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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.

III.
Beschreibung der Gärten um Darmstadt.
*)
1.

Wenn man von Manheim kommt, zeigt sich eine halbe Stunde von Darmstadt,
rechter Hand der Straße, der neuangelegte Garten des Herrn Präsidenten, Frey-
herrn von Moser. Er gränzt auf der einen Seite an das nahe gelegene Dorf, und ist
mit einem niedrigen Zaun versehen; ein Theil von seiner Anlage ergötzt schon von Fer-
ne das Auge des auf der Landstraße ankommenden Beobachters. Der Eintritt ist durch
das große Thor linker Hand, wo die Hauptfahrt durch eine Allee italienischer Pappeln
zum Hause führt. Von da wandelt man durch schlängelnde Gänge von ausländischen
Hölzern, deren eine große Verschiedenheit ist, und stößt bald auf einen mit kleinen Bä-
chen durchschlungenen und mit Kleearten und Sommergewächsen bewachsenen Rasen-
platz, in dessen Mitte die Statue des Apollo von geschlagener Arbeit steht. Nicht weit
von da erhebt sich eine kleine Anhöhe, wo eine Quelle rinnt, über welcher eine Laube mit
darüber gezogenen Obstbäumen angelegt ist. Auf beyden Seiten ist ein kleiner Wein-
berg von niedrig gehaltenen Reben, wo die einzelnen höher gehaltenen Pfähle eine freye
Aussicht nach den obern Partien erlauben. Steigt man höher, so entdeckt man eine
schöne Masse Wasser, in deren Mitte sich eine kleine Insel erhebt, worauf ein bedeckter
chinesischer Pavillon angelegt ist, in welchem man allezeit eine freye und angenehme
Luft einzuathmen rechnen kann. Auf beyden Seiten ist der Boden mit Obstbäumen
der besten Gattung besetzt.

Noch höher liegt das schöne Landhaus, das an Niedlichkeit, Simplicität und Ge-
schmack, sowohl in der Architektur als der Auszierung, seines Besitzers und Erfinders
vollkommen würdig ist. Es hat ein und achtzig Fuß in der Länge, und acht und dreys-
sig Fuß in der Breite. Das erste Geschoß besteht aus einem sehr wohl proportionirten
Saale, zwey Zimmern und drey Kabinetern. Das zweyte hat nur ein großes Zim-
mer und zwey Kabinete, dagegen zwey Platteformen mit einer Balüstrade, wo man
das Vergnügen des Spaziergangs und der freyen Aussicht genießen kann. Auf dem

Dach
*) [Spaltenumbruch] Die beyden vorhergehenden Beschrei-
bungen habe ich im vorigen Sommer ver-
fertigt. Diese aber, welche die Gärten um
Darmstadt betrifft, ist das Publicum der
[Spaltenumbruch] Güte des Hessendarmstädtischen Kriegs-
raths, Herrn J. H. Merk zu Darmstadt, ei-
nem Mann von bekannten Verdiensten um
unsre Litteratur, schuldig.
II Band. X
Beſchreibungen von Gaͤrten.

III.
Beſchreibung der Gaͤrten um Darmſtadt.
*)
1.

Wenn man von Manheim kommt, zeigt ſich eine halbe Stunde von Darmſtadt,
rechter Hand der Straße, der neuangelegte Garten des Herrn Praͤſidenten, Frey-
herrn von Moſer. Er graͤnzt auf der einen Seite an das nahe gelegene Dorf, und iſt
mit einem niedrigen Zaun verſehen; ein Theil von ſeiner Anlage ergoͤtzt ſchon von Fer-
ne das Auge des auf der Landſtraße ankommenden Beobachters. Der Eintritt iſt durch
das große Thor linker Hand, wo die Hauptfahrt durch eine Allee italieniſcher Pappeln
zum Hauſe fuͤhrt. Von da wandelt man durch ſchlaͤngelnde Gaͤnge von auslaͤndiſchen
Hoͤlzern, deren eine große Verſchiedenheit iſt, und ſtoͤßt bald auf einen mit kleinen Baͤ-
chen durchſchlungenen und mit Kleearten und Sommergewaͤchſen bewachſenen Raſen-
platz, in deſſen Mitte die Statue des Apollo von geſchlagener Arbeit ſteht. Nicht weit
von da erhebt ſich eine kleine Anhoͤhe, wo eine Quelle rinnt, uͤber welcher eine Laube mit
daruͤber gezogenen Obſtbaͤumen angelegt iſt. Auf beyden Seiten iſt ein kleiner Wein-
berg von niedrig gehaltenen Reben, wo die einzelnen hoͤher gehaltenen Pfaͤhle eine freye
Ausſicht nach den obern Partien erlauben. Steigt man hoͤher, ſo entdeckt man eine
ſchoͤne Maſſe Waſſer, in deren Mitte ſich eine kleine Inſel erhebt, worauf ein bedeckter
chineſiſcher Pavillon angelegt iſt, in welchem man allezeit eine freye und angenehme
Luft einzuathmen rechnen kann. Auf beyden Seiten iſt der Boden mit Obſtbaͤumen
der beſten Gattung beſetzt.

