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Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht, eine Forderung der Gerechtigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung sozialer Notwendigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung der Kultur! München, 1907.

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Frauen aller Berufe, aller Stände,
fordert das Stimmrecht!

Die letzte Volkszählung stellt fest, dass in Deutschland
7,657,350 Frauen im erwerbstätigen Leben stehen;
diese Zahlen liefern den deutlichen Beweis, dass die
Zeiten dahin sind, wo die Frauen ausschliesslich ihre Be-
schäftigung innerhalb des Hauses in der Familie fanden.
Die im Berufsleben stehenden Frauen nehmen den Kampf
um das Dasein unter viel schwierigeren Umständen auf,
als der Mann, weil in unserem heutigen Männerstaat für
die Interessen der Frauen nicht gesorgt ist. Sie können
sich unter viel ungünstigeren Bedingungen als der Mann
eine gleichwertige Vorbildung verschaffen, bei Erlangung
einer Stellung ist nicht die Frage nach der Tüchtigkeit des
Individuums ausschlaggebend, sondern diejenige nach dem
Geschlecht, und die Bezahlung erfolgt nicht nach dem Wert
der Leistungen, sondern danach, ob die Arbeit von männ-
lichem oder weiblichem Intellekt, von männlicher oder weib-
licher Hand ausgeführt worden ist. Engherzige Selbstsucht
des Mannes hat es dahin gebracht, dass der Kampf ums
Dasein dem sogenannten starken Geschlecht nach Kräften
erleichtert, dem sogenannten schwachen Geschlecht nach
Kräften erschwert wird. Noch gibt es viele Berufe, die
ausschliesslich von Männern ausgeübt werden können, so
die Rechtsprechung, die Advokatur. Da es den Männern
aber, von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, durch-
aus an dem nötigen Verständnis der weiblichen und kind-
lichen Psyche fehlt, werden Frauen aller Stände und Kinder
bei Vergehen gegen die Rechtsordnung jahraus jahrein in
ihrem Empfinden, Fühlen und Denken auf das Empfind-
lichste verletzt und in ihren Interessen geschädigt.

Frauen aller Berufe, aller Stände,
fordert das Stimmrecht!

Die letzte Volkszählung stellt fest, dass in Deutschland
7,657,350 Frauen im erwerbstätigen Leben stehen;
diese Zahlen liefern den deutlichen Beweis, dass die
Zeiten dahin sind, wo die Frauen ausschliesslich ihre Be-
schäftigung innerhalb des Hauses in der Familie fanden.
Die im Berufsleben stehenden Frauen nehmen den Kampf
um das Dasein unter viel schwierigeren Umständen auf,
als der Mann, weil in unserem heutigen Männerstaat für
die Interessen der Frauen nicht gesorgt ist. Sie können
sich unter viel ungünstigeren Bedingungen als der Mann
eine gleichwertige Vorbildung verschaffen, bei Erlangung
einer Stellung ist nicht die Frage nach der Tüchtigkeit des
Individuums ausschlaggebend, sondern diejenige nach dem
Geschlecht, und die Bezahlung erfolgt nicht nach dem Wert
der Leistungen, sondern danach, ob die Arbeit von männ-
lichem oder weiblichem Intellekt, von männlicher oder weib-
licher Hand ausgeführt worden ist. Engherzige Selbstsucht
des Mannes hat es dahin gebracht, dass der Kampf ums
Dasein dem sogenannten starken Geschlecht nach Kräften
erleichtert, dem sogenannten schwachen Geschlecht nach
Kräften erschwert wird. Noch gibt es viele Berufe, die
ausschliesslich von Männern ausgeübt werden können, so
die Rechtsprechung, die Advokatur. Da es den Männern
aber, von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, durch-
aus an dem nötigen Verständnis der weiblichen und kind-
lichen Psyche fehlt, werden Frauen aller Stände und Kinder
bei Vergehen gegen die Rechtsordnung jahraus jahrein in
ihrem Empfinden, Fühlen und Denken auf das Empfind-
lichste verletzt und in ihren Interessen geschädigt.

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Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht, eine Forderung der Gerechtigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung sozialer Notwendigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung der Kultur! München, 1907, S. [11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_frauenstimmrecht_1907/11>, abgerufen am 19.04.2024.