Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
in seiner Jugend; allein die reichere Nährerinn der Künstler, die Bild-
nißmalerey entzog abermals der Landschaftmalerey ein Genie, das für sie
erschaffen schien. Indessen kehrt er in heitern Stunden zur Landschaft-
malerey, der vertrautesten Schwester der Gartenkunst, zurück. Er hat
so viel brauchbare Kenntniß von ihr und so viel Geschmack, daß ich es für
einen Vortheil der Gartenkunst ansehen müßte, wenn ihm zur Anwen-
dung seiner Talente Gelegenheit gegeben würde. Ich werde künstig voll-
kommnere Gegenden und Gartenscenen von ihm mittheilen, die, wie ich
hoffe, unter dem Grabstichel weniger, als die gegenwärtigen, verlieren
werden, und die den vorgetragenen Grundsätzen näher kommen. Ich
habe verschiedene Gartenstücke, als eigene Erfindungen von ihm, in Hän-
den, die den besten engländischen Blättern von Windsor, von Kew und
andern gleich sind, und unter ihnen einige, worin die Gegenstände mit ihren
Farben so vortrefflich belebt sind, daß man die Natur selbst zu sehen glaubt,
und den Mangel eines Mittels beklagt, sie für die Besitzer dieses Werks
allgemeiner zu machen. Der Künstler, dem ich hier blos Gerechtigkeit
widerfahren lasse, ist Herr Johann Heinrich Brandt in Hannover.

Ich habe freylich das Mangelhafte der Kupferstiche bey landschaft-
lichen Vorstellungen überhaupt schon bemerkt. *) Indessen liefern sie in
Werken dieser Art doch immer eine Idee mehr, oder erheben und erheitern
die Idee, die man durch Worte zu erwecken sucht; zugleich geben sie der
Phantasie eine nicht unangenehme Beschäftigung. Man hat in den äl-
tern Architekturwerken eine Menge von Kupferstichen verschwendet, um
die falsche symmetrische Manier in den Gärten noch mehr zu unterstützen.
Sollte die Kupferstecherkunst sich nicht auch für die freyen und edlen Na-
turscenen in den Gärten beschäftigen?

Ich wünsche von wirklich vorhandenen Gärten lieber Zeichnungen
einzelner schöner Partien, als bloße Grundrisse des Ganzen zu erhalten.

In
*) S. 188.
b 3

Vorbericht.
in ſeiner Jugend; allein die reichere Naͤhrerinn der Kuͤnſtler, die Bild-
nißmalerey entzog abermals der Landſchaftmalerey ein Genie, das fuͤr ſie
erſchaffen ſchien. Indeſſen kehrt er in heitern Stunden zur Landſchaft-
malerey, der vertrauteſten Schweſter der Gartenkunſt, zuruͤck. Er hat
ſo viel brauchbare Kenntniß von ihr und ſo viel Geſchmack, daß ich es fuͤr
einen Vortheil der Gartenkunſt anſehen muͤßte, wenn ihm zur Anwen-
dung ſeiner Talente Gelegenheit gegeben wuͤrde. Ich werde kuͤnſtig voll-
kommnere Gegenden und Gartenſcenen von ihm mittheilen, die, wie ich
hoffe, unter dem Grabſtichel weniger, als die gegenwaͤrtigen, verlieren
werden, und die den vorgetragenen Grundſaͤtzen naͤher kommen. Ich
habe verſchiedene Gartenſtuͤcke, als eigene Erfindungen von ihm, in Haͤn-
den, die den beſten englaͤndiſchen Blaͤttern von Windſor, von Kew und
andern gleich ſind, und unter ihnen einige, worin die Gegenſtaͤnde mit ihren
Farben ſo vortrefflich belebt ſind, daß man die Natur ſelbſt zu ſehen glaubt,
und den Mangel eines Mittels beklagt, ſie fuͤr die Beſitzer dieſes Werks
allgemeiner zu machen. Der Kuͤnſtler, dem ich hier blos Gerechtigkeit
widerfahren laſſe, iſt Herr Johann Heinrich Brandt in Hannover.

