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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Was ich gelebt hab, decke zu.
was ich noch leben soll, regiere du! -- --

Man fängt die Grabschriften mit Wanderer
an! Warum aber nicht mit Reuter? -- Reu-
ter so gut, als Wanderer, und auch du selbst,
der du mit sechsen fährst -- Hier ruhet ein
Mädchen aus fremden Landen, sie fand hier
den Tod, auch du wirst ihm nicht entwan-
dern, entreiten, entfahren -- Ihr habt alle
einen Weg -- alle zum Grabe!

Genug! auf heute, liebe Nachbaren!
Da ich dies Wesen, (eine Abdankung kann
ichs nicht mit gutem Gewissen nennen,) bis
beynah ans Ende fertig hatte, fiel es mir ein,
daß ich auch das Leben mit einer Reife hätte
vergleichen können, weil unsre Seligtodte nicht
von hier war, und ein reisendes Mädchen
was seltenes ist; allein da ich eben zu Hause
war, und den nemlichen Abend, als ich dies
Wesen aufsetzte, eine sehr mäßige Mahlzeit
that, schien mir das erste besser, und so wünsch'
ich Euch denn, und die Selige, wenn sie re-
den könnte, würd' außer dem herzlichen
Dank, daß Ihr ihr auf eurem Kirchhof' ein
Plätzchen gegönnet, nnd sie dahin fein sau-
ber angezogen in Communionskleidern beglei-
tet habt, und die Selige, sag' ich, würd'

euch
Was ich gelebt hab, decke zu.
was ich noch leben ſoll, regiere du! — —

Man faͤngt die Grabſchriften mit Wanderer
an! Warum aber nicht mit Reuter? — Reu-
ter ſo gut, als Wanderer, und auch du ſelbſt,
der du mit ſechſen faͤhrſt — Hier ruhet ein
Maͤdchen aus fremden Landen, ſie fand hier
den Tod, auch du wirſt ihm nicht entwan-
dern, entreiten, entfahren — Ihr habt alle
einen Weg — alle zum Grabe!

Genug! auf heute, liebe Nachbaren!
Da ich dies Weſen, (eine Abdankung kann
ichs nicht mit gutem Gewiſſen nennen,) bis
beynah ans Ende fertig hatte, fiel es mir ein,
daß ich auch das Leben mit einer Reife haͤtte
vergleichen koͤnnen, weil unſre Seligtodte nicht
von hier war, und ein reiſendes Maͤdchen
was ſeltenes iſt; allein da ich eben zu Hauſe
war, und den nemlichen Abend, als ich dies
Weſen aufſetzte, eine ſehr maͤßige Mahlzeit
that, ſchien mir das erſte beſſer, und ſo wuͤnſch’
ich Euch denn, und die Selige, wenn ſie re-
den koͤnnte, wuͤrd’ außer dem herzlichen
Dank, daß Ihr ihr auf eurem Kirchhof’ ein
Plaͤtzchen gegoͤnnet, nnd ſie dahin fein ſau-
ber angezogen in Communionskleidern beglei-
tet habt, und die Selige, ſag’ ich, wuͤrd’

euch
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[658/0672] Was ich gelebt hab, decke zu. was ich noch leben ſoll, regiere du! — — Man faͤngt die Grabſchriften mit Wanderer an! Warum aber nicht mit Reuter? — Reu- ter ſo gut, als Wanderer, und auch du ſelbſt, der du mit ſechſen faͤhrſt — Hier ruhet ein Maͤdchen aus fremden Landen, ſie fand hier den Tod, auch du wirſt ihm nicht entwan- dern, entreiten, entfahren — Ihr habt alle einen Weg — alle zum Grabe! Genug! auf heute, liebe Nachbaren! Da ich dies Weſen, (eine Abdankung kann ichs nicht mit gutem Gewiſſen nennen,) bis beynah ans Ende fertig hatte, fiel es mir ein, daß ich auch das Leben mit einer Reife haͤtte vergleichen koͤnnen, weil unſre Seligtodte nicht von hier war, und ein reiſendes Maͤdchen was ſeltenes iſt; allein da ich eben zu Hauſe war, und den nemlichen Abend, als ich dies Weſen aufſetzte, eine ſehr maͤßige Mahlzeit that, ſchien mir das erſte beſſer, und ſo wuͤnſch’ ich Euch denn, und die Selige, wenn ſie re- den koͤnnte, wuͤrd’ außer dem herzlichen Dank, daß Ihr ihr auf eurem Kirchhof’ ein Plaͤtzchen gegoͤnnet, nnd ſie dahin fein ſau- ber angezogen in Communionskleidern beglei- tet habt, und die Selige, ſag’ ich, wuͤrd’ euch

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/672>, abgerufen am 29.03.2024.