Noch hoͤher liegt das ſchoͤne Landhaus, das an Niedlichkeit, Simplicitaͤt und Ge-
ſchmack, ſowohl in der Architektur als der Auszierung, ſeines Beſitzers und Erfinders
vollkommen wuͤrdig iſt. Es hat ein und achtzig Fuß in der Laͤnge, und acht und dreyſ-
ſig Fuß in der Breite. Das erſte Geſchoß beſteht aus einem ſehr wohl proportionirten
Saale, zwey Zimmern und drey Kabinetern. Das zweyte hat nur ein großes Zim-
mer und zwey Kabinete, dagegen zwey Platteformen mit einer Baluͤſtrade, wo man
das Vergnuͤgen des Spaziergangs und der freyen Ausſicht genießen kann. Auf dem

Dach
*) [Spaltenumbruch] Die beyden vorhergehenden Beſchrei-
bungen habe ich im vorigen Sommer ver-
fertigt. Dieſe aber, welche die Gaͤrten um
Darmſtadt betrifft, iſt das Publicum der
[Spaltenumbruch] Guͤte des Heſſendarmſtaͤdtiſchen Kriegs-
raths, Herrn J. H. Merk zu Darmſtadt, ei-
nem Mann von bekannten Verdienſten um
unſre Litteratur, ſchuldig.
II Band. X
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[157/0161] Beſchreibungen von Gaͤrten. III. Beſchreibung der Gaͤrten um Darmſtadt. *) 1. Wenn man von Manheim kommt, zeigt ſich eine halbe Stunde von Darmſtadt, rechter Hand der Straße, der neuangelegte Garten des Herrn Praͤſidenten, Frey- herrn von Moſer. Er graͤnzt auf der einen Seite an das nahe gelegene Dorf, und iſt mit einem niedrigen Zaun verſehen; ein Theil von ſeiner Anlage ergoͤtzt ſchon von Fer- ne das Auge des auf der Landſtraße ankommenden Beobachters. Der Eintritt iſt durch das große Thor linker Hand, wo die Hauptfahrt durch eine Allee italieniſcher Pappeln zum Hauſe fuͤhrt. Von da wandelt man durch ſchlaͤngelnde Gaͤnge von auslaͤndiſchen Hoͤlzern, deren eine große Verſchiedenheit iſt, und ſtoͤßt bald auf einen mit kleinen Baͤ- chen durchſchlungenen und mit Kleearten und Sommergewaͤchſen bewachſenen Raſen- platz, in deſſen Mitte die Statue des Apollo von geſchlagener Arbeit ſteht. Nicht weit von da erhebt ſich eine kleine Anhoͤhe, wo eine Quelle rinnt, uͤber welcher eine Laube mit daruͤber gezogenen Obſtbaͤumen angelegt iſt. Auf beyden Seiten iſt ein kleiner Wein- berg von niedrig gehaltenen Reben, wo die einzelnen hoͤher gehaltenen Pfaͤhle eine freye Ausſicht nach den obern Partien erlauben. Steigt man hoͤher, ſo entdeckt man eine ſchoͤne Maſſe Waſſer, in deren Mitte ſich eine kleine Inſel erhebt, worauf ein bedeckter chineſiſcher Pavillon angelegt iſt, in welchem man allezeit eine freye und angenehme Luft einzuathmen rechnen kann. Auf beyden Seiten iſt der Boden mit Obſtbaͤumen der beſten Gattung beſetzt. Noch hoͤher liegt das ſchoͤne Landhaus, das an Niedlichkeit, Simplicitaͤt und Ge- ſchmack, ſowohl in der Architektur als der Auszierung, ſeines Beſitzers und Erfinders vollkommen wuͤrdig iſt. Es hat ein und achtzig Fuß in der Laͤnge, und acht und dreyſ- ſig Fuß in der Breite. Das erſte Geſchoß beſteht aus einem ſehr wohl proportionirten Saale, zwey Zimmern und drey Kabinetern. Das zweyte hat nur ein großes Zim- mer und zwey Kabinete, dagegen zwey Platteformen mit einer Baluͤſtrade, wo man das Vergnuͤgen des Spaziergangs und der freyen Ausſicht genießen kann. Auf dem Dach *) Die beyden vorhergehenden Beſchrei- bungen habe ich im vorigen Sommer ver- fertigt. Dieſe aber, welche die Gaͤrten um Darmſtadt betrifft, iſt das Publicum der Guͤte des Heſſendarmſtaͤdtiſchen Kriegs- raths, Herrn J. H. Merk zu Darmſtadt, ei- nem Mann von bekannten Verdienſten um unſre Litteratur, ſchuldig. II Band. X

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/161>, abgerufen am 29.03.2024.