Ich habe freylich das Mangelhafte der Kupferſtiche bey landſchaft-
lichen Vorſtellungen uͤberhaupt ſchon bemerkt. *) Indeſſen liefern ſie in
Werken dieſer Art doch immer eine Idee mehr, oder erheben und erheitern
die Idee, die man durch Worte zu erwecken ſucht; zugleich geben ſie der
Phantaſie eine nicht unangenehme Beſchaͤftigung. Man hat in den aͤl-
tern Architekturwerken eine Menge von Kupferſtichen verſchwendet, um
die falſche ſymmetriſche Manier in den Gaͤrten noch mehr zu unterſtuͤtzen.
Sollte die Kupferſtecherkunſt ſich nicht auch fuͤr die freyen und edlen Na-
turſcenen in den Gaͤrten beſchaͤftigen?

Ich wuͤnſche von wirklich vorhandenen Gaͤrten lieber Zeichnungen
einzelner ſchoͤner Partien, als bloße Grundriſſe des Ganzen zu erhalten.

In
*) S. 188.
b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="XIII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/>
in &#x017F;einer Jugend; allein die reichere Na&#x0364;hrerinn der Ku&#x0364;n&#x017F;tler, die Bild-<lb/>
nißmalerey entzog abermals der Land&#x017F;chaftmalerey ein Genie, das fu&#x0364;r &#x017F;ie<lb/>
er&#x017F;chaffen &#x017F;chien. Inde&#x017F;&#x017F;en kehrt er in heitern Stunden zur Land&#x017F;chaft-<lb/>
malerey, der vertraute&#x017F;ten Schwe&#x017F;ter der Gartenkun&#x017F;t, zuru&#x0364;ck. Er hat<lb/>
&#x017F;o viel brauchbare Kenntniß von ihr und &#x017F;o viel Ge&#x017F;chmack, daß ich es fu&#x0364;r<lb/>
einen Vortheil der Gartenkun&#x017F;t an&#x017F;ehen mu&#x0364;ßte, wenn ihm zur Anwen-<lb/>
dung &#x017F;einer Talente Gelegenheit gegeben wu&#x0364;rde. Ich werde ku&#x0364;n&#x017F;tig voll-<lb/>
kommnere Gegenden und Garten&#x017F;cenen von ihm mittheilen, die, wie ich<lb/>
hoffe, unter dem Grab&#x017F;tichel weniger, als die gegenwa&#x0364;rtigen, verlieren<lb/>
werden, und die den vorgetragenen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen na&#x0364;her kommen. Ich<lb/>
habe ver&#x017F;chiedene Garten&#x017F;tu&#x0364;cke, als eigene Erfindungen von ihm, in Ha&#x0364;n-<lb/>
den, die den be&#x017F;ten engla&#x0364;ndi&#x017F;chen Bla&#x0364;ttern von Wind&#x017F;or, von Kew und<lb/>
andern gleich &#x017F;ind, und unter ihnen einige, worin die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde mit ihren<lb/>
Farben &#x017F;o vortrefflich belebt &#x017F;ind, daß man die Natur &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;ehen glaubt,<lb/>
und den Mangel eines Mittels beklagt, &#x017F;ie fu&#x0364;r die Be&#x017F;itzer die&#x017F;es Werks<lb/>
allgemeiner zu machen. Der Ku&#x0364;n&#x017F;tler, dem ich hier blos Gerechtigkeit<lb/>
widerfahren la&#x017F;&#x017F;e, i&#x017F;t Herr <hi rendition="#fr">Johann Heinrich Brandt</hi> in <hi rendition="#fr">Hannover.</hi></p><lb/>
        <p>Ich habe freylich das Mangelhafte der Kupfer&#x017F;tiche bey land&#x017F;chaft-<lb/>
lichen Vor&#x017F;tellungen u&#x0364;berhaupt &#x017F;chon bemerkt. <note place="foot" n="*)">S. 188.</note> Inde&#x017F;&#x017F;en liefern &#x017F;ie in<lb/>
Werken die&#x017F;er Art doch immer eine Idee mehr, oder erheben und erheitern<lb/>
