Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Qualität.
a) Andersseyn.

Das Daseyn ist daher erstens jene Einheit nicht
nur als Seyn, sondern so wesentlich als Nichtseyn.
Oder jene Einheit ist nicht nur seyendes Daseyn, sondern
auch nichtseyendes Daseyn; Nichtdaseyn.

Es ist beym Uebergang des Seyns in Nichts erin-
nert worden, inwiefern er unmittelbar ist. Das Nichts
ist am Seyn noch nicht gesetzt, ob zwar Seyn we-
sentlich
Nichts ist. Das Daseyn hingegen enthält das
Nichts schon in ihm selbst gesetzt, und ist dadurch der
eigne Maßstab seiner Unvollständigkeit, und damit an
ihm selbst die Nothwendigkeit, als Nichtdaseyn gesetzt zu
werden.

Zweytens, das Nichtdaseyn ist nicht reines
Nichts; denn es ist ein Nichts als des Daseyns.
Und diese Verneinung ist aus dem Daseyn selbst genom-
men; aber in diesem ist sie vereinigt mit dem Seyn.
Das Nichtdaseyn ist daher selbst ein Seyn; es ist
seyendes Nichtdaseyn. Ein seyendes Nichtda-
seyn aber ist selbst Daseyn. Diß zweyte Daseyn ist
jedoch zugleich nicht Daseyn auf dieselbe Weise, wie als
zuerst; denn es ist eben so sehr Nichtdaseyn; Daseyn als
Nichtdaseyn; Daseyn als das Nichts seiner selbst, so
daß diß Nichts seiner selbst gleichfalls Daseyn ist. --
Oder das Daseyn ist wesentlich Andersseyn.

Oder kurz mit sich selbst verglichen, so ist Daseyn,
unmittelbare einfache Einheit des Seyns und Nichts;
aber weil es Einheit des Seyns und Nichts ist, so
ist es vielmehr nicht sich selbst gleiche Einheit, son-
dern sich schlechthin ungleich, oder ist das Anders-
seyn
.

Das
Qualitaͤt.
a) Andersſeyn.

Das Daſeyn iſt daher erſtens jene Einheit nicht
nur als Seyn, ſondern ſo weſentlich als Nichtſeyn.
Oder jene Einheit iſt nicht nur ſeyendes Daſeyn, ſondern
auch nichtſeyendes Daſeyn; Nichtdaſeyn.

Es iſt beym Uebergang des Seyns in Nichts erin-
nert worden, inwiefern er unmittelbar iſt. Das Nichts
iſt am Seyn noch nicht geſetzt, ob zwar Seyn we-
ſentlich
Nichts iſt. Das Daſeyn hingegen enthaͤlt das
Nichts ſchon in ihm ſelbſt geſetzt, und iſt dadurch der
eigne Maßſtab ſeiner Unvollſtaͤndigkeit, und damit an
ihm ſelbſt die Nothwendigkeit, als Nichtdaſeyn geſetzt zu
werden.

Zweytens, das Nichtdaſeyn iſt nicht reines
Nichts; denn es iſt ein Nichts als des Daſeyns.
Und dieſe Verneinung iſt aus dem Daſeyn ſelbſt genom-
men; aber in dieſem iſt ſie vereinigt mit dem Seyn.
Das Nichtdaſeyn iſt daher ſelbſt ein Seyn; es iſt
ſeyendes Nichtdaſeyn. Ein ſeyendes Nichtda-
ſeyn aber iſt ſelbſt Daſeyn. Diß zweyte Daſeyn iſt
jedoch zugleich nicht Daſeyn auf dieſelbe Weiſe, wie als
zuerſt; denn es iſt eben ſo ſehr Nichtdaſeyn; Daſeyn als
Nichtdaſeyn; Daſeyn als das Nichts ſeiner ſelbſt, ſo
daß diß Nichts ſeiner ſelbſt gleichfalls Daſeyn iſt. —
Oder das Daſeyn iſt weſentlich Andersſeyn.

Oder kurz mit ſich ſelbſt verglichen, ſo iſt Daſeyn,
unmittelbare einfache Einheit des Seyns und Nichts;
aber weil es Einheit des Seyns und Nichts iſt, ſo
iſt es vielmehr nicht ſich ſelbſt gleiche Einheit, ſon-
dern ſich ſchlechthin ungleich, oder iſt das Anders-
ſeyn
.

