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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt. Von Statüen,
III.
Inschriften.
1.

Inschriften (Aufschriften) machen Zusätze bey Gebäuden oder Denkmälern aus, die
ihren Ursprung oder ihre Bestimmung erklären. Sie dienen demnach, die Un-
gewißheit der Bedeutung aufzuheben, und die Wißbegierde, die bey der Annäherung
gereizt wird, auf einmal zu befriedigen.

Ihre wesentlichen Eigenschaften sind, daß sie kurz und deutlich, dem Gegen-
stande angemessen, und aus seiner Natur und Bestimmung von selbst entsprungen zu
seyn scheinen müssen. Man kann sich kurzer Sätze in Prose, oder noch besser kurzer
Verse, die sich leichter dem Gedächtniß einprägen, bedienen. Die Ausdrücke müssen
kurz, stark und ungeschmückt seyn. Nichts empfiehlt sich mehr zu Inschriften, als
Einfalt und Nachdruck.

Einige Werke der Baukunst, Säulen und andere Monumente würden oft ohne
eine Aufschrift unverständlich seyn. Allein hier, wo die Nothwendigkeit sie zuerst ein-
geführt hat und noch oft erfordert, müssen sie auch am meisten sich der Kürze befleißi-
gen; zuweilen sind einige Worte oder ein paar Verse schon hinreichend, die Bestim-
mung des Gegenstandes, worauf sie sich geschrieben oder eingegraben befinden, deut-
lich zu machen.

Ein Gebäude oder ein Denkmal verträgt nicht mehr, als Eine Inschrift, weil
seine Bestimmung nur einfach ist, und zu ihrer Andeutung schon Eine zureicht. Das
Werk ist nicht für die Aufschrift, sondern die Aufschrift für das Werk da; und meh-
rere Inschriften an einem Denkmal, so schön auch jede seyn mag, geben eine üppige
Verzierung, die mehr zur Verwirrung, als zur Deutlichkeit wirkt.

Indessen können zuweilen, auch außer Gebäuden und Monumenten, Inschrif-
ten hin und wieder in einem Garten an Ruhesitzen, an Bänken, an Portalen u. s. w.
hingestreut werden. Sie hören alsdann auf, nothwendige Erklärungen zu seyn, und
entfernen sich also etwas von ihrer ersten Bestimmung. Sie können in diesem Fall,
da sie keine Bezeichnung mehr abgeben, schon etwas länger oder ausführlicher seyn;
doch dürfen sie weder in weitläuftige Beschreibungen, noch in trockene Erzählungen,
zwey sehr gewöhnliche Fehler, ausarten. Sie können bald auf die besondern Schön-
heiten der Scenen hinwinken, bald eine nützliche Lehre ins Gedächtniß zurückrufen,
oder eine Empfindung ausdrücken, die dem eigenthümlichen Charakter des Ortes an-
gemessen und durch ihn selbst veranlaßt ist. Sie dürfen daher nicht mühsam gesucht

scheinen,
Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
III.
Inſchriften.
1.

Inſchriften (Aufſchriften) machen Zuſaͤtze bey Gebaͤuden oder Denkmaͤlern aus, die
ihren Urſprung oder ihre Beſtimmung erklaͤren. Sie dienen demnach, die Un-
gewißheit der Bedeutung aufzuheben, und die Wißbegierde, die bey der Annaͤherung
gereizt wird, auf einmal zu befriedigen.

Ihre weſentlichen Eigenſchaften ſind, daß ſie kurz und deutlich, dem Gegen-
ſtande angemeſſen, und aus ſeiner Natur und Beſtimmung von ſelbſt entſprungen zu
ſeyn ſcheinen muͤſſen. Man kann ſich kurzer Saͤtze in Proſe, oder noch beſſer kurzer
Verſe, die ſich leichter dem Gedaͤchtniß einpraͤgen, bedienen. Die Ausdruͤcke muͤſſen
kurz, ſtark und ungeſchmuͤckt ſeyn. Nichts empfiehlt ſich mehr zu Inſchriften, als
Einfalt und Nachdruck.

Einige Werke der Baukunſt, Saͤulen und andere Monumente wuͤrden oft ohne
eine Aufſchrift unverſtaͤndlich ſeyn. Allein hier, wo die Nothwendigkeit ſie zuerſt ein-
gefuͤhrt hat und noch oft erfordert, muͤſſen ſie auch am meiſten ſich der Kuͤrze befleißi-
gen; zuweilen ſind einige Worte oder ein paar Verſe ſchon hinreichend, die Beſtim-
mung des Gegenſtandes, worauf ſie ſich geſchrieben oder eingegraben befinden, deut-
lich zu machen.

Ein Gebaͤude oder ein Denkmal vertraͤgt nicht mehr, als Eine Inſchrift, weil
ſeine Beſtimmung nur einfach iſt, und zu ihrer Andeutung ſchon Eine zureicht. Das
Werk iſt nicht fuͤr die Aufſchrift, ſondern die Aufſchrift fuͤr das Werk da; und meh-
rere Inſchriften an einem Denkmal, ſo ſchoͤn auch jede ſeyn mag, geben eine uͤppige
Verzierung, die mehr zur Verwirrung, als zur Deutlichkeit wirkt.

