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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Vom Wasser.
Natürlichen. Das Nöthigste bey solchen Anlagen ist immer, die Mittel zu verber-
gen, wodurch sie entstanden sind. Man wird lächerlich, sobald man die Natur
verfehlt, da man sie mit Unkosten und Bestrebungen nachahmen wollte. Indessen
sind kleine Wassergüsse, wo nicht schon die Natur sie hingelegt hat, leichter zu erhal-
ten, als ein einzelner vorzüglicher Wasserfall. Sie verstatten eine Verdeckung, oder
das Auge ist doch in ihrer Beurtheilung nicht strenge. Ein Wasserfall aber verliert,
wenn er nicht gesehn wird; er muß sich dem Auge frey zeigen dürfen, und das kann er
nicht ohne die Empfehlung der Schönheit.

[Abbildung]
9.
Wasserfall.

Die Schönheit der Wasserfälle, die von Wassergüssen sich durch die Mehrheit
und Stärke des Wassers unterscheiden, wird vornehmlich durch die Höhe, woher sie
sich herabgießen, und durch den Reichthum und die Klarheit des Wassers bestimmt.
Wasserfälle in Flüssen, an den Ausgängen der Seen, mögen immer durch das Ge-
räusch dem Ohr gefallen; für das Auge aber haben sie wenig Reiz. Allein sobald das
Wasser von einer beträchtlichen Höhe, von einem Berge oder Felsenstück herunter

spielt,
P 2

Vom Waſſer.
Natuͤrlichen. Das Noͤthigſte bey ſolchen Anlagen iſt immer, die Mittel zu verber-
gen, wodurch ſie entſtanden ſind. Man wird laͤcherlich, ſobald man die Natur
verfehlt, da man ſie mit Unkoſten und Beſtrebungen nachahmen wollte. Indeſſen
ſind kleine Waſſerguͤſſe, wo nicht ſchon die Natur ſie hingelegt hat, leichter zu erhal-
ten, als ein einzelner vorzuͤglicher Waſſerfall. Sie verſtatten eine Verdeckung, oder
das Auge iſt doch in ihrer Beurtheilung nicht ſtrenge. Ein Waſſerfall aber verliert,
wenn er nicht geſehn wird; er muß ſich dem Auge frey zeigen duͤrfen, und das kann er
nicht ohne die Empfehlung der Schoͤnheit.

[Abbildung]
9.
Waſſerfall.

Die Schoͤnheit der Waſſerfaͤlle, die von Waſſerguͤſſen ſich durch die Mehrheit
und Staͤrke des Waſſers unterſcheiden, wird vornehmlich durch die Hoͤhe, woher ſie
ſich herabgießen, und durch den Reichthum und die Klarheit des Waſſers beſtimmt.
Waſſerfaͤlle in Fluͤſſen, an den Ausgaͤngen der Seen, moͤgen immer durch das Ge-
raͤuſch dem Ohr gefallen; fuͤr das Auge aber haben ſie wenig Reiz. Allein ſobald das
Waſſer von einer betraͤchtlichen Hoͤhe, von einem Berge oder Felſenſtuͤck herunter

ſpielt,
P 2
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[115/0119] Vom Waſſer. Natuͤrlichen. Das Noͤthigſte bey ſolchen Anlagen iſt immer, die Mittel zu verber- gen, wodurch ſie entſtanden ſind. Man wird laͤcherlich, ſobald man die Natur verfehlt, da man ſie mit Unkoſten und Beſtrebungen nachahmen wollte. Indeſſen ſind kleine Waſſerguͤſſe, wo nicht ſchon die Natur ſie hingelegt hat, leichter zu erhal- ten, als ein einzelner vorzuͤglicher Waſſerfall. Sie verſtatten eine Verdeckung, oder das Auge iſt doch in ihrer Beurtheilung nicht ſtrenge. Ein Waſſerfall aber verliert, wenn er nicht geſehn wird; er muß ſich dem Auge frey zeigen duͤrfen, und das kann er nicht ohne die Empfehlung der Schoͤnheit. [Abbildung] 9. Waſſerfall. Die Schoͤnheit der Waſſerfaͤlle, die von Waſſerguͤſſen ſich durch die Mehrheit und Staͤrke des Waſſers unterſcheiden, wird vornehmlich durch die Hoͤhe, woher ſie ſich herabgießen, und durch den Reichthum und die Klarheit des Waſſers beſtimmt. Waſſerfaͤlle in Fluͤſſen, an den Ausgaͤngen der Seen, moͤgen immer durch das Ge- raͤuſch dem Ohr gefallen; fuͤr das Auge aber haben ſie wenig Reiz. Allein ſobald das Waſſer von einer betraͤchtlichen Hoͤhe, von einem Berge oder Felſenſtuͤck herunter ſpielt, P 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/119>, abgerufen am 29.03.2024.