Fuͤglichkeit der Zuſammenſetzung/ ohn welche unſre Gedancken nicht koͤnnen außgeredet werden/ darvon zu leſen H. Schottels Sprachkunſt in der ſechſten Lob- rede. Specimen Philolog. Germ. XI. 5. IV. 22. Alle Fehler ſind einander ungleich/ und iſt zu Zeiten das Gedicht nicht zierlich geſetzet/ aber doch darinnen nicht gefehlet; als/ wann man die Flickwoͤrter/ welche das Reimmaß nur aus- fuͤllen/ miteinmiſchet: dergleichen ſind fein/ wol/ ſchon/ eben/ machen thun/ ſagẽ thun/ han fuͤr haben/ lan fuͤr laſſen/ ꝛc. wiewol lautet es doch/ wann jener ſagt: Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/130
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 116[112]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/130>, abgerufen am 24.04.2024.