Indeſſen koͤnnen zuweilen, auch außer Gebaͤuden und Monumenten, Inſchrif-
ten hin und wieder in einem Garten an Ruheſitzen, an Baͤnken, an Portalen u. ſ. w.
hingeſtreut werden. Sie hoͤren alsdann auf, nothwendige Erklaͤrungen zu ſeyn, und
entfernen ſich alſo etwas von ihrer erſten Beſtimmung. Sie koͤnnen in dieſem Fall,
da ſie keine Bezeichnung mehr abgeben, ſchon etwas laͤnger oder ausfuͤhrlicher ſeyn;
doch duͤrfen ſie weder in weitlaͤuftige Beſchreibungen, noch in trockene Erzaͤhlungen,
zwey ſehr gewoͤhnliche Fehler, ausarten. Sie koͤnnen bald auf die beſondern Schoͤn-
heiten der Scenen hinwinken, bald eine nuͤtzliche Lehre ins Gedaͤchtniß zuruͤckrufen,
oder eine Empfindung ausdruͤcken, die dem eigenthuͤmlichen Charakter des Ortes an-
gemeſſen und durch ihn ſelbſt veranlaßt iſt. Sie duͤrfen daher nicht muͤhſam geſucht

ſcheinen,
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[154/0164] Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, III. Inſchriften. 1. Inſchriften (Aufſchriften) machen Zuſaͤtze bey Gebaͤuden oder Denkmaͤlern aus, die ihren Urſprung oder ihre Beſtimmung erklaͤren. Sie dienen demnach, die Un- gewißheit der Bedeutung aufzuheben, und die Wißbegierde, die bey der Annaͤherung gereizt wird, auf einmal zu befriedigen. Ihre weſentlichen Eigenſchaften ſind, daß ſie kurz und deutlich, dem Gegen- ſtande angemeſſen, und aus ſeiner Natur und Beſtimmung von ſelbſt entſprungen zu ſeyn ſcheinen muͤſſen. Man kann ſich kurzer Saͤtze in Proſe, oder noch beſſer kurzer Verſe, die ſich leichter dem Gedaͤchtniß einpraͤgen, bedienen. Die Ausdruͤcke muͤſſen kurz, ſtark und ungeſchmuͤckt ſeyn. Nichts empfiehlt ſich mehr zu Inſchriften, als Einfalt und Nachdruck. Einige Werke der Baukunſt, Saͤulen und andere Monumente wuͤrden oft ohne eine Aufſchrift unverſtaͤndlich ſeyn. Allein hier, wo die Nothwendigkeit ſie zuerſt ein- gefuͤhrt hat und noch oft erfordert, muͤſſen ſie auch am meiſten ſich der Kuͤrze befleißi- gen; zuweilen ſind einige Worte oder ein paar Verſe ſchon hinreichend, die Beſtim- mung des Gegenſtandes, worauf ſie ſich geſchrieben oder eingegraben befinden, deut- lich zu machen. Ein Gebaͤude oder ein Denkmal vertraͤgt nicht mehr, als Eine Inſchrift, weil ſeine Beſtimmung nur einfach iſt, und zu ihrer Andeutung ſchon Eine zureicht. Das Werk iſt nicht fuͤr die Aufſchrift, ſondern die Aufſchrift fuͤr das Werk da; und meh- rere Inſchriften an einem Denkmal, ſo ſchoͤn auch jede ſeyn mag, geben eine uͤppige Verzierung, die mehr zur Verwirrung, als zur Deutlichkeit wirkt. Indeſſen koͤnnen zuweilen, auch außer Gebaͤuden und Monumenten, Inſchrif- ten hin und wieder in einem Garten an Ruheſitzen, an Baͤnken, an Portalen u. ſ. w. hingeſtreut werden. Sie hoͤren alsdann auf, nothwendige Erklaͤrungen zu ſeyn, und entfernen ſich alſo etwas von ihrer erſten Beſtimmung. Sie koͤnnen in dieſem Fall, da ſie keine Bezeichnung mehr abgeben, ſchon etwas laͤnger oder ausfuͤhrlicher ſeyn; doch duͤrfen ſie weder in weitlaͤuftige Beſchreibungen, noch in trockene Erzaͤhlungen, zwey ſehr gewoͤhnliche Fehler, ausarten. Sie koͤnnen bald auf die beſondern Schoͤn- heiten der Scenen hinwinken, bald eine nuͤtzliche Lehre ins Gedaͤchtniß zuruͤckrufen, oder eine Empfindung ausdruͤcken, die dem eigenthuͤmlichen Charakter des Ortes an- gemeſſen und durch ihn ſelbſt veranlaßt iſt. Sie duͤrfen daher nicht muͤhſam geſucht ſcheinen,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/164>, abgerufen am 29.03.2024.