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <pb facs="#f0097" n="49"/>
                  <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Qualita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/>
                  <div n="7">
                    <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">a)</hi><hi rendition="#g">Anders&#x017F;eyn</hi>.</hi> </head><lb/>
                    <p>Das Da&#x017F;eyn i&#x017F;t daher <hi rendition="#g">er&#x017F;tens</hi> jene Einheit nicht<lb/>
nur als Seyn, &#x017F;ondern &#x017F;o we&#x017F;entlich als Nicht&#x017F;eyn.<lb/>
Oder jene Einheit i&#x017F;t nicht nur &#x017F;eyendes Da&#x017F;eyn, &#x017F;ondern<lb/>
auch nicht&#x017F;eyendes Da&#x017F;eyn; <hi rendition="#g">Nichtda&#x017F;eyn</hi>.</p><lb/>
                    <p>Es i&#x017F;t beym Uebergang des Seyns in Nichts erin-<lb/>
nert worden, inwiefern er unmittelbar i&#x017F;t. Das Nichts<lb/>
i&#x017F;t am Seyn noch nicht <hi rendition="#g">ge&#x017F;etzt</hi>, ob zwar Seyn <hi rendition="#g">we-<lb/>
&#x017F;entlich</hi> Nichts i&#x017F;t. Das Da&#x017F;eyn hingegen entha&#x0364;lt das<lb/>
Nichts &#x017F;chon in ihm &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;etzt, und i&#x017F;t dadurch der<lb/>
eigne Maß&#x017F;tab &#x017F;einer Unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit, und damit an<lb/>
ihm &#x017F;elb&#x017F;t die Nothwendigkeit, als Nichtda&#x017F;eyn ge&#x017F;etzt zu<lb/>
werden.</p><lb/>
                    <p><hi rendition="#g">Zweytens</hi>, das Nichtda&#x017F;eyn i&#x017F;t nicht reines<lb/>
Nichts; denn es i&#x017F;t ein Nichts <hi rendition="#g">als des Da&#x017F;eyns</hi>.<lb/>
Und die&#x017F;e Verneinung i&#x017F;t aus dem Da&#x017F;eyn &#x017F;elb&#x017F;t genom-<lb/>
men; aber in die&#x017F;em i&#x017F;t &#x017F;ie vereinigt mit dem Seyn.<lb/>
Das Nichtda&#x017F;eyn i&#x017F;t daher &#x017F;elb&#x017F;t ein Seyn; es i&#x017F;t<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;eyendes Nichtda&#x017F;eyn</hi>. Ein &#x017F;eyendes Nichtda-<lb/>
&#x017F;eyn aber i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t Da&#x017F;eyn. Diß <hi rendition="#g">zweyte Da&#x017F;eyn</hi> i&#x017F;t<lb/>
jedoch zugleich nicht Da&#x017F;eyn auf die&#x017F;elbe Wei&#x017F;e, wie als<lb/>
zuer&#x017F;t; denn es i&#x017F;t eben &#x017F;o &#x017F;ehr Nichtda&#x017F;eyn; Da&#x017F;eyn als<lb/>
Nichtda&#x017F;eyn; Da&#x017F;eyn als das Nichts &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
daß diß Nichts &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t gleichfalls Da&#x017F;eyn i&#x017F;t. &#x2014;<lb/>
Oder das Da&#x017F;eyn i&#x017F;t we&#x017F;entlich <hi rendition="#g">Anders&#x017F;eyn</hi>.</p><lb/>
                    <p>Oder kurz mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verglichen, &#x017F;o i&#x017F;t Da&#x017F;eyn,<lb/>
unmittelbare <hi rendition="#g">einfache</hi> Einheit des Seyns und Nichts;<lb/>
aber weil es Einheit des <hi rendition="#g">Seyns</hi> und <hi rendition="#g">Nichts</hi> i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es vielmehr nicht &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gleiche Einheit, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ich &#x017F;chlechthin ungleich, oder i&#x017F;t <hi rendition="#g">das Anders-<lb/>
&#x017F;eyn</hi>.</p><lb/>
                    <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0097] Qualitaͤt. a) Andersſeyn. Das Daſeyn iſt daher erſtens jene Einheit nicht nur als Seyn, ſondern ſo weſentlich als Nichtſeyn. Oder jene Einheit iſt nicht nur ſeyendes Daſeyn, ſondern auch nichtſeyendes Daſeyn; Nichtdaſeyn. Es iſt beym Uebergang des Seyns in Nichts erin- nert worden, inwiefern er unmittelbar iſt. Das Nichts iſt am Seyn noch nicht geſetzt, ob zwar Seyn we- ſentlich Nichts iſt. Das Daſeyn hingegen enthaͤlt das Nichts ſchon in ihm ſelbſt geſetzt, und iſt dadurch der eigne Maßſtab ſeiner Unvollſtaͤndigkeit, und damit an ihm ſelbſt die Nothwendigkeit, als Nichtdaſeyn geſetzt zu werden. Zweytens, das Nichtdaſeyn iſt nicht reines Nichts; denn es iſt ein Nichts als des Daſeyns. Und dieſe Verneinung iſt aus dem Daſeyn ſelbſt genom- men; aber in dieſem iſt ſie vereinigt mit dem Seyn. Das Nichtdaſeyn iſt daher ſelbſt ein Seyn; es iſt ſeyendes Nichtdaſeyn. Ein ſeyendes Nichtda- ſeyn aber iſt ſelbſt Daſeyn. Diß zweyte Daſeyn iſt jedoch zugleich nicht Daſeyn auf dieſelbe Weiſe, wie als zuerſt; denn es iſt eben ſo ſehr Nichtdaſeyn; Daſeyn als Nichtdaſeyn; Daſeyn als das Nichts ſeiner ſelbſt, ſo daß diß Nichts ſeiner ſelbſt gleichfalls Daſeyn iſt. — Oder das Daſeyn iſt weſentlich Andersſeyn. Oder kurz mit ſich ſelbſt verglichen, ſo iſt Daſeyn, unmittelbare einfache Einheit des Seyns und Nichts; aber weil es Einheit des Seyns und Nichts iſt, ſo iſt es vielmehr nicht ſich ſelbſt gleiche Einheit, ſon- dern ſich ſchlechthin ungleich, oder iſt das Anders- ſeyn. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/97
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/97>, abgerufen am 19.04.2024.