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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Küster der unterirdischen Kirche, die Kerzen auf die Särge stellt, wenn dann das Licht auf die erhabenen Namen der großen Todten fällt! Wie regierende Häupter führen auch sie keine langen Titel und Zunamen; einfach und groß stehen die Namen auf ihren braunen Särgen geschrieben. Dort Andreas, hier Johannes, in jener Ecke Judas, in dieser Petrus. Wen rührt es nicht, wenn er dann hört, dort liegt der Edle von Niernstein, geboren 1718, hier der von Rüdesheim, geboren 1726. Rechts Paulus, links Jakob, der gute Jakob!

Und ihre Verdienste? Ihr fraget? Seht ihr denn nicht, wie er eingießt in den grünen Römer, wie er das herrliche Blut des Apostels mir darreicht? Gleich dunkelrothem Golde blinkt es im Glase. Als ihn die Sonne aufzog auf den Hügeln von St. Johannes, da war er blond und hell; ein Jahrhundert hat ihn gefärbt. Welche Würze des Geruchs! welche Namen leg' ich dir bei, du lieblicher Duft, der aus dem Römer aufsteigt? Nehmet alle Blüthen von den Bäumen, pflücket alle Blumen in den Fluren, führt Indiens Gewürz herbei, besprengt mit Ambra diesen kühlen Keller, löset den Bernstein in bläuliche Wölkchen auf -- mischet aus ihnen alle die feinsten Düfte, wie die Biene ihren Honig aus den Blüthen saugt, wie schlecht, wie gemein, wie unwürdig gegen die zarte Blume deines Kelches, mein Bingen und Laubenheim, gegen deine Düste, Johannes, und Nierenstein von 1718!

Küster der unterirdischen Kirche, die Kerzen auf die Särge stellt, wenn dann das Licht auf die erhabenen Namen der großen Todten fällt! Wie regierende Häupter führen auch sie keine langen Titel und Zunamen; einfach und groß stehen die Namen auf ihren braunen Särgen geschrieben. Dort Andreas, hier Johannes, in jener Ecke Judas, in dieser Petrus. Wen rührt es nicht, wenn er dann hört, dort liegt der Edle von Niernstein, geboren 1718, hier der von Rüdesheim, geboren 1726. Rechts Paulus, links Jakob, der gute Jakob!

Und ihre Verdienste? Ihr fraget? Seht ihr denn nicht, wie er eingießt in den grünen Römer, wie er das herrliche Blut des Apostels mir darreicht? Gleich dunkelrothem Golde blinkt es im Glase. Als ihn die Sonne aufzog auf den Hügeln von St. Johannes, da war er blond und hell; ein Jahrhundert hat ihn gefärbt. Welche Würze des Geruchs! welche Namen leg' ich dir bei, du lieblicher Duft, der aus dem Römer aufsteigt? Nehmet alle Blüthen von den Bäumen, pflücket alle Blumen in den Fluren, führt Indiens Gewürz herbei, besprengt mit Ambra diesen kühlen Keller, löset den Bernstein in bläuliche Wölkchen auf — mischet aus ihnen alle die feinsten Düfte, wie die Biene ihren Honig aus den Blüthen saugt, wie schlecht, wie gemein, wie unwürdig gegen die zarte Blume deines Kelches, mein Bingen und Laubenheim, gegen deine Düste, Johannes, und Nierenstein von 1718!

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[0018] Küster der unterirdischen Kirche, die Kerzen auf die Särge stellt, wenn dann das Licht auf die erhabenen Namen der großen Todten fällt! Wie regierende Häupter führen auch sie keine langen Titel und Zunamen; einfach und groß stehen die Namen auf ihren braunen Särgen geschrieben. Dort Andreas, hier Johannes, in jener Ecke Judas, in dieser Petrus. Wen rührt es nicht, wenn er dann hört, dort liegt der Edle von Niernstein, geboren 1718, hier der von Rüdesheim, geboren 1726. Rechts Paulus, links Jakob, der gute Jakob! Und ihre Verdienste? Ihr fraget? Seht ihr denn nicht, wie er eingießt in den grünen Römer, wie er das herrliche Blut des Apostels mir darreicht? Gleich dunkelrothem Golde blinkt es im Glase. Als ihn die Sonne aufzog auf den Hügeln von St. Johannes, da war er blond und hell; ein Jahrhundert hat ihn gefärbt. Welche Würze des Geruchs! welche Namen leg' ich dir bei, du lieblicher Duft, der aus dem Römer aufsteigt? Nehmet alle Blüthen von den Bäumen, pflücket alle Blumen in den Fluren, führt Indiens Gewürz herbei, besprengt mit Ambra diesen kühlen Keller, löset den Bernstein in bläuliche Wölkchen auf — mischet aus ihnen alle die feinsten Düfte, wie die Biene ihren Honig aus den Blüthen saugt, wie schlecht, wie gemein, wie unwürdig gegen die zarte Blume deines Kelches, mein Bingen und Laubenheim, gegen deine Düste, Johannes, und Nierenstein von 1718!

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/18>, abgerufen am 24.04.2024.