Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Griechischen Litteratur
in Deutschland.


1.
(Wie weit kennen wir die Griechen?)

Die Griechen, die Lieblinge der Minerva,
haben sowohl in der Kunst, als in den schö-
nen Wissenschaften mit solchem Glück gear-
beitet, daß das Jdeal ihrer Werke und die
schöne Natur selbst, beinahe ein Bild ausma-
chen sollen. Wie Thucydides die Stadt
Athen, das Museum und Prytaneum der
Griechen nannte: so ist aus Griechenland
der Tempel und Hein der schönen Natur ge-
worden, aus dem die meisten Nationen Eu-
rope[n]s, die nicht Barbarn geblieben, Gesezze
und Auster bekommen haben.

Hier floß der Pierische Quell, aus dem
Homer trank, und der Ungeweihten einen
bloßen Shauder einjagt: hier rauschten die
Thyrsusstche Dithyrambische Begeisterung in
die Vertra[u]ten des Dionysius: hier tan-

zen
Von der Griechiſchen Litteratur
in Deutſchland.


1.
(Wie weit kennen wir die Griechen?)

Die Griechen, die Lieblinge der Minerva,
haben ſowohl in der Kunſt, als in den ſchoͤ-
nen Wiſſenſchaften mit ſolchem Gluͤck gear-
beitet, daß das Jdeal ihrer Werke und die
ſchoͤne Natur ſelbſt, beinahe ein Bild ausma-
chen ſollen. Wie Thucydides die Stadt
Athen, das Muſeum und Prytaneum der
Griechen nannte: ſo iſt aus Griechenland
der Tempel und Hein der ſchoͤnen Natur ge-
worden, aus dem die meiſten Nationen Eu-
rope[n]s, die nicht Barbarn geblieben, Geſezze
und Auſter bekommen haben.

Hier floß der Pieriſche Quell, aus dem
Homer trank, und der Ungeweihten einen
bloßen Shauder einjagt: hier rauſchten die
Thyrſusſtche Dithyrambiſche Begeiſterung in
die Vertra[u]ten des Dionyſius: hier tan-

zen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0090" n="258"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Von der Griechi&#x017F;chen Litteratur<lb/>
in Deut&#x017F;chland.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">1.</hi><lb/>
(Wie weit kennen wir die Griechen?)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Griechen, die Lieblinge der <hi rendition="#fr">Minerva,</hi><lb/>
haben &#x017F;owohl in der Kun&#x017F;t, als in den &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften mit &#x017F;olchem Glu&#x0364;ck gear-<lb/>
beitet, daß das Jdeal ihrer Werke und die<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Natur &#x017F;elb&#x017F;t, beinahe ein Bild ausma-<lb/>
chen &#x017F;ollen. Wie <hi rendition="#fr">Thucydides</hi> die Stadt<lb/><hi rendition="#fr">Athen,</hi> das <hi rendition="#fr">Mu&#x017F;eum</hi> und Prytaneum der<lb/>
Griechen nannte: &#x017F;o i&#x017F;t aus <hi rendition="#fr">Griechenland</hi><lb/>
der Tempel und Hein der &#x017F;cho&#x0364;nen Natur ge-<lb/>
worden, aus dem die mei&#x017F;ten Nationen Eu-<lb/>
rope<supplied>n</supplied>s, die nicht Barbarn geblieben, Ge&#x017F;ezze<lb/>
und Au&#x017F;ter bekommen haben.</p><lb/>
          <p>Hier floß der Pieri&#x017F;che Quell, aus dem<lb/><hi rendition="#fr">Homer</hi> trank, und der Ungeweihten einen<lb/>
bloßen Shauder einjagt: hier rau&#x017F;chten die<lb/>
Thyr&#x017F;us&#x017F;tche Dithyrambi&#x017F;che Begei&#x017F;terung in<lb/>
die Vertra<supplied>u</supplied>ten des <hi rendition="#fr">Diony&#x017F;ius:</hi> hier tan-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0090] Von der Griechiſchen Litteratur in Deutſchland. 1. (Wie weit kennen wir die Griechen?) Die Griechen, die Lieblinge der Minerva, haben ſowohl in der Kunſt, als in den ſchoͤ- nen Wiſſenſchaften mit ſolchem Gluͤck gear- beitet, daß das Jdeal ihrer Werke und die ſchoͤne Natur ſelbſt, beinahe ein Bild ausma- chen ſollen. Wie Thucydides die Stadt Athen, das Muſeum und Prytaneum der Griechen nannte: ſo iſt aus Griechenland der Tempel und Hein der ſchoͤnen Natur ge- worden, aus dem die meiſten Nationen Eu- ropens, die nicht Barbarn geblieben, Geſezze und Auſter bekommen haben. Hier floß der Pieriſche Quell, aus dem Homer trank, und der Ungeweihten einen bloßen Shauder einjagt: hier rauſchten die Thyrſusſtche Dithyrambiſche Begeiſterung in die Vertrauten des Dionyſius: hier tan- zen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/90
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/90>, abgerufen am 28.03.2024.