die Idee, die man durch Worte zu erwecken &#x017F;ucht; zugleich geben &#x017F;ie der<lb/>
Phanta&#x017F;ie eine nicht unangenehme Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung. Man hat in den a&#x0364;l-<lb/>
tern Architekturwerken eine Menge von Kupfer&#x017F;tichen ver&#x017F;chwendet, um<lb/>
die fal&#x017F;che &#x017F;ymmetri&#x017F;che Manier in den Ga&#x0364;rten noch mehr zu unter&#x017F;tu&#x0364;tzen.<lb/>
Sollte die Kupfer&#x017F;techerkun&#x017F;t &#x017F;ich nicht auch fu&#x0364;r die freyen und edlen Na-<lb/>
tur&#x017F;cenen in den Ga&#x0364;rten be&#x017F;cha&#x0364;ftigen?</p><lb/>
        <p>Ich wu&#x0364;n&#x017F;che von wirklich vorhandenen Ga&#x0364;rten lieber Zeichnungen<lb/>
einzelner &#x017F;cho&#x0364;ner Partien, als bloße Grundri&#x017F;&#x017F;e des Ganzen zu erhalten.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">In</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XIII/0013] Vorbericht. in ſeiner Jugend; allein die reichere Naͤhrerinn der Kuͤnſtler, die Bild- nißmalerey entzog abermals der Landſchaftmalerey ein Genie, das fuͤr ſie erſchaffen ſchien. Indeſſen kehrt er in heitern Stunden zur Landſchaft- malerey, der vertrauteſten Schweſter der Gartenkunſt, zuruͤck. Er hat ſo viel brauchbare Kenntniß von ihr und ſo viel Geſchmack, daß ich es fuͤr einen Vortheil der Gartenkunſt anſehen muͤßte, wenn ihm zur Anwen- dung ſeiner Talente Gelegenheit gegeben wuͤrde. Ich werde kuͤnſtig voll- kommnere Gegenden und Gartenſcenen von ihm mittheilen, die, wie ich hoffe, unter dem Grabſtichel weniger, als die gegenwaͤrtigen, verlieren werden, und die den vorgetragenen Grundſaͤtzen naͤher kommen. Ich habe verſchiedene Gartenſtuͤcke, als eigene Erfindungen von ihm, in Haͤn- den, die den beſten englaͤndiſchen Blaͤttern von Windſor, von Kew und andern gleich ſind, und unter ihnen einige, worin die Gegenſtaͤnde mit ihren Farben ſo vortrefflich belebt ſind, daß man die Natur ſelbſt zu ſehen glaubt, und den Mangel eines Mittels beklagt, ſie fuͤr die Beſitzer dieſes Werks allgemeiner zu machen. Der Kuͤnſtler, dem ich hier blos Gerechtigkeit widerfahren laſſe, iſt Herr Johann Heinrich Brandt in Hannover. Ich habe freylich das Mangelhafte der Kupferſtiche bey landſchaft- lichen Vorſtellungen uͤberhaupt ſchon bemerkt. *) Indeſſen liefern ſie in Werken dieſer Art doch immer eine Idee mehr, oder erheben und erheitern die Idee, die man durch Worte zu erwecken ſucht; zugleich geben ſie der Phantaſie eine nicht unangenehme Beſchaͤftigung. Man hat in den aͤl- tern Architekturwerken eine Menge von Kupferſtichen verſchwendet, um die falſche ſymmetriſche Manier in den Gaͤrten noch mehr zu unterſtuͤtzen. Sollte die Kupferſtecherkunſt ſich nicht auch fuͤr die freyen und edlen Na- turſcenen in den Gaͤrten beſchaͤftigen? Ich wuͤnſche von wirklich vorhandenen Gaͤrten lieber Zeichnungen einzelner ſchoͤner Partien, als bloße Grundriſſe des Ganzen zu erhalten. In *) S. 188. b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/13
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/13>, abgerufen am 19.04.2024.